Die 13. Kammer des Sozialgerichts Hamburg hat mit Beschluss vom 30.04.2015, Aktenzeichen S 13 SF 92/15 E, entschieden, dass die Erteilung eines Bescheides auf eine Untätigkeitsklage als Anerkenntnis zu werten ist und daher bei einer Untätigkeitsklage neben einer Verfahrens- auch eine fiktive Terminsgebühr anfällt. Insgesamt waren 430,78 € zu erstatten.

Sozialgericht Hamburg

Zitat der Gerichtsentscheidung:

S 13 SF 92/15 E

Sozialgericht Hamburg

Beschluss

In dem Kostenrechtsstreit

Jobcenter team.arbeit.hamburg - Rechtsstelle - Billstr. 82 20539 Hamburg

g e g e n

XXXX

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt David Andreas Köper Neß 1 20457 Hamburg

hat die Kammer 13 des Sozialgerichts Hamburg am 27. April 2015 durch die Richterin am Sozialgericht Flemming

beschlossen:

Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. November 2014 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Der Erinnerungsführer erstattet die dem Erinnerungsgegner entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer wendet sich mit der Erinnerung gegen die Festsetzung einer fiktiven Terminsgebühr für eine erledigte Untätigkeitsklage.

Der Erinnerungsgegner hatte vor dem Sozialgericht Hamburg am 2. April 2014 Untätigkeitsklage (S 19 AS 12'19/14) erhoben, weil über seine Kostenanträge vom 26. September 2013 nicht innerhalb der in § 88 Abs. 1 SGG vorgesehenen Fristen entschieden wurde.

Am 22. Aptil2014 teilte die Erinnerungsführerin mit, dass nun mehr der begehrte Kostenfestsetzungsbescheid erlassen worden sei. Der Erinnerungsgegner erklärte darauf die Annahme des Anerkenntnisses und das Verfahren für erledigt. Mit Kostenbeschluss vom 17. September 2014 wurde der Erinnerungsführer verpflichtet, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2014 machte der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners Kosten in Höhe von insgesamt 437,92 Euro geltend und beantragte Kostenfestsetzung. Die Erinnerungsführerin war jedoch nur zur Erstattung in Höhe von 238,00 Euro bereit und wies darauf hin, dass die Kostenfestsetzung in der vorgenommen Höhe unbillig sei. Insbesondere aber falle die Gebührenposition nach Nr. 3106 W RVG nicht an. Hierzu verwies der Erinnerungsführer auf dazu in der Rechtsprechung ergangene Entscheidungen. lm Wesentlichen führte der Erinnerungsführer aus, dass kein angenommenes Anerkenntnis vorliege. Die Erledigung sei durch Erlass des begehrten Bescheides eingetreten.

Nach erfolgter Anhörung setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Hamburg mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. November 2014 die von dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf 430,78 Euro fest. lm Wesentlichen führte die Urkundsbeamtin aus, dass die beantragte Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 W RVG dem Grunde nach angefallen sei. Es seien vorliegend keine Gründe erkennbar, warum nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von 6 Monaten über den Antrag des Erinnerungsgegners entscheiden worden sei. Der Höhe nach betrage die Gebühr 90% der entstandenen Verfahrensgebühr.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer am 8. Dezember 20'14 Erinnerung eingelegt. Er verweist auf seinen Schriftsatz im Rahmen der Anhörung.

Der Erinnerungsführer beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. November 2014 zu ändern und die von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 238,00 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner stellt keinen Antrag.

Dem Gericht lagen neben der Gerichtsakte auch die Verfahrensakten zu S 19 AS 1219/14 vor. Für weitere Einzelheiten zum Sachverhalt wird hierauf Bezug genommen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Die fristgerecht eingelegte Erinnerung ist statthaft. Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet (siehe § 197 Ab§. 2 SGG). Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. November 2014 ist nicht zu beanstanden. Die Festsetzung einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 W RVG ist zutreffend erfolgt. Der Rechtsanwalt bestimmt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. l Satz 1 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Diese, Kriterien sind auch für Untätigkeitsklagen heranzuziehen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit wird im Wesentlichen durch die zeitliche Inanspruchnahme bestimmt. Die Bedeutung der Angelegenheit ist zu bestimmen anhand der konkreten Bedeutung für den Mandanten. Zusätzlich sind die Einkommen- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers maßgeblich. Dabei ist in der Praxis grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 13.1.2014, L 2 AS 250/ 13 B).

Die angesetzte fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 W RVG in Höhe von 90 % der Verfahrensgebühr auf der Grundlage der hälftigen Mittelgebühr ist nicht zu beanstanden.

Ob bei infolge Bescheiderteilung für erledigt erklärten Untätigkeitsklagen eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 W RVG anfällt, ist umstritten. Es wird vertreten, dass eine solche Gebühr anfalle, weil der begehrte Bescheiderlass inzidenter ein Anerkenntnis darstelle, das die Beendigung des Rechtsstreits durch die Annahme- bzw. Erledigungserklärung des Klägers abschließe, ohne dass noch eine mündliche Verhandlung erforderlich sei (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 21.3.2012,l2 AS 517111 B und Beschluss vom 13.1.2014, L 2 AS 250/13 B). Demgegenüber wird eingewandt, dass es sich bei dem Bescheiderlass nicht um ein Anerkenntnis handele, sondern schlicht Erledigung eintrete, weshalb der Rechtsstreit gemäß der Gesetzesgrundlage des § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG auch für erledigt zu erklären sei. Eine ausdrückliche Anerkenntniserklärung liege nicht vor, weshalb eine solche eben auch nicht angenommen werden könne (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 18.10.2013, L I AS 1254112 B KO; Thüringer LSG, Beschluss vom 25.10.2010, L 6 SF 652/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.5.2008, L 19 B 24108 AS). Es könne die schlichte Bescheiderteilung ohne weiteren Vortrag zu den Gründen der Untätigkeit auch nicht als konkludentes Anerkenntnis ausgelegt werden, denn es handele sich bei der Widerspruchsbescheiderteilung um einen Realakt, dem keine Willenserklärung und damit auch keine Prozesshandlung innewohne (vgl. LSG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2014, L 32 AS 1145114 B). Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, dass im Falle einer Untätigkeitsklage kein materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht würde, der im weiteren Verfahren einem gerichtlichen Anerkenntnis zugänglich wäre, da Gegenstand der Untätigkeitsklage allein die Verbescheidung des Klägers sei (vgl. SG München, Beschluss vom 4.7.2014, S 22 SF 304114 E).

Das hier erkennende Gericht hält keine zu dieser Rechtsfrage geäußerten Ansichten für eindeutig überzeugend. Insbesondere bietet auch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. Augusl2O0T (B 4 RS 7/06 R), wonach die Untätigkeitsklage als bloße Bescheidungsklage ausgestaltet ist, keinen befriedigenden Lösungsansatz. Allein der Umstand, dass die Untätigkeitsklage als eine rein auf Bescheidung gerichtete Klage ausgestaltet ist, enthebt die Untätigkeitsklage nicht den allgemeinen Regeln über die Wirksamkeit und Auslegung von Prozesshandlungen und -erklärungen oder der Einbettung in sonstige Verfahrensbestimmungen des Sozialgerichtsgesetzes. Das Gericht stellt daher vor dem Hintergrund der zum Teil divergierenden Meinungen folgende Erwägungen an, die eher für die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr sprechen:

Von der ausdrücklich gewählten Formulierung der den mit der Untätigkeitsklage begehrten Bescheid erlassende Behörde kann es nicht abhängen, ob ein Anerkenntnis vorliegt oder nicht. Damit hätte es die Behörde in der Hand, die Entstehung von Gebührentatbeständen auszulösen oder zu verhindern. Vielmehr kann in der ohne zureichenden Grund außerhalb der Fristen des § 88 SGG vorgenommenen Bescheidung und Erklärung der Kostenerstattung konkludent zum Ausdruck kommen, dass die Untätigkeitsklage zulässig und begründet war. Schließlich wurde dem Klagebegehren entsprochen. Die Einhaltung der sog. Sperrfrist des § 88 Abs. 2 SGG ist nachprüfbar.

Das Gericht ist der Ansicht, dass die außerhalb der Sperrfrist vorgenommene Bescheidung und der Erklärung zur Kostenerstattung der konkludenten Auslegung zugänglich ist. Es ist nicht nachvollziehbar, warum in Fällen der Untätigkeitsklage die Auslegungsregeln anders als in anderen Fällen faktischen Handelns eine restriktive Anwendung erfahren soll. Dem konkludent der verspäteten Bescheidung und durch die Beklagte ggfls. eingeräumte Kostenerstattungsverpflichtung innewohnenden Zugeständnis kann jedenfalls nicht entgegengehalten werden, es liege kein ausdrücklich erklärtes Anerkenntnis vor, welches der Annahme fähig wäre. Die Auffassung, es könne die schlichte Bescheiderteilung der Beklagten ohne zu den Gründen der Untätigkeit etwas vorzutragen, nicht als Anerkenntnis gedeutet werden, weil es sich um einen Realakt handele, der keine Willenserklärung und erst recht keine Prozesserklärung beinhalte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.), vermag das hier erkennende Gericht nicht nachzuvollziehen. Es ist nicht einzusehen, aus welchem Grund die tatsächliche Bescheidung wie jedes tatsächliche Handeln nicht auch in einem Kontext zu sehen ist und damit der Auslegung zugänglich sein sollte.

Es ist zu berücksichtigen, dass die Erhebung der Untätigkeitsklage die Bescheiderteilung regelmäßig erst auslöst und damit in einem Zusammenhang steht. Es stellt sich für das Gericht als künstlich dar, die Bescheiderteilung losgelöst von dem anhängigen Verfahren isoliert zu betrachten. l4it der Bescheiderteilung will der/die Beklagte dem Klagebegehren entsprechen, so dass nach Ansicht des Gerichts der Erteilung des begehrten Bescheides eine Willensäußerung nicht abgesprochen werden kann.

Ob hier sachliche Gründe für die verspätet ergangene Entscheidung über den Antrag des Erinnerungsgegners vorlagen, kann dahin stehen. Der Erinnerungsführer hat gegenüber dem Gericht mit Schreiben vom 27. Juni 2014 erklärt, dass die Terminsgebühr nicht entstanden sei. Ob dies ein Kostengrundanerkenntnis darstellt und damit selbst das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die verspätete Entscheidung eingeräumt wird (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 31.1.2014, L 2 AS 250113 B), braucht angesichts der Kostengrundentscheidung des Gerichts durch Beschluss vom '17. September 2014 nicht näher betrachtet zu werden.

Auch die Argumentation, es richte sich die Erteilung des mit der Untätigkeitsklage begehr ten Bescheides an den Betroffenen selbst, während das Anerkenntnis eine an das Gericht gerichtete Prozesshandlung darstelle (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.), vermag den Zusammenhang zwischen Bescheiderteilung und anhängiger Untätigkeitsklage nicht zu lösen. Der/die Beklagte übersendet den Bescheid anlässlich des Verfahrens regelmäßig auch dem Gericht zur Kenntnis. Selbst wenn dies unterbliebe, müsste die/der Beklagte dem Gericht gegenüber zumindest erklären, dass die begehrte Erteilung des Bescheides stattgefunden hat. Nur so kann das Gericht prüfen, ob Erledigung eingetreten und vom Kläger/ von der Klägerin die entsprechende Erledigungserklärung einzuholen ist, um den Rechtsstreit zu beenden. Darüber hinaus richten sich Leistungen oder faktische Handlungen der Sozialleistungsträger immer an die zu ihnen in einem Rechtsverhältnis stehenden Beteiligten, sodass auch in anderen Verfahren, in denen der materielle Anspruch erfüllt und der Kläger/die Klägerin klaglos gestellt würde, die Frage entstünde, ob wirksam ein Anerkenntnis vorliegt.

Der Gesetzgeber hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bei Untätigkeitsklagen nicht ausgeschlossen, so dass sich aus der speziellen Klageart die Entstehung einer Terminsgebühr nicht an sich verbietet. Auch das Argument, dass bereits mit der Bescheiderteilung Erledigung eintrete, überzeugt nicht, denn eine solche Bestimmung hat der Gesetzgeber insbesondere in § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG gerade nicht getroffen, sondern den Eintritt der Erledigung von einer entsprechend noch abzugebenden, wenn auch einseitigen Erklärung des Klägers/ der Klägerin abhängig gemacht. Wird eine solche Erklärung nicht abgegeben, ist zur Beendigung des Rechtsstreits eine Entscheidung durch das Gericht notwendig. Eine solche Entscheidung bedarf gem. § 124 Abs. '1 SGG regelmäßig der mündlichen Verhandlung. Wird die Entscheidung per Gerichtsbescheid gem. § 105 SGG getroffen, dürften die ansonsten sich hieraus ergebenden Rechtsmittel, wie insbesondere die Beantragung der Durchführung der mündlichen Verhandlung, eröffnet sein. lm Übrigen würde bei Beendigung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 SGG eine fiktive Terminsgebühr nach Nr.3106 Nr. 1 bzw. Nr. 2 W RVG entstehen.

Aus der gesetzlichen Intention, die Beendigung des Rechtsstreits an eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers/ der Klägerin zu knüpfen, sind für die vorliegende Fragestellung keine Erkenntnisse zu gewinnen, denn die Rechtsnatur der einseitigen Erledigungserklärung kann sich je nach prozessualer Konstellation sowohl als Klagerücknahme als auch als Annahme eines von dem Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.1995, 6 RKa 18/95; Beschluss vom 19.12.2005, B 7a AL 192/05 B).

Nach Auffassung des Gerichts ist nach alledem im Ergebnis der Ansicht beizutreten, dass bei einer Untätigkeitsklage regelmäßig durch Bescheiderlass bereits noch keine Erledigung eintritt und daher eine fiktive Terminsgebühr infolge der Annahme eines Anerkenntnisses anfällt. Die Auffassung, in der Bescheiderteilung liege inzidenter ein Anerkenntnis und führe nach Annahme zu einer fiktiven Terminsgebühr, lässt nach Ansicht des Gerichts eben nicht außer Betracht, dass in der Bescheiderteilung zugleich erledigendes Ereignis und konkludentes Anerkenntnis liegt. Der Gesetzgeber hat mit § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG aber eine Gewichtung vorgenommen, die Erledigung der Hauptsache nicht bereits mit Bescheiderteilung eintreten zu lassen, sondern fordert für die Verfahrensbeendigung eine Erklärung der Erledigung der Hauptsache durch den Kläger/die Klägerin.

Für die vom Gericht vertretene Auffassung sprechen auch pragmatische Gesichtspunkte der Verfahrensförderung- Die Frage nach der Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 W RVG bei Untätigkeitsklagen könnte dazu führen, dass nach Bescheiderteilung die Beteiligten wegen der sich gegenteilig gegenüberstehenden Interessenlagen hinsichtlich der Kostenfolgen keine Erklärungen mehr abgeben. Würde die fiktive Terminsgebühr nicht entstehen, würde ein Anreiz gesetzt, einen Termin herbeizuführen, um dort die Erledigungserklärung abzugeben. Dies würde zur Verzögerung des Verfahrens führen und letztlich weder das Gericht noch die Beteiligten von der Frage der Entstehung der fiktiven Terminsgebühr entbinden. Erklärt der Kläger/die Klägerin die Hauptsache nicht für erledigt und würde die Klage mangels Rechtsschutzinteresse als unzulässig abgewiesen werden, dürfte dies nicht zwangsläufig auch zur Folge haben, dass dem Grunde nach die Kosten nicht zu erstatten wären. Immerhin hätte bei Untätigkeit über die in § 88 SGG genannten Fristen hinaus, der/die Beklagte die Erhebung der Untätigkeitsklage veranlasst. Selbst wenn das Verlangen nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung als missbräuchlich angesehen und mit Verschuldenskosten gem. § 192 SGG beantwortet werden könnte, würde dies wertvolle Ressourcen der Beteiligten und der Gerichte binden. Dass die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr bei der Untätigkeitsklage im Ergebnis vor dem Hintergrund des im Verhältnis zu anderen Klagen sehr niedrigen Aufwands anwaltlicher Tätigkeit und der regelmäßig naheliegenden und einfachen Möglichkeit der Verfahrensbeendigung ohne Verhandlung unbillig erscheint, mag einleuchten. Das Gericht ist jedoch der Ansicht, dass diese zur Kontrolle aufgeworfene Gerechtigkeitsfrage im Rahmen der Gebührenfestsetzung der Höhe nach zu beantworten sein könnte, da ein eindeutiger Ausschluss der fiktiven Terminsgebühr für den Anwendungsbereich der Untätigkeitsklage aus dem Verfahrensrecht nicht herzuleiten ist. Seit der Novellierung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) mit Wirkung zum 1. August 2013 hat der Gesetzgeber allerdings durch Nr. 3106 Satz 3 W RVG bestimmt, dass die Terminsgebühr nach Satz 1 der Vorschrift 90% der dem Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit zustehenden Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nummer 1008 beträgt. Mit der Neuregelung seit dem 1. August 2013 hat der Gesetzgeber somit der fiktiven Terminsgebühr bereits eine Verminderung zukommen lassen.

lm vorliegenden Fall hat der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners die fiktive Terminsgebühr mit 168,- Euro in Ansatz gebracht. Dieses entspricht nicht ganz den gesetzgeberischen Vorgaben, da 162,- Euro 90 % der in Ansatz gebrachten Verfahrensgebühr in Höhe von 180,-. Euro ausmachen. In dieser Höhe hat die Urkundsbeamtin die Festsetzung vorgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Notwendigkeit einer eigenen Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren ergibt sich daraus, dass § 18 Nr. 3 RVG das Erinnerungsverfahren als besondere und damit eigenständige Angelegenheit definiert.

Rechtsmittelbelehrung Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).

gez. Flemming Vorsitzende

Ausgefertigt Hamburg, den 30.04.2015

Ende Zitat der Gerichtsentscheidung



Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
02.01.2017, 11:21 Uhr

Die 44. Kammer des Sozialgerichts Hamburg ist in einem Beschluss v. 22.12.2016 klargestellt, dass der Rechtsanwalt nicht verpflichtet ist, die Behörde auf den Fristablauf zur Bescheiderteilung hinzuweisen und diese noch einmal an eine Bescheidung zu erinnern und zwar weder telefonisch noch schriftlich. Dies und überzeugt, da es nicht Aufgabe der Rechtsanwälte ist, das Fristenmanagement der Jobcenter zu betreiben - welches im Übrigen bei sanktionsbewehrten Mitwirkungsfristen offensichtlich funktioniert. Von besorgten Anrufen der Jobcenter in der Anwaltskanzlei, ob man diese oder jene Frist auch notiert und im Auge habe, habe ich auch noch nicht gehört. Nachfolgend der auszugsweise Wortlaut des gerichtlichen Beschlusses:

Zitat der Gerichtsentscheidung:

S 44 AS 4807/15

Sozialgericht Hamburg

Beschluss

...

Nach Überzeugung des Gerichts entspricht es der Billigkeit, dass der Beklagte die Kosten des Verfahrens tragen muss. Bei Untätigkeitsklagen gilt in der Regel der Grundsatz, dass der Beklagte die außergerichllichen Kosten des Klägers zu erstatten hat, wenn die Klage - wie vorliegend - nach Sperrfristablauf erhoben ist, weil dieser mit Bescheid vor Fristablauf rechnen durfte. Eine Kostenerstattung kommt dann nicht in Betracht, wenn der Beklagte einen zureichenden Grund für die Untätigkeit hatte und diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hat oder er ihm bekannt war (Leilherer, a.a.O., s 193 Rz. 13c). Dies zugrunde gelegt waren dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Der Beklagte kann sich auf keinen zureichenden Grund für die Untätigkeit im Sinne von § 88 Abs. 1 S. 2 SGG berufen. Ein zureichender Grund kann nicht in dem noch vor dem LSG Hamburg anhängigen Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz gesehen werden. Das Gericht bezieht sich insoweit vollinhaltlich auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.08.2007L 25 B 846/07 AS - (zitiert nach Juris). Dort heißt es unter Rz. 15 wörtlich: "Das durchgeführte Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist rechtlich unerheblich im Zusammenhang mit der hier zu treffenden Kostenentscheidung. Dieses Verfahren ist unabhängig von dem Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Widerspruchs. Eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren - auch in zweiter Instanz - lässt keinen zwingenden Schluss auf den Ausgang des Widerspruchsverfahrens noch weniger auf den Ausgang eines daran anschließenden Klageverfahrens in der Hauptsache zu. Die Verfahren unterliegen ieweils unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen." Dies zugrunde gelegt kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass es dem Kläger im Rahmen der Schadensminderungspflicht zuzumuten gewesen wäre, sich vor der Klageerhebung bei dem Beklagten durch einen kurzen Anruf nach dem Bearbeitungsstand zu erkundigen. In diesem Zusammenhang weist der Prozessbevollmächtigte zu Recht darauf hin, dass es auch dem Beklagten möglich gewesen wäre, dem Kläger vor Ablauf der Frist eine** Zwischennachricht über den Bearbeitungsstand** und die Gründe einer etwaigen Verzögerung zu erteilen.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 SGG).

gez. Voss Vorsitzende

Ende Zitat der Gerichtsentscheidung

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
09.01.2017, 16:19 Uhr

Das Landessozialgericht Hamburg hat mit Urteil vom 18.12.2015 bedauerlicherweis entschieden:

Weder der Erlass des mit einer Untätigkeitsklage begehrten Bescheids noch die Mitteilung hierüber durch die Behörde an das Gericht stellen ein konkludentes Anerkenntnis dar.

Diesbezüglich ist unter dem Aktenzeichen B 12 KR 3/16 R ein Revisionsverfahren beim 12. Senat des Bundessozialgerichts anhängig. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundessozialgericht klarstellt, dass ein konkludentes Anerkenntnis auch durch Erlass des mit der Klage begehrten Verwaltungsakts möglich ist, da das BSG zum Anerkenntnis in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat:

Das Gesetz schreibt hierzu [zum prozessualen Anerkenntnis] keine besondere Form vor. Auch eine im Verfahren schriftsätzlich abgegebene Prozesserklärung, die das Zugeständnis enthält, dass der Klageanspruch - ganz oder teilweise - bestehe, ist als Anerkenntnis in dem vorbezeichneten Sinne aufzufassen (BSG, Urteil vom 08. September 2015 – B 1 KR 1/15 R –, BSGE 119, 293-297, SozR 4-1500 § 101 Nr 2, Rn. 9 unter Hinweis auf BSG, SozR Nr 3 und Nr 10 zu § 101 SGG).

Einem nach Klageerhebung erlassenen Widerspruchsbescheid kein prozessuales Anerkenntnis zu entnehmen und dieses auf die ausdrückliche Wortwahl einzuengen, überzeugt auch deshalb nicht, weil der erlassene Bescheid uneingeschränkte Rechtswirkung entfaltet und kraft Gesetzes zum Gegenstand des Klageverfahrens wird, so dass auch eine Umstellung in eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage statthaft wäre.

Das BSG hat ferner zur Auslegung von Prozesserklärungen entschieden:

"Es ist "das wirklich Gewollte", das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 17/13 R –, SozR 4-1500 § 192 Nr 2, Rn. 22 unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 25.10.2012 - B 9 SB 70/11 B, RdNr 8; s auch BSG Urteil vom 25.7.2002 - B 11 AL 23/02 R - RdNr 21; BSG Urteil vom 29.5.1980 - 9 RV 8/80 - RdNr 8; BSG Urteil vom 16.4.1964 - 11/1 RA 206/61 - BSGE 21, 13, 14 = SozR 5 zu § 156 SGG, juris-RdNr 13 f).

Erlässt die beklagte Behörde während eines Untätigkeitsklageverfahrens den begehrten Bescheid und wird dieser Gegenstand des Klageverfahrens, ist in dieser Äußerung unschwer zu erkennen, dass die Behörde dem Klagebegehren entsprechen will. Das Verlangen eines noch hinzutretenden ausdrücklichen, schriftsätzlichen "Anerkenntnisses" wäre dann reine Förmelei.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
18.01.2017, 16:43 Uhr

Die 33. Kammer des Sozialgerichts hat mit Beschluss vom 16.01.2017 (Aktenzeichen: S 33 SF 275/16 E) die Erinnerung des Jobcenters gegen den Eingangs geschilderten Gebührenansatz (60 % der Mittelgebühr, 'fiktive' Terminsgebühr i.H.v. 90 % der Verfahrensgebühr) zurückgewiesen. Nachfolgend der Wortlaut der Entscheidungsgründe:

Verfahrensgebühr

Die Höhe der Verfahrensgebühr wurde zutreffend und mit überzeugender Begründung festgesetzt. Der Rechtsanwalt bestimmt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (S 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Diese, Kriterien sind auch für Untätigkeitsklagen heranzuziehen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit wird im Wesentlichen durch die zeitliche Inanspruchnahme bestimmt. Die Bedeutung der Angelegenheit ergibt sich aus der konkreten Bedeutung für den Mandanten. Zusätzlich sind die Einkommen- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers maßgeblich. Dabei ist in der Praxis grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 13.1.2014, L 2 AS 250/13 B). Trotz des niedrigen Schwierigkeitsgrads ist die Festsetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 180 € vorliegend nicht unbillig. Der Ansatz der Mindestgebühr ist nicht sachgerecht. Zwar ist dem Erinnerungsführer zuzustimmen, dass eine Untätigkeitsklage grundsätzlich einen sehr geringen anwaltlichen Arbeitsaufwand nach sich zieht, jedoch darf auch die hohe Bedeutung für die Betroffenen nicht außer Betracht bleiben, die auf ein zeitnahes Handeln der Sozialleistungsträger angewiesen sind. Dieses kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber bei Untätigkeit einer Behörde ein besonderes Rechtsinstitut, nämlich die Untätigkeitsklage, geschaffen hat. Da die Mindestgebühr ganz einfach gelagerten Fällen mit sehr geringer Bedeutung vorbehalten bleiben muss, wird grundsätzlich die Festsetzung der doppelten Mindestgebühr der Bedeutung des Rechtsstreits für den Betroffenen gerecht, wenn nach Klageerhebung die Beklagte einen Widerspruchsbescheid erlassen und für den Bevollmächtigten kein weiterer Aufwand mit der Untätigkeitsklage verbunden war, außer für erledigt zu erklären. Hiervon abweichend hat die Beklagte jedoch nicht auf die Klageerhebung den Widerspruchsbescheid erlassen, sondern es erfolgte weiterer Schriftverkehr und damit war auch zusätzlicher anwaltlicher Aufwand verbunden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 60% der Mittelgebühr jedenfalls nicht unbillig zu sein, insbesondere wenn der für eine Untätigkeitsklage vergleichsweise hohe anwaltliche Aufwand einer fast zweiseitigen Klageschrift gewürdigt wird.

Terminsgebühr

Die Urkundsbeamtin hat zur Recht und mit zutreffender Begründung eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 W RVG festgesetzt. Die Kammer 13 SF des Sozialgerichts Hamburg hat in einer aktuellen Entscheidung (v. 20.01.2015 — S 13 SF 170/14 E) die Thematik umfassend beleuchtet und folgendes ausgeführt:

"Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. April 2014 ist nicht zu beanstanden, soweit er die allein im Streit befindliche Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 100,— Euro berücksichtigt. Ob bei infolge Bescheiderteilung für erledigt erklärte Untätigkeitsklagen eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG anfällt, ist umstritten. Es wird vertreten, dass eine solche Gebühr anfalle, weil der begehrte Bescheiderlass inzidenter ein Anerkenntnis darstelle, das die Beendigung des Rechtsstreits durch die Annahmebzw. Erledigungserklärung des Klägers abschließe, ohne dass noch eine mündliche Verhandlung erforderlich sei (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 21.3.2012, L 2 AS 517/11 B). Demgegenüber wird eingewandt, dass es sich bei dem Bescheiderlass nicht um ein Anerkenntnis handele, sondern schlicht Erledigung eintrete, weshalb der Rechtsstreit gemäß der Gesetzesgrundlage des 88 Abs. 1 Satz 3 SGG auch für erledigt zu erklären sei. Eine ausdrückliche Anerkenntniserklärung liege nicht vor, weshalb eine solche eben auch nicht angenommen werden könne (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 18.10.2013, L 8 AS 1254/12 B KO; Thüringer LSG, Beschluss vom 25.102010, L 6 SF 652/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.5.2008, L 19 B 24/08 AS). Es könne die schlichte Bescheiderteilung ohne weiteren Vortrag zu den Gründen der Untätigkeit auch nicht als konkludentes Anerkenntnis ausgelegt werden, denn es handele sich bei der Widerspruchsbescheiderteilung um einen Realakt, dem keine Willenserklärung und damit auch keine Prozesshandlung innewohne (vgl. L SG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2014, L 32 AS 1145/14 B). Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, dass im Falle einer Untätigkeitsklage kein materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht würde, der im weiteren Verfahren einem gerichtlichen Anerkenntnis zugänglich wäre, da Gegenstand der Untätigkeitsklage allein die Verbescheidung des Klägers sei (vgl. SG München, Beschluss vom 4.7.2014, S 22 SF 304/14 E).

Das hier erkennende Gericht hält keine zu dieser Rechtsfrage geäußerten Ansichten für eindeutig überzeugend und stellt daher vor dem Hintergrund der zum Teil divergierenden Meinungen folgende Erwägungen an, die eher für die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr sprechen:

Von der ausdrücklich gewählten Formulierung der den mit der Untätigkeitsklage begehrten Bescheid erlassende Behörde kann es nicht abhängen, ob ein Anerkenntnis vorliegt oder nicht Damit hätte es die Behörde in der Hand, die Entstehung von Gebührentatbeständen auszulösen oder zu verhindern. Vielmehr kann in der ohne zureichenden Grund außerhalb der Fristen des S 88 SGG vorgenommenen Bescheidung und Erklärung der Kostenerstattung konkludent zum Ausdruck kommen, dass die Untätigkeitsklage zulässig und begründet war. Schließlich wurde dem Klagebegehren entsprochen. Die Einhaltung der sog. Sperrfrist des 88 Abs. 1 SGG ist nachprüfbar. Dem konkludent der verspäteten Bescheidung innewohnenden Zugeständnis kann jedenfalls nicht entgegengehalten werden, es liege kein ausdrücklich erklärtes Anerkenntnis vor, welches der Annahme fähig wäre. Die Auffassung, es könne die schlichte Bescheiderteilung der Beklagten ohne zu den Gründen der Untätigkeit etwas vorzutragen, nicht als Anerkenntnis gedeutet werden, weil es sich um einen Realakt handele, der keine Willenserklärung und erst recht keine Prozesserklärung beinhalte (vgl. L SG Berlin-Brandenburg, a.a.O.), vermag das hier erkennende Gericht nicht nachzuvollziehen. Es ist nicht einzusehen, aus welchem Grund die tatsächliche Bescheidung wie jedes tatsächliche Handeln nicht auch in einem Kontext zu sehen ist und damit der Auslegung zugänglich sein sollte. Es ist zu berücksichtigen, dass sie Erhebung der Untätigkeitsklage die Bescheiderteilung erst auslöst und damit in einem Zusammenhang steht. Es stellt sich für das Gericht als künstlich dar, die Bescheiderteilung losgelöst von dem anhängigen Verfahren isoliert zu betrachten. Mit der Bescheiderteilung will der/die Beklagte dem Klagebegehren entsprechen, so dass nach Ansicht des Gerichts der Erteilung des begehrten Bescheides eine Willensäußerung nicht abgesprochen werden kann.

Auch die Argumentation, es richte sich die Erteilung des mit der Untätigkeitsklage begehrten Bescheides an den Betroffenen selbst, während das Anerkenntnis eine an das Gericht gerichtete Prozesshandlung darstelle (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a. O.), vermag den Zusammenhang zwischen Bescheiderteilung anhängiger Untätigkeitsklage nicht zu lösen. Der/die Beklagte übersendet den Bescheid anlässlich des Verfahrens auch dem Gericht zur Kenntnis. Selbst wenn dies unterbliebe, müsste die/der Beklagte dem Gericht gegenüber zumindest erklären, dass die begehrte Erteilung des Bescheides stattgefunden hat. Nur so kann das Gericht prüfen, ob Erledigung eingetreten ist und vom Kläger/ von der Klägerin die entsprechende Erledigungserklärung einzuholen ist, um den Rechtsstreit zu beenden. Darüber hinaus richten sich Leistungen oder faktische Handlungen der Sozialleistungsträger immer an die zu ihnen in einem Rechtsverhältnis stehenden Beteiligte, sodass auch in anderen Verfahren, in denen der materielle Anspruch erfüllt und der Kläger/die Klägerin klaglos gestellt würde, sich die Frage entstünde, ob wirksam ein Anerkenntnis vorliegt.

Der Gesetzgeber hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bei Untätigkeitsklagen nicht von vornherein ausgeschlossen, so dass sich aus der speziellen Klageart die Entstehung einer Terminsgebühr nicht an sich verbietet. Auch das Argument, dass bereits mit der Bescheiderteilung Erledigung eintrete, überzeugt nicht, denn eine solche Bestimmung hat der Gesetzgeber insbesondere in 88 Abs. 3 SGG nicht getroffen, sondern den Eintritt der Erledigung von einer entsprechend noch abzugebenden, wenn auch einseitigen Erklärung des Klägers/ der Klägerin abhängig gemacht. Wird eine solche Erklärung nicht abgegeben, ist zur Beendigung des Rechtsstreits eine Entscheidung durch das Gericht notwendig. Eine solche Entscheidung bedarf gem. S 124 Abs. 1 SGG regelmäßig der mündlichen Verhandlung. Wird die Entscheidung per Gerichtsbescheid gem. S 105 SGG getroffen, dürften die ansonsten sich hieraus ergebenden Rechtsmittel, wie insbesondere die Beantragung der Durchführung der mündlichen Verhandlung, eröffnet sein. Aus der gesetzlichen Intention, die Beendigung des Rechtsstreits an eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers/ der Klägerin zu knüpfen, sind für die vorliegende Fragestellung keine Erkenntnisse zu gewinnen, denn die Rechtsnatur der einseitigen Erledigungserklärung kann sich je nach prozessualer Konstellation sowohl als Klagerücknahme als auch als Annahme eines von dem Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.1995, 6 RKa 18/95; Beschluss vom 19.12.2005, B 7a AL 192/05 B).

Nach Auffassung des Gerichts ist nach alledem im Ergebnis der Ansicht beizutreten, dass bei einer Untätigkeitsklage regelmäßig durch Bescheiderlass bereits noch keine Erledigung eintritt und daher eine fiktive Terminsgebühr infolge der Annahme eines Anerkenntnisses anfällt. Die Auffassung, in der Bescheiderteilung liege inzidenter ein Anerkenntnis und führe nach Annahme zu einer fiktiven Terminsgebühr, lässt nach Ansicht des Gerichts nicht außer Betracht, dass in der Bescheiderteilung zugleich erledigendes Ereignis und konkludentes Anerkenntnis liegt. Der Gesetzgeber hat mit § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG aber eine Gewichtung vorgenommen, die Erledigung der Hauptsache nicht mit Bescheiderteilung eintreten zu lassen, sondern fordert für die Verfahrensbeendigung eine Erklärung der Erledigung der Hauptsache durch den Kläger/die Klägerin.

Für die vom Gericht vertretene Auffassung sprechen auch pragmatische Gesichtspunkte der Verfahrensförderung. Die Frage nach der Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG bei Untätigkeitsklagen könnte dazu führen, dass nach Bescheiderteilung die Beteiligten wegen der sich gegenteilig gegenüberstehenden Interessenlagen hinsichtlich der Kostenfolgen keine Erklärungen mehr abgeben. Würde die fiktive Terminsgebühr nicht entstehen, würde ein Anreiz gesetzt, einen Termin herbeizuführen, um dort die Erledigungserklärung abzugeben. Dies würde zur Stagnation des Verfahrens führen und letztlich weder das Gericht noch die Beteiligten von der Frage der Entstehung der fiktiven Terminsgebühr entbinden. Erklärt der Kläger/die Klägerin die Hauptsache nicht für erledigt und würde die Klage mangels Rechtsschutzinteresse als unzulässig abgewiesen werden, dürfte dies nicht zwangsläufig auch zur Folge haben, dass dem Grunde nach die Kosten nicht zu erstatten wären. Immerhin hätte bei Untätigkeit über die in 88 SGG genannten Fristen hinaus, der/die Beklagte die Erhebung der Untätigkeitsklage veranlasst. Selbst wenn das Verlangen nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung als missbräuchlich angesehen und mit Verschuldenskosten gem. S 192 SGG beantwortet werden könnte, würde dies wertvolle Ressourcen der Beteiligten und der Gerichte binden. Dass die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr bei der Untätigkeitsklage im Ergebnis vor dem Hintergrund des im Verhältnis zu anderen Klagen sehr niedrigen Aufwands anwaltlicher Tätigkeit und der regelmäßig naheliegenden und einfachen Möglichkeit der Verfahrensbeendigung ohne Verhandlung unbillig erscheint, mag einleuchten. Das Gericht ist jedoch der Ansicht, dass diese zur Kontrolle aufgeworfene Gerechtigkeitsfrage im Rahmen der Gebührenfestsetzung zu beantworten ist, solange ein eindeutiger Ausschluss der fiktiven Terminsgebühr für den Anwendungsbereich der Untätigkeitsklage aus dem Verfahrensrecht nicht herzuleiten ist."

Das erkennende Gericht schließt sich der Rechtsauffassung und umfassenden Würdigung der Kammer 13 SF an und macht sie sich zu eigen. Nicht gefolgt wird hingegen der Auffassung der Kammer 32 (S 32 SF 259/14 E). Ergänzend ist anzumerken, dass auch ungeachtet der Frage, ob prozessual ein Anerkenntnis vorliegt, ein offensichtlicher Umgehungstatbestand gegeben ist, bei dem die prozessbeendende Erklärung allein zur Vermeidung der möglichweise eintretenden Kostenfolge nicht abgegeben wurde. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben rechtfertigt dies im Rahmen der Kostenfestsetzung die Zuerkennung der Terminsgebühr.

Die Festsetzung der fiktiven Terminsgebühr in Höhe von 162,— Euro entspricht der Billigkeit, da sich die Terminsgebühr an der Verfahrensgebühr orientiert. 162,-- Euro machen 90% der in Ansatz zu bringenden Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 W RVG in Höhe von 180,— Euro aus. Durch die Neuregelung des RVG zum 1. August 2013 ist für eine Orientierung der Terminsgebühr an der Dauer eines fiktiv stattfindenden Termins kein Raum mehr, weshalb der Kostenfestsetzungsbeschluss entsprechend abzuändern war. Die Kostenentscheidung beruht auf SS 183, 193 SGG. Die Notwendigkeit einer eigenen Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren ergibt sich daraus, dass S 18 Nr. 3 RVG das Erinnerungsverfahren als besondere und damit eigenständige Angelegenheit definiert. Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (S 197 Abs. 2 SGG).

gez. Sonnhoff Vorsitzender

Ende Zitat der Gerichtsentscheidung

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
19.06.2020, 10:54 Uhr

Wichtige Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg zur fiktiven Terminsgebühr:

Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 30. September 2019, L 4 AS 249/19: Im vorliegenden Fall machten die Kläger mit ihrer Untätigkeitsklage vom 21. Juni 2017 geltend, am 6. Dezember 2016, also mehr als sechs Monate zuvor, einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes gestellt zu haben, der vom Beklagten sachlich noch nicht beschieden worden sei. Sie machten damit einen Anspruch auf Vornahme eines Verwaltungsaktes nach § 88 Abs. 1 S. 1 SGG geltend. Der Beklagte ließ sich hierzu mit Schreiben vom 1. August 2017 ein: Er teilte mit, die mit der Kostennote vom 6. Dezember 2016 geltend gemachten Kosten am 17. Juni 2017 angewiesen zu haben. Er räumte damit implizit ein, den Antrag vom 6. Dezember 2016 erhalten und bisher noch nicht beschieden zu haben. Für den Senat gab er damit ohne Einschränkungen zu, dass sich das Begehren der Kläger – der Anspruch auf Bescheidung – aus dem von ihnen behaupteten Tatbestand – ein entsprechender Antrag wurde vor über sechs Monaten gestellt und bisher nicht beschieden – ergebe. Weil er zugleich nicht vortrug, einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung gehabt zu haben, gab er nach dem Verständnis des Senats mit dem Schreiben vom 1. August 2017 ein Anerkenntnis gegenüber dem Gericht ab. Dieses Anerkenntnis nahmen die Kläger mit ihrer Erklärung vom 21. Februar 2018 an. Dass zu diesem Zeitpunkt der begehrte Verwaltungsakt noch nicht erlassen worden war (er wurde erst mit Schreiben vom 15. Juni 2018 erlassen), ist unerheblich, weil ein Anerkenntnis nicht voraussetzt, dass der prozessuale Anspruch über seine Anerkennung hinaus auch sogleich erfüllt wird. Unerheblich ist auch, dass der Beklagte zugleich erklärte, kein Anerkenntnis in der Sache abzugeben. Diese Erklärung widerspricht dem, was in seiner Mitteilung, die geltend gemachten Kosten angewiesen zu haben, nach Ansicht des Senats mit eingeschlossen ist bzw. mit gemeint, aber nicht ausdrücklich gesagt wird, nämlich dass seit über sechs Monaten ein Antrag auf Vornahme eines Kostenbescheides vorlag, der bisher ohne wichtigen Grund nicht beschieden wurde. Da hierin nach Ansicht des Senats ein konkludentes Anerkenntnis zu sehen ist, ist die ausdrückliche Erklärung, kein Anerkenntnis abgeben zu wollen, unbeachtlich. Der Beklagte will mit dieser Erklärung auch gar nicht zum Ausdruck bringen, dass er den von den Klägern erhobenen Anspruch für unbegründet halte und sich ihm nicht unterwerfe. Täte er dies, dann wäre die Annahme eines konkludenten Anerkenntnisses tatsächlich ausgeschlossen (vgl. Lange, NZS 2017, 893, 893). Der Beklagte will auch nicht den Fall des § 88 Abs. 1 S. 2 SGG geltend machen, dass ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung vorliege; allein für diesen Fall sieht das Gesetz (§ 88 Abs. 1 S. 3 SGG) die Erledigungserklärung nach Bescheidung vor. Vielmehr will er nur verhindern, dass seine Mitteilung über sein außerprozessuales Verhalten als Anerkenntnis gewertet wird. Dieser Wille ist aber unbeachtlich, weil sich der Beklagte in der Sache ganz offensichtlich dem geltend gemachten Anspruch der Kläger unterwirft bzw. ihm schon unterworfen hat, indem er die Kostennote beglichen hat, ohne zu behaupten, der Antrag habe ihm nicht vorgelegen, die Sperrfrist nach § 88 Abs. 1 S. 1 SGG sei noch nicht verstrichen oder er habe einen zureichenden Grund für die bisherige Nichtbearbeitung des Antrages gehabt. Der Aussagekraft des implizit Erklärten kommt insofern der Vorrang vor dem ausdrücklich Erklärten zu, zumal das ausdrücklich Erklärte (kein Anerkenntnis abzugeben) an der prozessualen Situation (die Kläger hatten eine zulässige und begründete Untätigkeitsklage erhoben) und dem außerprozessualen Verhalten des Beklagten (er stellte die Kläger durch Anweisung der Kosten umgehend finanziell klaglos) vorbeigeht.


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Veröffentlicht am

05.05.2015

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Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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