Das Sozialgericht Trier hatten einer bemerkenswerten Entscheidung festgestellt, dass eine nahtlose Attestierung von Arbeitsunfähigkeit vorliegen kann, wenn zwischen dem letzten Tag der Attestierung und der erneuten Attestierung kein Arbeitstag oder nur arbeitsfreie Tage (Samstage, Sonn- und Feiertage) liegen.

In dem entschiedenen Fall ging es um einen Versicherten, der wegen einer depressiven Episode und einer akuten Belastungsreaktion arbeitsunfähig war und dessen Arbeitsverhältnis während des Krankengeldbezuges endete.

Der Versicherte war ab dem 17.10.2011 krankgeschrieben. Am 14.11.2011 wurde von seinen Ärzten eine Folgebescheinigung über eine "voraussichtlich" bis zum Montag, den 28.11.2011 fortbestehende Arbeitsunfähigkeit ausgestellt.

Der Versicherte ging gleich am darauffolgenden Dienstag, den 29.11.2011, zum Arzt, der eine erneute Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 06.12.2011 attestierte.

Es kam, wie es kommen musste: die Krankenkasse teilte dem Versicherten mit Bescheid vom 21.02.2012 mit, er habe nur Anspruch auf Krankengeld bis einschließlich Montag, den 28.11.2011. Die Krankschreibung erst am Dienstag, den 29.11.2011, sei zu spät gewesen.

Der Versicherte klagte gegen die Einstellung der Krankengeldzahlung und bekam vor dem Sozialgericht recht.

Das Sozialgericht Trier verwies auf den Vordruck zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und führte aus, dieser erzeuge bei vielen Versicherten regelmäßig die Vorstellung, dass eine bis einschließlich des bescheinigten (voraussichtlich letzten) Tages attestierte Arbeitsunfähigkeit und eine tatsächlich erfolgte Attestierung der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit am nächstmöglichen Tag durchaus eine nahtlose Attestierung von Arbeitsunfähigkeit darstellt.

Weiter führte das Sozialgericht aus, Versicherte müssten, wenn zwischen dem letzten Tag der attestierten Arbeitsunfähigkeit (zum Beispiel einem Freitag) und der erneuten Attestierung von Arbeitsunfähigkeit (zum Beispiel ein Montag) kein weiterer Arbeitstag oder nur arbeitsfreie Tage (Samstage, sondern- und Feiertage) lägen, ohne gegenteilige Informationen auch nicht damit rechnen, eine nahtlose Arbeitsunfähigkeit würde von Ihrer Krankenkasse nicht mehr anerkannt.

Kommentar: Die Entscheidung ist bemerkenswert, denn sie zeigt nachvollziehbar auf, wie wenig verständlich das vom Gesetzgeber vorgesehene Verfahren zur "nahtlosen" Attestierung der Arbeitsunfähigkeit für Versicherte ist. Wer rechnet schon damit, dass eine nahtlose Arbeitsunfähigkeit angeblich nicht nachgewiesen sein soll, wenn die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit bis zum 28. November reicht und man am 29. November wieder beim Arzt vorstellt? Es ist für Versicherte auch nicht nachvollziehbar oder einleuchtend, sich notfalls am Wochenende bei einer Arzt- oder Notfallpraxis vorzustellen, um eine nahtlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Die hölzernen gesetzlichen Regelungen zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedürften in dieser Hinsicht einer kritischen Überprüfung und ggf. Neuregelung. Bislang dienen die unverständlichen Regelungen im Wesentlichen dazu, den Krankenkassen die Zahlungseinstellung zu erleichtern.

ACHTUNG: Diese Gerichtsentscheidung ist eine Einzelfallentscheidung und durch Gerichte höherer Instanzen nicht bestätigt. Achten Sie also tunlichst darauf, sich noch am letzten "Gültigkeitstag" Ihrer letzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt vorzustellen. Andernfalls ist der Streit mit der Krankenkasse vorprogrammiert und Sie laufen Gefahr, Ihren Krankengeldanspruch zu verlieren.

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Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
14.10.2014, 14:45 Uhr

ACHTUNG: Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 04.03.2014 festgestellt, dass man verpflichtet ist, seine Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf, d.h. spätestens am letzten Tag des in der letzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgewiesenen Arbeitsunfähigkeitszeitraums erneut ärztlich feststellen zu lassen. Diese Pflicht zur peniblen Einhaltung der Frist entfällt weder deshalb, weil der letzte Tag der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit auf einen Sonntag fällt, noch dann, wenn der behandelnde Arzt einen falsch oder gar nicht über eine Krankengeldeinstellung bei Versäumung der Frist beraten hat. Das Bundessozialgericht hat damit – leider – seine auch in der Fachliteratur als zu streng kritisierte Rechtsauslegung in diesem Bereich bestätigt. Mehr noch: Man kann sich als Versicherter, der die gesetzlichen Regelungen zum Krankengeld und ihre strenge Auslegung nicht kennt, offensichtlich nicht einmal auf den Rat der behandelnden Ärzte verlassen. Meines Erachtens eine viel zu weitgehende Auslegung, von den Krankenkassen wäre mindestens zu verlangen, dass sie die Versicherten schriftlich ganz deutlich und unter drucktechnischer Hervorhebung auf die für die Betroffenen dramatischen Folgen einer Krankeschreibungslücke hinweisen. Das Urteil des Sozialgerichts Trier ist jedenfalls leider überholt.


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Veröffentlicht am

07.11.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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