Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass Versicherte sich im Krankengeldbezug grundsätzlich zwingend vor Ablauf der letzten Bescheinigung erneut ärztlich krankschreiben lassen müssen, zur Not auch sonntags durch den hausärztlichen Notfalldienst. Ansonsten entfällt der Krankengeldanspruch.

In dem entschiedenen Fall ging es um eine Klägerin, die als Bürokraft beschäftigt war und die unter einer rezidivierenden depressiven Störung und anhaltenden affektiven Störung (Dysthymia) mit. Der Arbeitsvertrag endete am 30.09.2010. Kurz vor Ende des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin arbeitsunfähig geschrieben. Der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reichte bis Sonntag, den 24.10.2010. Bis dahin zahlte die Krankenkasse auch Krankengeld.

Die Klägerin ging jedoch erst wieder am folgenden Montag, den 25.10.2010 zur Ärztin, um sich weiter krankschreiben zu lassen.

Die Krankenkasse verweigerte daraufhin die Weiterzahlung des Krankengeldes. Zur Begründung führte die Krankenkasse an, ein Anspruch auf Krankengeld könne erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung entstehen. Dies sei hier der Dienstag, der 26.10.2010 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin aber gar nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen.

Da sich die Klägerin immerhin am Montag, den 25.10.2010 auch beim Arbeitsamt arbeitslos meldete, erhielt sie ab dieser Zeit Arbeitslosengeld, klagte jedoch auch auf Fortzahlung des Krankengeldes.

Während das Sozialgericht und das Landessozialgericht der Klägerin zunächst recht gaben, weil niemand die Klägerin darauf aufmerksam gemacht habe, dass sie rechtzeitig vor dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder zum Arzt gehen und sich arbeitsunfähig schreiben lassen müsse, wie das Bundessozialgericht die Klage schließlich ab.

Das Bundessozialgericht blieb bei seiner sehr strengen Auffassung, dass die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse nur erhalten bleibt, solange Anspruch auf Krankengeld besteht. Anspruch auf Krankengeld bestehe aber nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des letzten Krankengeld-Bewilligungsabschnittes erneut ärztlich festgestellt werde und zwar Tag genau.

Als die Klägerin am Montag, den 25.10.2010 zu ihrer Ärztin gegangen sei, um sich weiter krankschreiben zu lassen, sei sie nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Ab diesem Tag sei sie lediglich wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld versichert gewesen. Wer wegen Arbeitslosengeldbezuges krankenversichert sei, habe aber keinen Anspruch auf Krankengeld.

Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, ihre Ärzte hätten sie darauf aufmerksam machen müssen, dass sie rechtzeitig vor dem Ende der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erneut in der Praxis erscheinen müsse. Denn Krankenkassen seien nicht gehalten, „Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf. erneut erforderlichen AU- Feststellung zu geben oder solche Hinweise in den Formularen zur Bescheinigung der AU vorzusehen“.

Eine Aufklärung der Versicherten über ihre Pflichten beim Krankengeldbezug wäre zwar „wünschenswert“, aber gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Ein Krankengeldanspruch bestünde auch nicht deswegen, weil die letzte bescheinigte Arbeitsunfähigkeit an einem Sonntag endete. Die Klägerin hätte schließlich die Möglichkeit gehabt, entweder bereits am Freitag erneut einen Arzt […] aufzusuchen oder aber den hausärztlichen Notfalldienst in Anspruch zu nehmen“.

Soweit die Ärztin der Klägerin „unzutreffende rechtliche Ratschläge gegeben haben sollte“, stünden der Klägerin „ggf. Schadensersatzansprüche gegen diese, nicht aber ein Krankengeldanspruch“ zu.

Kommentar: Diese sehr strenge Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Krankschreibungslücken wird zu Recht kritisiert. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Krankenkassen, die nach § 1 Sozialgesetzbuch 5 schließlich ihren Versicherten „durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen“ haben, nicht verpflichtet sein sollen, die Versicherten wenigstens schriftlich auf die gravierenden finanziellen Folgen einer nicht rechtzeitigen Krankschreibung und einer Krankschreibungslücke hinzuweisen. Ebenso wenig ist nachzuvollziehen, dass Falschauskünfte der behandelnden Ärzte bei Krankschreibungslücken irrelevant sein sollen. Wenn sich jemand mit den Formalitäten des Krankengeldbezuges auskennen sollte, dann die Ärzte, die ihre Leistungen für die Krankenkassen erbringen. Fehler, die hier unterlaufen, müssen den Krankenkassen zugerechnet werden. Die Krankenversicherungen sind auch in der Pflicht, ihren angeschlossenen Ärzten entsprechende Schulungen zu bieten, wie mit denen in der Praxis so wichtigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen umzugehen ist.

ACHTUNG: Beachten Sie unbedingt hierzu die untenstehenden Hinweise zur Rechtsprechungsentwicklung!

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Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
08.07.2015, 13:53 Uhr

Der Bundestag hat am 11. Juni 2015 das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz) verabschiedet, dass mit Rücksicht auf die oben beschriebene Problematik eine Änderung des § 46 SGB V vorsieht. Danach soll der Krankengeldanspruch nun nicht wie bisher erst ab dem Folgetag der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entstehen, sondern bereits "von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an". Weiter soll nunmehr der Anspruch auf Krankengeld bestehen bleiben, "wenn nach dem Ende der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit deren Fortdauer wegen derselben Krankheit am nächsten Arbeitstag, der ein Werktag ist, ärztlich festgestellt wird". Die Wochenend-Problematik" soll so zugunsten der Versicherten entschärft werden. Diese Neuregelung soll nach Möglichkeit ab dem 01.08.2015 in Kraft treten, spätestens aber zum 01.01.2016. Der Bundesrat wird hierüber am 10.07.2015 beraten.

M.
29.05.2017, 09:35 Uhr

Sehr geehrter RA Köper, mein Mann war jetzt bis 19.5 (Freitag) krank und jetzt geht die Krankschreibung erst am 22.5. (Montag) weiter ....eigentlich ist das ja eine Lücke, die jedoch ein Wochenende ist ...er ist in einem Arbeitsverhältnis jedoch schon mehr als 6 wochen krank. Jetzt meine Frage: Ist das eine Lücke und was kann passieren? Im voraus vielen Dank für ihre Antwort.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
29.05.2017, 09:36 Uhr

Sehr geehrte Frau M.

nach der gesetzlichen Regelung in § 46 Sozialgesetzbuch 5 muss die Arbeitsunfähigkeit ('Krankschreibung') spätestens am nächsten Werktag erfolgen. Grundsätzlich ist der Sonnabend/Samstag zwar ein Werktag, dem Gesetzgeber ist aber bekannt, dass Arztpraxen samstags geschlossen sind, so dass er ausdrücklich in den Paragrafen hineingeschrieben hat, dass Samstage "insoweit nicht als Werktage" gelten. Eine Krankschreibungslücke liegt in Ihrem Fall also nicht vor, nach Freitag ist nach der gesetzlichen Regelung stets Montag der nächste Werktag.

Maier
29.05.2017, 10:19 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper,

im Vorfeld möchte ich mich für Ihre Mühe bedanken! Nun zu meinem Anliegen: Ich war bis zum 01. Mai 2017 krankgeschrieben, bereits seit Anfang des Jahres und habe Krankengeld erhalten. Ich konnte allerdings aufgrund meiner Krankheit/Arbeitsunfähigkeit (mittelschwere Depression > Panikattacke > Handlungsunfähigkeit) das Haus nicht verlassen. Dadurch war es mir nicht möglich, zum Arzt zu gelangen um die Krankmeldung zu verlängern. Am 03. Mai habe ich die Arzthelferin meines Hausarztes telefonisch über meinen gesundheitlichen Zustand aufgeklärt und sie darum gebeten, die Krankmeldung auszudrucken, um sie am darauffolgenden Tag abholen zu können. Dies willigte sie mir sofort ein. Als ich am 04. Mai bei meiner Hausärztin war, um die Krankmeldung abzuholen, musste ich allerdings feststellen, dass diese nicht ausgestellt wurde. Zur Folge hat dies, dass das Feststelldatum zwei Tage zu spät ist, krankgeschrieben war ich jedoch lückenlos fortführend. Einige Tage später sendete mir die Krankenkasse ein Schreiben zu. Dies beinhaltete, dass das Krankengeld aufgrund der zu spät ausgestellten Krankmeldung gestrichen wurde. Wie sollte ich am besten vorgehen? Vielen Dank!

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
29.05.2017, 10:20 Uhr

Sehr geehrte Frau/Herr Maier,

die Rechtsprechung stellt leider sehr hohe Anforderungen an die Handlungsunfähigkeit. Sie können gegen den Bescheid der Krankenkasse Widerspruch erheben, ich halte jedoch eine Zurückweisung des Widerspruchs für sehr wahrscheinlich. Sie werden wohl letztlich vor dem Sozialgericht Klage erheben müssen (Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid beachten). Ein Sachverständigengutachten muss dann klären, ob tatsächlich Handlungsunfähigkeit vorlag oder nicht. Das rechtzeitige "Ausdrucken" der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nutzt rechtlich gar nichts, da es nach § 46 Sozialgesetzbuch 5 darauf ankommt, dass die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig ä r z t l i c h festgestellt wird, der Arzt den Versicherten also rechtzeitig sehen und sich von der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit überzeugen kann - das Ausdrucken des Papiers genügt deshalb nicht, schon gar nicht kann Ihnen da die Arzthelferin rechtlich helfen. Das Erstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch nichtärztliches Praxispersonal (blanko von den Ärzten auf Vorrat unterzeichnet) kommt zwar vor, ist rechtlich aber unzulässig. Die Ärzte können in diesem Fall durchaus nach § 278 StGB und die Versicherten nach § 279 StGB strafrechtlich verfolgt werden. Für das nichtärztliche Praxispersonal besteht die Gefahr einer Strafbarkeit nach § 267 StGB. In einem Sozialgerichtsverfahren wird jedenfalls der Frage nachgegangen, wann der Arzt den Patienten gesehen hat, nicht, wann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgedruckt wurde (Für die Ärzte gilt beim Ausstellen von AU-Bescheinigungen: "Erst gucken, dann unterschreiben").

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
23.11.2017, 21:35 Uhr

ACHTUNG: Der 3. Senat des Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 11.05.2017 die oben geschilderte sehr strenge Rechtsprechung des 1. Senats teilweise aufgegeben und klargestellt, dass ein Versicherter, wenn die ärztliche Feststellung wegen eines bescheinigten Fehlers des Arztes zu spät erfolgt, nicht auf einen Schadenersatzprozess gegen seinen behandelnden Arzt verwiesen werden kann, da zu diesem ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht und solche Klagen wenig erfolgversprechend und mit erheblichen Kostenrisiken verbunden sind. Vielmehr gelten nun folgende Grundsätze:

BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – Dem Krankengeld-Anspruch Versicherter steht eine nachträglich erfolgte ärztliche AU-Feststellung nicht entgegen, wenn

  1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um (a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und (b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeld-Anspruch erfolgt ist,

  2. er an der Wahrung der Krankengeld-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (zB eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und

  3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.

Dies bedeutet für die Praxis: Wenn man beweisen kann, dass man tatsächlich spätestens am nächsten Werktag nach dem Ende des letzten bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums bei einem Arzt vorstellig geworden ist und dieser sich durch Untersuchung oder Beschwerdeschilderung persönlich vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit überzeugen konnte, berechtigt die verspätete Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Krankenkasse grundsätzlich allein nicht zur Einstellung der Krankengeldzahlung.

Weiter hat das BSG ausgeführt:

Bei ansonsten zweifelsfrei zu bejahenden Anspruchsvoraussetzungen des Krg-Anspruchs ist eine fehlerhaft unterbliebene ärztliche AU-Feststellung - gleich aus welcher Vorstellung eines Vertragsarztes heraus, insbesondere bei durch § 6 [jetzt: § 5] der AU-Richtlinien mit hervorgerufenen Fehlvorstellungen - vielmehr den Krankenkassen zuzurechnen und nicht den betroffenen Versicherten. [...] Für eine solche Sichtweise spricht auch, dass es treuwidrig anmutet, wenn sich Krankenkassen als Mitverantwortliche für den Inhalt der AU-Richtlinien bei einer solchen Sachlage gegenüber einem ihnen gegenüber geltend gemachten Krg-Anspruch regelmäßig darauf berufen könnten, eine auf die AU-Richtlinien gegründete vertragsärztliche Fehleinschätzung gehe gleichwohl zu Lasten des Versicherten [...] Schließlich haben die Krankenkassen es seit Jahren mit in der Hand, durch die AU-Richtlinien hervorgerufene Missverständnisse durch Regelungen und Formulierungen zu beseitigen, die § 46 S 1 Nr 2 SGB V aF mit in den Blick nehmen.

Diese Ausführungen des BSG sind besonders wichtig für die in der Praxis häufigen Fälle, dass die Vertragsärzte wegen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie meinen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zu 3 Tagen rückwirkend ausstellen zu dürfen. In § 5 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtinie heißt es nämlich, dass eine "rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tagen zulässig" ist. Attestiert ein Arzt aber in der Praxis rückwirkend Arbeitunfähigkeit, wird von den Krankenkassen regelmäßig die Krankengeldzahlung wegen einer Krankschreibungslücke eingestellt und behauptet, eine rückwirkende Attestierung sei nicht zulässig, das Gesetz sehe keine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vor. Die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie sei rechtlich nicht maßgebend. Ein solches Vorgehen ist eindeutig treuwidrig, wird doch bei den Ärzten durch den Wortlaut der Richtlinie eindeutig die Fehlvorstellung hervorgerufen, sie dürften sehr wohl in Ausnahmefällen rückwirkend Arbeitsunfähigkeit attestieren. In solchen Fällen sollte meines Erachtens stets Widerspruch erhoben werden, da das BSG zu erkennen gegeben hat, dass die Krankenkassen sich nicht in Widerspruch zu ihren eigenen (!) Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien setzen dürfen. Auf der AU-Richtlinie basierende Fehlvorstellungen der Vertragsärzte sind stets den Krankenkassen zuzurechnen.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
01.12.2017, 10:15 Uhr

Von Bedeutung für die Praxis dürfte auch die nachfolgende Gerichtsentscheidung zur Krankschreibungslücke wegen überfüllter Arztpraxis sein:

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04. Februar 2016 – L 5 KR 65/15 : Die ärztliche Feststellung der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit erst am Folgetag ist jedoch unschädlich, wenn der Versicherte die Arztpraxis rechtzeitig zur Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit aufsucht, dort aber wegen überfüllter Praxis auf den nächsten Tag einbestellt wird und die ärztliche Feststellung erst an diesem Tag erfolgt.

Die Beschwerde der Krankenkasse gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz hat das Bundessozialgericht als unzulässig verworfen, also das vorgenannte Urteil gebilligt (BSG, Beschluss vom 20.12.2016, B 3 KR 17/16 B).

Das bedeutet für Sie: Waren Sie am entscheidenden Tag rechtzeitig beim Arzt, um Ihre Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, wurden dort aber vom Arzt oder Praxispersonal weggeschickt mit der Anweisung, an einem anderen Tag wiederzukommen, bestehen Erfolgsaussichten, gegen eine Krankengeldeinstellung rechtlich mit Widerspruch und Klage vorzugehen.

H.
29.12.2017, 15:50 Uhr

Sehr geehrter Herr Körper, seit Februar diesem Jahres bekomme ich kein Krankengeld. Ich schildere Ihnen mal den Vorgang. Am 01.02.17 wollte ich eigentlich früh zw. 7-8 Uhr in die Notfallsprechstunde der Praxis vorstellig sein, da mein Krankenschein nur zu diesem Tag ausgestellt war und um meinen Sohn untersuchen zu lassen. Da aber kurz vor 7 Uhr die Fußwege spiegelglatt waren und mir es dadurch nicht möglich war, zur Arztpraxis zu laufen (Fußweg ca. 20min., ich leide unter Panik und Angststörungen und hatte mir vor 10 Jahren beide Ellenbogen gleichzeitig gebrochen, so dass ich sowie schon Angst vor einen neuen Sturz bei Glatteis hatte und mit dem Bus kann ich nicht fahren, da ich es nicht darin aushalte bzw. auch nicht im Taxis), hatte ich gegen 7 Uhr in der Praxis angerufen und Schwester Julia gefragt, ob ich an dem Tag zu späterer Stunde kommen kann. Dies wurde mir verneint, auch am nächsten Tag durfte ich nicht kommen. Sie erlaubte mir dann am übernächsten Tag in der Praxis zu sein. Wenn ich einfach so in die Praxis gegangen wäre, hätten mich die Schwestern wieder weggeschickt. So ist es dort üblich. Also bin ich dann am übernächsten Tag zur Ärztin und habe mir meinen Krankenschein geholt.... . Diesen habe ich gleich bei der DAK abgegeben. Ca. 2 Wochen später bekam ich Post von der DAK, dass ich kein Krankengeld mehr bekomme und ich nicht mehr versichert bin, da der Krankenschein mit dem Datum festgestellt am 3.2.17 datiert war und arbeitsunfähig war ich bis 1.2.17. Der Schein wurde aber als Verlängerung ausgestellt. Ich bin damit zur Praxis und redete mit der Schwester am Tresen wegen des Datums. Sie sagte mir, dass man 3 Tage zurückliegend krank schreiben kann, ich soll zur DAK gehen und mit ihr klären. Ich bin sofort zur DAK und sie meinten, dass es eine falsche Aussage ist und ich soll zur Arztpraxis zurück gehen. Dort wieder angekommen sagten sie mir, ich soll die Unterlagen da lassen, sie reden mit der Ärztin und in einer Woche wieder kommen. So habe ich es auch gemacht. Als ich den korrigierten Krankenschein holen wollte, sagte mir Schwester Julia, dass sie mir nicht noch einen neuen ausstellen könnten und ich hätte ja früher kommen können, zwecks Verlängerung des Krankenscheines. Ich sagte ihr, ich wollte doch kommen, sie haben mich doch nicht gelassen und wenn ich ein paar Tage früher gekommen wäre, hätten sie mich doch weggeschickt. Ich zeigte ihr auch auf dem Handy den Anruf mit der Praxis und ihr. Sie meinte daraufhin schnippisch, da haben sie Pech gehabt gehen sie zu ihrer Krankenkasse. Die Krankenkasse meinte, ich soll in Widerspruch gehen, was ich auch tat. Der Widerspruch wurde abgelehnt, mit der Begründung ich hätte zu einem anderen Arzt gehen müssen, wenn ich bei meiner Hausärztin nicht dran gekommen bin. Ein anderer Arzt hätte mich gar nicht dran genommen, da ja meine Hausärztin auf hatte und durch die wenigen Arztpraxen in ... die Ärzte sowieso keine neuen Patienten nehmen. Ich bin dann noch mal in den Widerspruch, welchen neutrale Personen auch abgelehnt haben. Ich habe drei Kinder und lebe seit 2016 in Trennung und seit 8/17 ist die Scheidung beantragt. Noch bin ich familienversichert über meinen Mann. Ich war auch durch die Angstzustände von April bis Mai in einer Tagesklinik und bin nach wie vor krank geschrieben. Ich lebe mit meinen Kindern von dem Kindergeld und dem Unterhalt, den mein Mann für die Kinder zahlen muss. Ich kann finanziell einfach nicht mehr. Ich wohne zwar mietfrei noch im Haus, aber aus diesem muss ich auch so schnell wie möglich raus ... an die Kosten des Umzugs und der Scheidung wage ich gar nicht zu denken. Besteht für mich eine Chance, beim Sozialgericht das Krankengeld von 02/17 bis zu heutigen Tag einzuklagen? Meine Ärztin für Psychologie meinte, dass ich gar nicht damals in der Lage war und bin, mich gegen die Schwestern in der Praxis durchzusetzen. Ich habe durch die Angstzustände kein Selbstbewusstsein und dulde alles, was mir vorgeschrieben wird. Vielleicht können Sie mir mit einer Antwort behilflich sein.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
09.01.2018, 13:59 Uhr

Sehr geehrte Frau H.,

Sie wurden offenbar wegen überfüllter Arztpraxis weggeschickt, weswegen das oben genannte Urteil des Landessozialgericht Rheinland-Pfalz vom 04. Februar 2016 für Sie von Bedeutung sein kann. Ich würde Ihnen daher empfehlen, mit Hilfe einer/eines Anwalts für Sozialrecht Klage beim Sozialgericht zu erheben. Wenn Ihr Sachverhalt nicht in Hamburg spielt, müsste ich Sie aber bitten, sich an Kollegen vor Ort zu wenden, da ich mich derzeit wegen Auslastung auf den Bereich Hamburg beschränken muss.

H.
09.01.2018, 14:26 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper, vielen, vielen Dank für Ihre Auskunft. Ich wohne leider nicht im Raum Hamburg sondern woanders. Ich werde Ihren Rat befolgen und hier einen Anwalt aussuchen. Vielen Dank noch einmal! Mit freundlichen Grüßen, H.

AS
16.03.2018, 14:43 Uhr

Hallo, ich bin durch einen Fehler meines Arztes in die Krankengeldfalle getappt. Habe Folge-AU von meiner Hausärztin am 26.2. erbeten und da ich wegen Grippe mit 39,1 grad Fieber im Bett lag, und ich zu dieser Zeit bei meiner Mutter war, die 120 km von meinem Wohnort und meiner Ärztin entfernt lag konnte ich nicht zu meiner Ärztin reisen. Diese habe ich nach zig Versuchen von Morgens an erst Minuten vor Praxisschliessung am Abend erreicht. Sie hat mich dann gebeten, einen Arzt vor Ort, wegen meiner Grippe (nicht wegen meiner Grunderkrankungen Morbus Basedow und Lumboischialgie) untersuchen zu lassen. Ich habe ihr mehrfach gesagt, das ich wenn ich die Folge-AU nicht rechtzeitig erhalte, nicht nur meinen Krankengeldanspruch sondern auch meiner Mitgliedschaft in der Barmer GEK verliere. Sie meinte, das das nicht passieren könnte, wenn sie mich am nächsten Tag krank schreibt, da ich ja durchgehend seit 20. Juli 2017 krank geschrieben bin, somit kein Terminverlust da durchgehende Krankschreibung ohne Endbescheinigung. Nun wurde mir das Krankengeld ab 26.2. gestrichen und die Mitgliedschaft zum selbigen Tag gekündigt. Habe nun Widerspruch eingelegt, mit Attest von meiner Ärztin, dass die verspätete Ausstellung der AU auf ihr Verschulden zurück geht und nicht mein Verschulden ist. Nach Telefonat mit Krankengeldstelle habe ich erfahren, dass der Fall einer Sachbearbeiterin und einem Teamleiter vorliegt und ich abwarten müsste? Nach BSG 3 KR 22/15R befinde ich mich aber mit meinem Widerspruch im Recht. Wird hier nach einer Möglichkeit gesucht, doch noch eine Möglichkeit zu finden, mich trotzdem irgendwie loszuwerden, da ich lange und noch auf unabsehbare Zeit krank bin?

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
16.03.2018, 15:11 Uhr

Wie Sie oben sehen können, fordert das Bundessozialgericht auch nach der neuen Rechtsprechung (B 3 KR 22/15 R), dass man als Versicherter "alles in seiner Macht Stehende und Zumutbare" tut und einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufsucht und ihm seine Beschwerden schildert. Ob eine fernmündliche Fehlberatung des Arztes ausreicht, man müsse für die AU-Bescheinigung keinen anderen Arzt aufsuchen, er (der Arzt) könne eine solche auch rückwirkend ausgestellen, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Meiner persönlichen Rechtsmeinung nach muss dies genügen und müssen sich die Krankenkassen sich Fehlauskünfte der Ärzte zurechnen lassen, da es sich um ihre eigenen Vertragsärzte der Krankenkasse handelt und die Krankenkassenverbände imstande sind, ihre Ärzte entsprechend über die Modalitäten der AU-Feststellung und -Bescheinigung zu informieren. Von den Versicherten kann nicht erwartet werden, klüger zu sein, als der eigene Arzt. Wichtig an dem o.g. BSG-Urteil ist auch, dass das BSG meint, dass fehlerhafte Arbeitsunfähigkeitbescheinigungen insbesondere bei durch die AU-Richtlinien mit hervorgerufenen Fehlvorstellungen den Krankenkassen zuzurechnen seien. In § 5 Absatz 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie schreibt der Gemeinsame Bundesausschuss immerhin, dass rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen "ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tagen zulässig" sind. Wenn die Krankenkassen Ihre eigenen Vertragsärzte derart instruieren, müssen sie sich darauf beruhende rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch zurechnen lassen und können nicht einwenden, dies sei unbeachtlich. Wenn eine solche rückwirkende Bescheinigung dann doch nicht zulässig sein soll, dann ist dies ein klares Systemversagen.

A.K.
21.03.2018, 20:04 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper!

Ich möchte mich hier in aller Form bei Ihnen bedanken. Kurz zu meiner Geschichte: Durch meine Erkrankung und der körperlich sehr anstrengenden Therapie, war ich aufgrund der schweren Nebenwirkungen nicht rechtzeitig bei meiner Ärztin für die AU Folgebescheinigung, was meinen Krankengeldverlust bedeutete. Nach einer Anfrage über diese Webseite hat mir Herr Köper sehr, sehr ausführlich geantwortet, wie ich weiter verfahren kann im „Kampf“ gegen meine Krankenkasse.....den ich schlussendlich gewonnen habe! Das so ausführlich auf Kontaktanfragen geantwortet wird ,ist nicht selbstverständlich. Danke nochmal an Sie, Herr Köper.

N.
09.04.2018, 21:15 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper,

ich bin seit mehreren Monaten wegen Depressionen uvm. krank geschrieben und habe bisher Krankengeld erhalten. Am 28.02.18 erhielt ich ein Schreiben von meiner Krankenkasse, in dem mir das Ende meines Krankengeldanspruchs mitgeteilt wurde, weil ich aufgrund einer vertrackten Situation, einer falschen Auskunft und eigener Verunsicherung einen Tag zu spät beim Arzt war. Daraufhin habe ich Widerspruch eingelegt und folgendes Schreiben verfasst:

*Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit lege ich form- und fristgerecht Widerspruch gegen die Entscheidung zum Ende meines Anspruchs auf Krankengeld ein, da ich am 23.02.18 pflichtgemäß einen Termin bei meinem Hausarzt Herrn X bzw. seiner Kollegin Frau Y wahrnahm, um mich weiterhin lückenlos krankschreiben zu lassen. [...] Die Ärztin sagte mir daraufhin, dass es auch reiche, spätestens am kommenden Donnerstag, d.h. am 01.03.18, zum Arzt zu gehen, da dieser die Krankschreibung drei Tage rückdatieren könne. Aufgrund dieser Information habe ich bis Dienstag mit dem Aufsuchen eines Facharztes gewartet [...]. Auch diese wies mich auf keinerlei Problematik hin, sondern datierte die Arbeitsunfähigkeit ohne weiteren Kommentar auf den 26.02.18 zurück. [...]

Daraufhin bekam ich am 03.04.18 ein Schreiben vom Team Leistungsbearbeitung mit folgendem Wortlaut:

Ihr Schreiben vom 12.03.2018 haben wir erhalten und den Sachverhalt nochmals geprüft. Die Krankengeldmitteilung vom 10.11.2017 enthält einen unmissverständlichen Hinweis auf den notwendigen nahtlosen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Die Verantwortung für den nahtlosen Nachweis liegt bei Ihnen, ggf. fehlerhafte Auskünfte Dritter bewirken keine Änderung. Unser Bescheid vom 28.02.2018 hat daher weiterhin Gültigkeit. Sollten wir bis 17.04.2018 nicht von Ihnen hören, werden wir die Unterlagen an unseren Widerspruchsausschuss weiterleiten.

Was mache ich jetzt? Formuliere ich ein weiteres Schreiben mit weiteren Argumenten und beziehe mich auf Gerichtsurteile oder auch Sie? Habe ich überhaupt eine Chance, dass meinem Widerspruch stattgegeben wird? Nach dem, was ich in Ihren vorangegangenen Beiträgen und Erläuterungen gelesen habe, dürften die Chancen prinzipiell nicht schlecht stehen, oder? Vielen Dank schon einmal für Ihre Hilfe und beste Grüße!

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
12.04.2018, 11:17 Uhr

Sehr geehrte Frau N.,

ich habe mir zunächst erlaubt, Ihren Beitrag etwas zu kürzen. Bitten Sie die Krankenkasse um "Erteilung eines klagfähigen Bescheides". Sie schildern leider den typischen Fall der Krankschreibungslücke aufgrund eines irrtümlichen, fehlerhaften Hinweises eines Vertragsarztes der gesetzlichen Krankenversicherung. Bisher war die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in diesem Bereich äußerst versichertenunfreundlich und hat die Versicherten auf die vollkommen unrealistische und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beschädigende Geltendmachung angeblicher "Schadenersatzansprüche" gegen die Ärzte verwiesen. Dies hat das Bundessozialgericht nun etwas entschärft und betont, dass insbesondere irrtümliche Fehlauskünfte von Vertragsärzten, die auf der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie beruhen (dort steht, eine Rückdatierung sei in Ausnahmefällen für 3 Tage zulässig), als Systemversagen anzusehen sein können. Ich sehe dies ebenso: Die Krankenkassen sind dafür verantwortlich, ihre Vertragsärzte zu schulen und müssen ihre eigene Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie beachten. Der Wegfall des Krankengeldes wegen einer Krankschreibungslücke hat für die Versicherten schließlich ganz erhebliche Folgen. Wenn in der Richtlinie steht, dass in Ausnahmefällen eine Rückdatierung zulässig ist und ein solcher Ausnahmefall vorliegt, hat dies die Krankenkassen auch gegen sich gelten zu lassen. Alles andere stellt ein sog. venire contra factum proprium dar, also widersprüchliches Verhalten. Von den Versicherten kann nicht erwartet werden, klüger zu sein, als die Vertragsärzte der Krankenkassen. Es bleibt abzuwarten, ob sich in dieser Frage irrtümlicher Arztauskünfte infolge der modifizierten BSG-Rechtsprechung auch bei den Sozial- und Landessozialgerichten etwas bewegt. Dazu braucht es freilich Versicherte, die bereit sind, zu klagen.

N.
16.04.2018, 11:55 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper,

herzlichen Dank für Ihre Antwort und Einschätzung. Jetzt bleibt die Reaktion der Krankenkasse abzuwarten. Falls es bei der Ablehnung meines Widerspruchs bleibt, ziehe ich eine Klage in Betracht und suche mir entsprechend in meiner Umgebung einen Rechtsbeistand. Beste Grüße!

M.
14.05.2018, 12:41 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper, ich bin seit September 2017 wegen einer Depression arbeitsunfähig und entsprechend krankgeschrieben. Am 27.April wurde ich deswegen zum MDK einbestellt, der mir die AU bescheinigte. Meine letzte Krankschreibung endete am 30.4. Deswegen habe ich am 28. April bei meinem Hausarzt angerufen um einen Termin auszumachen. Die Arzthelferin teilte mir mit, dass die Praxis bereits überfüllt ist und ich daher erst wieder am 3.5. einen Termin bekomme. Am 3.5. war ich dann auch in einem Termin, bei dem mit der Arzt persönlich die AU bescheinigt hat und mich weiterhin krank schrieb. Eine Woche später erhielt ich ein Schreiben meiner Krankenkasse, dass ich wegen der Lücke, kein Krankengeld erhalte. Ich hätte mich am 2.5. erneut krank schreiben lassen müssen. Beim Anruf bei der Sachbearbeiterin meinte sie, es wäre ihnen gesetzlich nicht möglich mir weiter Krankengeld zu bezahlen. Ich solle zum Arbeitsamt gehen. Das Arbeitsamt weigert mich allerdings wegen ALG I aufzunehmen, weil ich krank bin. Ansprüche auf ALG II habe ich nicht. Die Krankenkasse hat darüber hinaus meinen Arzt kontaktiert und diesem mitgeteilt, dass eine Rückdatierung nicht möglich sein, da er ja bereits die AU ab dem 3.5. ausgestellt habe. Wie soll ich jetzt weiter vorgehen - hat ein Widerspruch überhaupt eine Chance? Soll ich in diesem bereits mit den Urteilen argumentieren? Vielen Dank für Ihre Hilfe und viele Grüße!

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
14.05.2018, 12:50 Uhr

Sehr geehrter Herr M., erheben Sie (rechtzeitig und mit Zugangsnachweis, Einschreiben, Fax o.Ä.) Widerspruch gegen Einstellungsbescheid der Krankenkasse. Zur Begründung lassen Sie sich von der Arztpraxis bestätigen, dass Sie an jenem Tag angerufen haben und man Sie wegen überfüllter Arztpraxis erst für den 03.05. einen Termin gegeben hat (ggf. auch Einzelverbindungsnachweis Ihres Telefonanbieters sichern). Außerdem können Sie das o.g. Urteil des Landessozialgericht Rheinland-Pfalz vom 04. Februar 2016 zitieren. Außerdem gehen Sie nochmal zum Arbeitsamt und lassen sich dort bitte nicht "abwimmeln" oder mit irgendeiner Bescheinigung für das Jobcenter abspeisen, sondern bestehen darauf, dass Sie förmlich Arbeitslosengeld beantragen wollen und sich der Vermittlung zur Verfügung stellen, soweit es Ihr Gesundheitszustand zulässt. Sie finden unter Downloads im "Musterwiderspruch Krankengeld" auch ein Formular zur Beantragung von Arbeitslosengeld nach Einstellung des Krankengeldes. Die Arbeitsagentur muss dann ggf. den Ärztlichen Dienst einschalten. Lesen Sie dazu auch diesen Beitrag hier.

D.
13.06.2018, 13:43 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper, ich habe eine Frage. ich bin seit dem 06.08.2017 arbeitsunfähig geschrieben. Im Nov.2017 hatte ich einen Hirn Op wodurch sich der Knie Op auf April 18 mit einer Knie TEP verschoben hat. Am 15.04.2018 lief meine letzte AU aus. Ich fragte bei meinen Arztbesuch schon am 13.04. nach einen Termin für den 16.04. Man sagte mir, dass leider kein Termin mehr frei sei, ich aber am 17.04. kommen könnte. Ich sagte, dass es um die Verlängerung meiner AU geht und dass es keine Lücke geben dürfte. Am 17.04.stellte man mir die Folge AU aus mit meinem Hinweis darauf das die letzte AU bis zum 15.04. aktuell war und ich seit dem 16.04.die Verlängerung benötigen würde. Der Arzt sagte, er würde es so ausstellen, da es nicht mein Fehler war, dass man keinen Termin für mich frei hatte. Aber ich habe einfach nicht darauf geachtet ob da nun bei dem Feststelldatum der 16.04. stand. Ich hatte die bevorstehende schwere Operation und litt noch unter den Folgen einer schweren Grippe, die wiederum den geplanten OP in Frage stellten. Nach der Op am 19.04. bin ich am 30.04. in die AHB gekommen. Als ich das erste Mal am 07.05.bei meiner Krankenkasse nach meinem Krankengeld fragte, hieß es es würde noch die Entlassmitteilung des Krankenhauses fehlen. Als sich dann immer noch nichts tat, rief ich erneut am 22.05. bei meiner Krankenkasse an. Auf einmal hieß es, es wäre eine Lücke in der AU und man hätte mir die Krankengeldzahlung mit Datum vom 15.04.eingestellt. Ich hatte bis dahin nichts Schriftliches von der Krankenkasse bekommen. Das wurde dann per Email nachgeholt, wogegen ich sofort Widerspruch eingelegt habe. Ich rief bei dem Arzt an der die AU ausgestellt hatte und dort wurde sich entschuldigt und mir natürlich sofort die „richtige“ AU mit dem richtigen Datum zugesandt. Diese schickte ich auch sofort der Krankenkasse. Aber auch mein Widerspruch wurde abgelehnt mit der Begründung: "aufgrund ihrer Erkrankung wäre es durchaus möglich gewesen spätestens am 16.04. eine weitere AU ärztlich feststellen zu lassen." [...] Muss ich jetzt wirklich vor dem Sozialgericht eine Klage einreichen? Ich habe alles in meiner Macht stehende getan damit die Au lückenlos ist. Obwohl ich selbst nach der schweren Hirn Op noch nicht gesundheitlich in der Lage für einen weiteren schweren OP war, habe ich diesen durchführen lassen und nicht wie mir angeraten wurde noch mindestens bis Aug.2018 zuwarten. Wie sehen sie die Sache? Ich lebe von dem Krankengeld und muss jetzt Hartz4 beantragen. Ich hatte das Problem mit dem einen fehlenden Tag schon einmal und da wurde die korrigierte AU akzeptiert.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
13.06.2018, 13:47 Uhr

Sehr geehrte(r) D., wenn Ihr Widerspruch nun mit einem Widerspruchsbescheid zurückgewiesen wurde, bleibt Ihnen leider nichts anderes übrig, als beim Sozialgericht Klage zu erheben. Sie können dabei das o.g. Urteil des Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04. Februar 2016 – L 5 KR 65/15 - zitieren. Nach der Rechtsprechungsänderung des BSG sind aber noch einige Fragen in diesem Bereich ungeklärt.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
20.06.2018, 12:31 Uhr

Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2013 – L 16 KR 60/13 B ER: Die ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit muss jedoch nicht zwingend durch einen Vertragsarzt erfolgen und kann auch einen längeren Zeitraum umfassen. Auch die Verwendung der in § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) vorgesehenen Vordrucke (Muster 1 und Muster 17) ist nicht notwendig [...] Nach diesen Grundsätzen enthält der von Herrn S am 12.03.2015 unter Verwendung des vorgesehenen Formulars erstellte Plan zur stufenweise Wiedereingliederung der Klägerin in das Erwerbsleben eine nach außen durch ein Schriftstück dokumentierte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum 05.05.2015, d.h also erst recht bis zum 13.04.2015. Ausweislich des vom SG eingeholten Befundberichts hat sich Herr S am 12.03.2015 durch persönliche Untersuchung die Überzeugung verschafft, dass die Klägerin weiterhin, und zwar mindestens bis zum 05.05.2015, arbeitsunfähig war. Nach den Angaben im Befundbericht, an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlass sieht, hat Herr S die Klägerin am 12.03.2013 ausführlich untersucht und wollte gerade auch die Arbeitsunfähigkeit verlängern. Dieser Wille ist in dem Wiedereingliederungsplan auch deutlich zum Ausdruck gekommen.

M.
21.06.2018, 16:36 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper. Ich hatte am 16.05 ein Knie-OP. Sie war sehr umfangreich: Neues Kreuzband, Knorpelschaden 3 grad, Meniskuseinriss und 2 freie Gelenkkörper. Am 20.5 bin ich aus dem Krankenhaus raus und am 21.5 beim Treppensteigen das Gleichgewicht verloren und habe so unglücklich das Bein belastet, dass es extrem gezogen hatte in der Wade wie 1000 Nadelstische. Musste mich am 22. beim Arzt vorstellen und habe ihm alles geschildert. Hab mich echt unter schmerzen zum Arzt geschleppt. Der Arzt sagte, dass ich absolute Ruhe dem Bein geben sollte und am 28.5 zum Fäden ziehen kommen soll. Wurde aber immer schlimmer, konnte überhaupt nicht mehr aufstehen. Habe beim Arzt angerufen und gefragt, ob ich 1-2 Tage später kommen kann, weil ich mich nicht bewegen kann. Arzt hat einen Krankenschein ausgestellt. Habe meiner Mutter gesagt, dass sie ihn abholen soll. Sie war da, aber der Arzt war aufgrund von OP´s nicht in der Lage, zu unterschreiben. Am 30.5 habe ich mich dann mit Schmerzmitteln und sehr viel Überwindung zum Arzt geschleppt, um die Fäden zu ziehen. Der Arzt stellte mir einen weiteren KS aus vom 30.5-15.6. Habe den Rollstuhlfahrerausgang genommen und meine Mutter ist an die Anmeldung und hat den Schein abgeholt. Aber den vom 28.5., den ich telefonisch beantragt habe, habe ich nicht. Die Krankenkasse rief mich an und fragte, warum eine Lücke da ist (29.5.). Ich habe denen das erklärt. Beim nächste Arztbesuch einen Tag später fragte ich den Arzt nach dem Schein. Er lag noch in der Anmeldung. Habe ihn mitgenommen und der KK geschickt. Somit war die Lücke geschlossen. Krankenkasse hat mich heut angerufen und sagte das ich nicht telefonisch beim Arzt den Schein beantragen darf. Ist das richtig? Ich konnte echt nicht laufen, was eine Woche nach so einer OP normal sein kann. Was soll ich tun. Sie haben mir die Mitgliedschaft entzogen. Hoffe sie können mir helfen. Danke im Voraus.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
22.06.2018, 13:51 Uhr

Sehr geehrter Herr M., das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf einen Telefonanruf des Patienten, ohne den Patienten persönlich gesehen zu haben, ist nach derzeitiger Rechtslage eindeutig unzulässig. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, bzw. die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit setzt eine persönliche Inaugenscheinnahme des Patienten voraus. Rechtlich sind solche Telefon-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bestenfalls wirkungslos. Richtig ist es in Fällen, in denen der Patient nicht zum Termin erscheinen kann, z.B. wegen starker Schmerzen beim Laufen, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Tag der persönlichen Vorsprache in der Praxis auszustellen ("festgestellt am: [Datum der persönlichen Untersuchung]") und dann im Feld "seit" das Datum des Beginns der Arbeitsunfähigkeit einzutragen. Wenn die Krankenkasse dann eine zu späte Attestierung, bzw. Krankschreibungslücke moniert, kann der Arzt die ggf. bestandene Handlungsunfähigkeit bescheinigen. Um eine solche Bescheinigung der Handlungsunfähigkeit wegen Wegeunfähigkeit sollten Sie Ihren Arzt jetzt auch bitten und diese im Widerspruchsverfahren vorlegen. Der Arzt sollte darin auch begründen, warum Handlungsunfähigkeit bestand. Es kann aber sein, dass der Widerspruch zurückgewiesen und die Frage der Handlungsunfähigkeit gerichtlich geklärt werden muss. Die Gerichte sind recht "streng", was Handlungsunfähigkeit angeht.

M
02.09.2018, 20:35 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper,

ich schrieb ihnen zu diesem Artikel bereits am 14.05.2018 einen Kommentar. Nach dem Widerspruch bei der Krankenkasse vergingen bei mir exakt 3 Monate, bis ich einen Ablehnungsbescheid als Antwort erhielt. Mein Widerspruch wurde mit der Begründung abgelehnt, dass meine verspätete Meldung die Verletzung meiner Obliegenheitspflichten darstelle, da ich nicht alles in meiner Macht stehende getan hätte. Ich hätte mir von meinen Arzt vor dem Termin ein Attest ausstellen lassen sollen. Dies entspricht nicht den Tatsachen, da Ich mich ja vor dem Auslaufen des AU Zeitraums zweimal telefonisch bei meinem Arzt um einen früheren Termin bemüht habe. Wann hätte mir der Arzt denn das Attest schreiben sollen, wenn er für mich keinen freien Termin hatte? Zudem war ich zu dem Zeitpunkt schwer depressiv erkrankt. Meine Frage: Wie schätzen sie die Erfolgsaussicht einer Klage gegen die Ablehnung ein? Ich danke Ihnen, Ihre Informationen, Anleitungen und Artikel waren wirklich sehr hilfreich für mich. Viele Grüße

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
03.09.2018, 13:23 Uhr

Sehr geehrter Herr M.,

das ist leider schwer zu sagen. Nach obiger Entscheidung aus Rheinland-Pfalz vom 04.02.2016 kann Krankengeld auch bei einer Krankschreibungslücke weiterzuzahlen sein, wenn man aus der überfüllten Arztpraxis wieder weggeschickt wird. Ob es genügt, sich telefonisch erfolglos um einen Termin bemüht zu haben, ist äußerst fraglich, wahrscheinlich nicht. Man wird wohl schon hingehen und beim Arzt zumindest rechtzeitig "auf der Matte stehen" müssen, um den Krankengeldanspruch nicht zu verlieren. Depressionen allein genügen als Entschuldigung für eine Krankschreibungslücke im Übrigen nicht, sondern muss nach der Rechtsprechung echte Handlungsunfähigkeit bestanden haben. Bei akuten psychiotischen Schüben o.Ä. mag das der Fall sein, bei Depressionen sehr schwierig nachzuweisen.

A.N.
30.01.2019, 17:14 Uhr

Macht eine Sammelklage Sinn wegen AU- Fehltag/ Einstellung KG?

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
31.01.2019, 17:06 Uhr

Nein, "Sammelklagen" machen in diesen Sachen keinen Sinn, da keine einheitlichen Sachverhalte vorliegen und immer der Einzelfall geprüft werden muss.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
16.03.2019, 18:20 Uhr

UPDATE: Langsam, aber mit Bedacht reagiert der Gesetzgeber. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sieht vor:

Sicherstellung des Krankengeld-Anspruchs bei verspäteter Ausstellung von Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (§ 46 SGB V): Für Versicherte, deren Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld vom lückenlosen Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, wird bei verspäteter, aber spätestens innerhalb eines Monats nachgeholter ärztlicher Feststellung der weiterhin bestehenden Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit sichergestellt, dass das Krankengeld nicht mehr vollständig und dauerhaft entfällt und sie es nach dem Zeitraum der Säumnis weiter erhalten können.

Ob dieser zugunsten der Versicherten sehr weitreichende Vorschlag der Bundesregierung (ärztliche Feststellung der AU bis zu einem Monat (!) nachträglich möglich), auch tatsächlich vom Parlament auch in dieser Form als Gesetz beschlossen wird, bleibt vorsichtig abzuwarten.

Klar ist: Die Rechtsfolgen bei auch nur wenige Tage verspäteter ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (Klassiker: Der Arzt ist im Urlaub oder die Praxis vergibt einen zu späten Termin zur Wiedervorstellung) sind nach derzeitiger Rechtslage für die Versicherten "finanziell fatal".

Die Krankenkassen sind in diesen Fällen häufig noch nicht einmal bereit, entsprechend ihrer eigenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie wenige Tage später ausgestellte AU-Bescheinigungen zu akzeptieren. Dies zeigt zum anderen, wie sensibel das Thema für die Krankenkassen ist (monatliche Krankengeld-Ausgaben der GKV > 1,02 Mrd. Euro), zum anderen, dass in der Tat hier durch förmliches Gesetz nachgesteuert werden muss. Die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie reicht hier als Regelungsgrundlage nicht aus.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
25.03.2019, 09:49 Uhr

Nachtrag, aktuelle Rechtsprechungshinweise:

Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. April 2018 – L 16 KR 353/17: Das BSG hat zwar die Unschädlichkeit ärztlicher Fehlbeurteilung nicht nur auf die Fälle der von einem Vertragsarzt aus medizinischen Gründen zu Unrecht verneinten Arbeitsunfähigkeit beschränkt, sondern für alle Fälle angenommen, in denen der Versicherte den Arzt rechtzeitig zur Erlangung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufsucht und trotz eines Arzt-Patienten-Kontakts die Ausstellung der erbetenen Bescheinigung aus Gründen unterbleibt, die dem Arzt zuzurechnen sind (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 8 Rn. 25 f.). Der Senat lässt dahinstehen, ob infolgedessen das Erfordernis eines Arzt-Patienten-Kontakts unerlässliche Voraussetzung für die Nichtvorwerfbarkeit der Obliegenheitsverletzung ist. Diesbezüglich könnten auch Fälle als erfasst angesehen werden, in denen z.B. der Arzt den Versicherten nicht sieht, dies aber auf Verhaltensweisen des Arztes beruht, auf die der Patient keinen Einfluss hat, wie z.B. das Fortschicken des Patienten wegen einer Schließung der Praxis oder der Beschränkung auf Untersuchungen von Patienten mit besonders schweren Leiden an dem betreffenden Tag, ohne dass der Versicherte zumutbar anderweitig die erforderliche Feststellung/Bescheinigung erlangen könnte.

Und eine weitere Entscheidung, die hierauf Bezug nimmt:

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 01. Oktober 2018 – L 11 KR 817/18: Auch wenn Konstellationen denkbar sind, in denen selbst bei Fehlen eines Arzt-Patienten-Kontakts dem Versicherten möglicherweise eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden kann (dazu LSG Nordrhein-Westfalen 26.04.2018, L 16 KR 353/17, BeckRS 2018, 15899), liegt ein derartiger Ausnahmefall hier nicht vor. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vorbringen die ärztliche Praxis am 05.12.2016 erst gegen 16:30 Uhr aufgesucht, ohne dass er einen Termin hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Praxis nach der Aussage von Dr. W. wegen Krankheit geschlossen. In einem derartigen Fall geht es zu Lasten des Versicherten, wenn er "auf den letzten Drücker“ ohne konkreten Termin die hausärztliche Praxis aufsucht. Weitere Bemühungen, an diesem Tag einen anderen Vertragsarzt zur Feststellung der AU aufzusuchen, hat der Kläger nicht unternommen. Damit hat der Kläger nicht alles ihm Zumutbare getan, um seinen Obliegenheiten zur rechtzeitigen Feststellung der AU zu genügen.

K o m m e n t a r: Gerade aktuell habe ich wieder einen häufig von Mandanten geschilderten Fall, in dem der Mandant rechtzeitig zur Erlangung einer Folgebescheinigung in der Arztpraxis (Donnerstag) erscheint, dies auch sagt und vom Praxispersonal weggeschickt wird, weil der Arzt nicht da ist, in diesem Falle wegen Urlaubs bis einschließlich Freitag. Die lapidare Auskunft der Mitarbeiterin:

"Sie können dann ja Montag wiederkommen."

Über derlei unqualifizierte Äußerungen ärztlichen Praxispersonals, bzw. mangelhafte Instruktion durch die Ärzte und offenbar mangelhafte Ausbildung kann man sich nur ärgern. Die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist i.d.R. ein mehrmals wöchentlich, also jährlich hundertfach vorkommender Vorgang in Arztpraxen. Schon ab der Ausbildung muss das Praxispersonal wissen: Bei nicht rechzeitiger Ausstellung einer Folgebescheinigung können den Patienten hohe wirtschaftliche Schäden entstehen. Die Patienten leben während ihre Krankheit von diesem Geld! Sie bezahlen ihre Miete damit! Sie können n i c h t mal eben "ein paar Tage später wiederkommen", die Termine müssen eingehalten werden! Die Versicherten tun natürlich das, was das Praxispersonal sagt und vertrauen darauf, dass dieses weiß, was zu tun ist. So kam auch mein Mandant am Montag (und nicht am Freitag) wieder mit der Folge, dass seine Krankenkasse die Krankengeldzahlung einstellt. Schaden: Mehrere tausend Euro. Ein weiterer rechtlicher Aspekt spielt eine Rolle: Die Ärzte haben nach den einschlägigen Bestimmungen der Berufsordnungen der Länder im Falle der Abwesenheit ordnungsgemäße Vertretung sicherzustellen. In diesem Falle verfügt die Arztpraxis sogar über mehrere Ärzte, die sich eigentlich gegenseitig vertreten sollten. Stattdessen wurde der Mandant weggeschickt, ohne dem Vertreter Bescheid zu geben, dass dieser die Bescheinigung ausstellt und ohne den Patienten auf die Vertretung hinzuweisen oder darauf, dass die Folgebescheinigung unbedingt spätestens am nächsten Werktag ausgestellt werden muss. Es stellen sich in solchen Fallen (hilfsweise) gegenüber den Ärzten haftungsrechtliche Fragen aus Organisationsverschulden wegen mangelhafter Instruktion und Überwachung des Praxispersonals bei der Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die oben genannte obergerichtliche Rechtsprechung lässt allerdings hoffen, dass die Sozialgerichte in solchen Fällen fehlerhafter Anweisungen des Praxispersonals die Krankengeldeinstellungen mangels Obliegenheitsverletzung der Versicherten aufheben. Es ist schließlich auch Sache der Krankenkasse, ihre Vertragsärzte zur ordnungsgemäßen Instruktion ihres Hilfspersonals zur termingerechten Ausstellung von AU-Bescheinigungen anzuhalten. Die Versicherten sind von allen am Krankengeld-Verfahren Beteiligten diejenigen mit den geringsten Rechtskenntnissen und kann von diesen nicht erwartet werden, Anweisungen des Praxispersonals zu hinterfragen. - Das Erscheinen in der Arztpraxis "auf den letzten Drücker", wie in obiger Entscheidung des LSG Baden-Württemberg angesprochen, ist freilich keinem Versicherten zu empfehlen.

X.
08.05.2019, 14:00 Uhr

Hallo, ich bin seit Anfang März krankgeschrieben mit Depressionen und beziehe seit 1.4. Krankengeld, aufgrund der Kündigung von meinem Arbeitgeber. Heute gab mir sie Krankenkasse telefonisch bekannt (Schriftstück folgt), dass ich den Anspruch auf Krankengeld verloren haben, da eine Krankschreibung nicht folgerichtig ausgestellt war (ich war bis Freitag krankgeschrieben und diese wurde fortlaufend erst am Dienstag verlängert). Ich war allerdings Montag schon beim Arzt. Dieser hat mich nicht dran genommen und auf Dienstag vertröstet mit der Begründung, man könnte rückwirkend krankschreiben. Kann ich dagegen noch etwas tun?

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
08.05.2019, 14:02 Uhr

Sehr geehrter Herr X, wenn Sie vom Arzt, bzw. Praxispersonal wegen Überfüllung der Arztpraxis wieder weggeschickt wurden, beachten Sie bitte oben meinen Beitrag vom 01.12.2017, 10:15 Uhr, dort ist ein Urteil aufgeführt, das Ihnen helfen könnte. Sie können mir auch über Kontakt -> unverbindliche Anfrage den Bescheid Ihrer Krankenkasse schicken, ich könnte Sie dann im Widerspruchsverfahren vertreten. MfG RA Köper

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
17.08.2020, 14:53 Uhr

A C H T U N G: Das Bundessozialgericht hat eine weitere, wichtige Entscheidung zur Krankschreibungslücke getroffen.

BSG, Urteil vom 26. März 2020 – B 3 KR 9/19 R: Der Senat entwickelt diese Rechtsprechung fort und konkretisiert sie dahin, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der KK zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist. Das ist insbesondere in Fällen - wie hier - anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen einer ärztlichen Folge-AU-Feststellung in der Sphäre des Vertragsarztes (vgl zur Einbindung der Vertragsärzte in das GKV-System nur § 2 Abs 2, § 72 Abs 1 und 2, § 73 Abs 2, § 75 Abs 1, § 76 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V) und nicht in derjenigen des Versicherten liegen. Dies ist typischerweise zu bejahen bei einer auf Wunsch des Vertragsarztes bzw seines von ihm angeleiteten Praxispersonals erfolgten Verschiebung des vereinbarten rechtzeitigen Arzttermins in der (naheliegenden) Vorstellung, ein späterer Termin sei für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich, weil nach der AU-Richtlinie (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) auch die begrenzte rückwirkende ärztliche AU-Feststellung statthaft sei.

Diese Entscheidung ist von hoher Bedeutung für die Fälle, in denen Versicherte zur weiteren Krankschreibung rechtzeitig in der Arztpraxis erscheinen, dort aber wieder weggeschickt und für einen späteren Tag einbestellt wird und die Krankenkasse aufgrund dessen das Krankengeld mit der Begründung einstellt, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei zu spät erfolgt. In diesem Fall sollten Sie Widerspruch oder gegebenenfalls Klage gegen entsprechende Widerspruchsbescheide der Krankenkasse einlegen.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
02.11.2021, 10:05 Uhr

Das Sozialgericht Stuttgart hat eine vielbeachtete und lesenswerte Entscheidung zur Krankschreibungslücke unter Bezugnahme auf die oben genannte Entscheidung des Bundessozialgerichts getroffen, die hier nachzulesen ist. Die Krankenkasse wurde zur Weiterzahlung des Krankengeldes trotz angeblicher Krankschreibungslücke verurteilt. Das Sozialgericht führte in den Entscheidungsgründen u.a. aus:

Sozialgericht Stuttgart, Urteil v. 07.10.2020, S 18 KR 1216/18: Die Klägerin hat sogar bereits am 19.06.2017 rechtzeitig die Arztpraxis von Dr. ... aufgesucht. Ein Untersuchungstermin kam nicht rechtzeitig zustande, weil die Klägerin am 19.06.2017 von Dr. ... persönlich aufgefordert worden war, aus organisatorischen Gründen erst am 22.06.2017 zu erscheinen. Diese praxisintemen Gründe sind der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Versicherte der Beklagten nicht zuzurechnen. Sie durfte darauf vertrauen, dass ihr die von der Vertragsärztin veranlasste - leistungsrechtlich objektiv schädliche - Terminverschiebung gegenüber der Beklagten in Bezug auf ihre Krankengeldansprüche nicht schadete. Die Klägerin musste nicht entgegen dem Ansinnen ihrer Ärztin auf einem Termin am 19.06.2017 beharren oder an diesem Tag einen anderen Arzl zur Feststellung der Folge-AU aufsuchen.

Die Fälle von Krankengeldeinstellungen wegen angeblicher Krankschreibungslücken dürften allerdings insgesamt deutlich zurückgehen, da der Gesetzgeber auch mittlerweile reagiert und eine Neuregelung in § 46 Satz 3 Sozialgesetzbuch 5 getroffen hat (derzeitige Fassung):

§ 46 Satz 3 Sozialgesetzbuch 5 (Stand November 2021): Für Versicherte, deren Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, bleibt der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nicht am nächsten Werktag im Sinne von Satz 2, aber spätestens innerhalb eines Monats nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird.

HINWEIS: Die sog. Krankschreibungslücke war für die gesetzlichen Krankenkassen bisher eine durchaus willkommene Möglichkeit, die Krankengeldzahlung zu beenden. Diese Möglichkeit ist nun fast vollständig entfallen. Die Krankenkassen stehen aber dem Problem gegenüber, dass die Krankengeldzahlungen seit Jahren immer weiter steigen (über 1,33 Milliarden Euro Krankengeld monatlich) und sie vom Gesetzgeber keine "Hilfe" erwarten können. Denn den Krankengeldanspruch gesetzlich zu kürzen, ist aus Politikersicht ausgesprochen unpopulär, kaum ein Politiker traut sich da ran. Leider ist die deutsche Sozialpolitik auch bisher nicht modern genug, z.B. nach skandinavischem Vorbild (Dänemark, Norwegen, Schweden) ein "Teilzeit-Krankengeld" einzuführen oder die stufenweise Wiedereingliederung massiv mit Teil-Krankengeldzahlungen auch über längere Zeiträume zu fördern. Immer noch gilt im deutschen Krankengeldrecht das alte "Alles-oder-Nichts-Prinzip". Schön wäre, wenn die GroKo sich hier mal zu etwas Modernerem durchringen könnte. Bis das passiert, sind die Krankenkassen in ihrer Kostennot auf sich allein gestellt und müssen sich selbst helfen, wenn sie auf die Kostenbremse treten wollen. Es ist daher damit zu rechnen, dass die Krankenkasse auf andere Methoden der Krankengeldeinstellung ausweichen und den Druck auf Versicherte steigern, z.B. durch vermehrte Telefonanrufe und besorgten Nachfragen nach der baldigen Genesung. Weiter ist mit einer deutlichen Steigerung der Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst (MD) und Aufforderungen zur Stellung eines Rehabilitationsantrags zu rechnen. In beiden Fällen werden allerdings häufig Fehler gemacht, so dass es sich im Falle einer Krankengeldeinstellung häufig lohnt, Widerspruch gegen die Krankengeldeinstellung zu erheben und diese anwaltlich auf Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Melden Sie sich bei Unterstützungsbedarf gerne und verwenden Sie mein Kontaktformular unter Kontakt ->Unverbindliche Anfrage.


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Veröffentlicht am

30.10.2014

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

Hinweis

Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)

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