Einem Arzt kann die Genehmigung für die Durchführung von Dialysebehandlungen mit sofortiger Wirkung entzogen werden, wenn jetzigen und künftigen Patienten aufgrund der fachlichen Ungeeignetheit des Arztes konkret Gesundheitsschäden drohen.
Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) am 16. Juli 2012 im Rahmen eines Eilverfahrens für einen Arzt entschieden, der sich auf die Durchführung der Dialysebehandlung spezialisiert hatte und der durch den sofortigen Entzug der Genehmigung in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist.
Im vorliegenden Fall war der Arzt als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie (die Nieren betreffend) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Darüber hinaus hatte er die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Dialyseleistungen. Bei einer Überprüfung der Dialysepraxis hatte die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) kritisiert, dass der Arzt auch Patienten mit dem Dialyseverfahren behandelt, bei denen dieses gar nicht notwendig und daher gesundheitsschädlich sei. Die Notwendigkeit sei vor allem an einem bestimmten Laborwert (Kreartinin-Clearance-Wert) abzulesen. Die KVN hatte daraufhin die Genehmigung des Nephrologen zur Durchführung der Dialysebehandlung mit sofortiger Wirkung widerrufen.
Das Sozialgericht Hannover hat im Rahmen eines Eilverfahrens die sofortige Wirkung des Widerrufs für die Patientengruppe bestätigt, die Laborwerte über dem fraglichen Wert aufwiesen und damit voraussichtlich gar keine Dialyse benötigten. Für die anderen Patienten hat es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerruf der Genehmigung angeordnet und damit dem Arzt ermöglicht, die restlichen Patienten vorläufig weiter zu behandeln.
Der 3. Senat des LSG hat auf die Beschwerde der KVN den Beschluss des SG Hannover geändert und im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens bestätigt, dass der sofortige Vollzug des Widerrufes der Genehmigung rechtmäßig ist. Der Sofortvollzug des Widerrufs habe zwar voraussichtlich zur Folge, das der Arzt -selbst wenn er in dem noch durchzuführenden Klageverfahren gewinnen sollte- die Praxis wirtschaftlich wahrscheinlich nicht mehr weiter führen könne. Ihm werde zwar nur die Genehmigung zur Dialysebehandlung entzogen, er könne daher grundsätzlich vertragsärztlich weiterbehandeln, aber durch die bisherige Spezialisierung auf die Dialyse verbleibe ihm nur ein geringer Tätigkeitsbereich, der es vermutlich nicht ermöglichen werde, die Praxis aufrecht zu erhalten. Hier sei das Recht der Patienten auf körperliche Unversehrtheit vorrangig, da zur Überzeugung des Senates feststehe, dass den jetzigen und zukünftigen Patienten des Nephrologen bei Behandlung durch diesen Arzt konkrete Gesundheitsgefahren drohen. Dieser kenne nach der gegenwärtig erkennbaren Sachlage die Voraussetzungen zur Durchführung der Dialyse nicht vollständig.
Das LSG hat weiter ausgeführt, dass der Arzt zeige, dass er sich auch zukünftig nicht an die vertragsärztlichen Vorschriften halten werde. Er versuche, die Bedeutung der Laborwerte zu relativieren, obwohl die vertragsärztlichen Vorschriften vor allem auf diese Werte abstellen. Darüber hinaus lasse sein bisheriger Vortrag nicht erkennen, dass der Arzt ein Konzept für eine zukünftige sachgerechte Behandlung entwickelt habe. Dagegen seien von den Behandlungen des Arztes eine Vielzahl von Patienten betroffen, denen durch eventuelle falsche Behandlungen irreparable gesundheitliche Schäden drohen. Auch sei ein Versorgungsengpass durch den Widerruf der Genehmigung nicht zu befürchten. Die Patienten könnten unter Mitwirkung ihrer Krankenkassen durch andere Ärzte behandelt werden. Schließlich beruhe die wirtschaftliche Existenzgefährdung auf der Entscheidung des Arztes, sich in diesem großen Umfang zu spezialisieren. Auch mildere Mittel, wie eine weitere Beratung des Arztes oder Behandlungsauflagen seien angesichts der grundsätzlichen Ungeeignetheit des Arztes nicht ausreichend, um die Gesundheit der Patienten zu gewährleisten.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Juli 2012 - L 3 KA 48/12 B ER.
Quelle: Pressemitteilung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18.07.2012.
Kommentare
Kommentar schreiben
Veröffentlicht am
09.08.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
Hinweis
Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.
Urheber
© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)
Seien Sie die erste Person, die einen Kommentar zu diesem Artikel abgibt.