Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Rentenversicherung in Ausnahmefällen verpflichtet sein kann, die Kosten für eine ganz bestimmte, vom Versicherten ausdrücklich gewünschte Umschulungsmaßnahme zu tragen. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Versicherte mit der Umschulung schon begonnen und die Rentenversicherung diese zu Unrecht abgelehnt hat.
Der Kläger, ein gelernte Industriemechaniker, arbeitete zuletzt in Vollzeit im Sondermaschinenbau. Seit dem 18.05.2010 war der Kläger arbeitsunfähig krank beziehungsweise arbeitslos.
Er beantragte bei der beklagten Rentenversicherung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Er gab dabei an, dass er wegen eines Bandscheibenvorfalls, Haut- und Atemwegsproblemen, beanspruchter Psyche wegen eines negativen Umfelds und Tinnitus durch Lärm und Stress die bisherige Arbeit nicht mehr verrichten könne und eine Umschulung wünsche.
Da die vom Kläger gewünschte Umschulung zum Arbeitserzieher von der Beklagten aufgrund des psychiatrischen Gutachtens abgelehnt wurde, begann der Kläger diese Umschulung am 01.09.2011 auf "eigene Faust" und eigene Kosten. Am 09.09.2011 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht und verlangte von der Rentenversicherung eine Kostenerstattung. Er ist der Auffassung, dass die Umschulung zum Arbeitserzieher die ideale und adäquate Kombination seiner handwerklichen und sozialen Begabung sei und die Rentenversicherung ihm deswegen die Kosten erstatten müsse.
Das Sozialgericht wies die Klage zunächst in der ersten Instanz mit der Begründung ab, dass ein Kostenerstattungsanspruch allein aufgrund von § 15 Absatz 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch 9 in Betracht käme. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte die beantragte Leistung "zu Unrecht", wie es in diesem Paragrafen heißt, abgelehnt hätte. Grundsätzlich habe die Rentenversicherung ein Ermessen bei der Auswahl der Umschulungsmaßnahme. Ein Anspruch auf Förderung einer ganz bestimmten Ausbildung oder beruflichen Umschulung könne nur im Fall einer sog. "Ermessensreduzierung auf Null" bestehen. Dies sei jedoch nur dann möglich, wenn die Beklagte ihr Ermessen unter Berücksichtigung aller in die Abwägung einzustellende Interessen pflichtgemäß nur in einem einzigen denkbaren Sinne ausüben könnte und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre. Dies sei hier nicht der Fall, da auch andere berufliche Maßnahmen für den Kläger möglich gewesen seien.
Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Landessozialgericht die Rentenversicherung jedoch zur Erstattung der Umschulungskosten.
Das Landessozialericht stellte fest, dass die Rentenversicherung die Umschulung zu Unrecht abgelehnt hatte und dem Kläger dadurch Kosten entstanden seien. Das Ermessen der Beklagten bei der Auswahl der Leistung sei hier auf Null reduziert.
Grundsätzlich, so das Landessozialgericht, habe der Versicherungsträger ein Auswahlermessen, welche Maßnahme er gewähren wolle. Bei der Entscheidung über die Leistungen zur Teilhabe sei berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten zu entsprechen. Dies könne jedoch nur erfolgen, wenn der behinderte Mensch einen Beruf wähle, für den er uneingeschränkt geeignet sei.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere sei die psychische Erkrankung des Klägers ausgeheilt und stelle keine Einschränkung der Belastbarkeit mehr dar, wie Gutachten bestätigen würden. Der Kläger habe hier eine geeignete Maßnahme bereits begonnen, der eine auf fehlerhafter Amtsermittlung beruhende behördliche Ablehnung vorausging. Das Ermessen der Beklagten verenge sich dadurch auf die gewählte Maßnahme.
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Veröffentlicht am
29.12.2014
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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21.10.2017, 14:29 Uhr
Sehr geehrtet Herr Köper, wäre es möglich das sie mir das Urteil ink. Begründung des LSG, auf welches sie sich hier beziehen zukommen lassen? Herzlichen Dank im Voraus.
13.11.2017, 13:19 Uhr
Gerne. Wegen hoher Auslastung komme ich leider erst jetzt zu Ihrer Anfrage zum Aktenzeichen. Das Landessozialgericht hat wie folgt ausgeführt:
Sie finden das Urteil hier auf den Seiten der Justiz Baden-Württemberg. Betroffene können hier auch gerne über Ihre Erfahrungen mit Umschulungen über die DRV berichten, dies hilft auch anderen Ratsuchenden.