Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil dargelegt, dass grundsätzlich von einer Unfreiwilligkeit auszugehen ist, wenn sich der Versicherte durch eigenes Verhalten Gliedmaßen abtrennt. Gelingt der Versicherung jedoch der Gegenbeweis, dass der Versicherte sich freiwillig verstümmelt hat, so ist sie nicht leistungspflichtig.

Der Kläger begehrte von seiner privaten Unfallversicherung Leistungen aus einer von ihm bei der Versicherung unterhaltenen Unfallversicherung. Ausweislich des Versicherungsscheins betrug die Invaliditätsgrundssumme hiernach 200.000 Euro, die monatliche Unfallrente im Leistungsfall 1.000 Euro. Ausgangspunkt war eine unstreitig notwendig gewordene traumatische Unterschenkelamputation links (am Übergang vom mittleren zum distalen Drittel) sowie Teilamputationen von Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand sowie von kleinem und Ringfinger der linken Hand (jeweils etwa in Höhe der Mittelgelenke). Der Kläger behauptete hierzu, er habe sich die Verletzungen im Zusammenhang mit einem Sturz von einer Leiter zugezogen. Dabei sei er in eine Kreissäge geraten. Die Versicherung hingegen behauptete, der Kläger habe sich die in Rede stehenden Verletzungen freiwillig zugefügt, um in den Genuss der klageweise geltend gemachten Invaliditätsleistungen zu gelangen.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben dem Kläger die Leistungen nicht zugesprochen. Das Gericht hat dabei ausgeführt, dass dem Kläger der Leistungsanspruch nicht zustehe, da er sich die Verletzungen selbst zugefügt habe. Grundsätzlich sei hierbei davon auszugehen, dass bei entsprechenden Verstümmelungsakten eine unfreiwillige Handlung vorliege und der Leistungsanspruch bestehe. Diese folge ausdrücklich aus der gesetzlichen Vermutung des § 178 Absatz 2 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Damit habe die Versicherung das Gegenteil zu beweisen, wenn sie davon ausgehe, dass hier ausnahmsweise eine freiwillige Verstümmelung vorliege. Dies sei im Rahmen von Indizienbeweisen möglich. Solche Indizien habe die Versicherung hier beigebracht, sodass im Rahmen einer Gesamtschau die Freiwilligkeit hinreichend gesichert sei. Hierbei hat sich das Gericht maßgeblich darauf gestützt, dass zum einen der Versicherungsnehmer seine Angaben zum Unfallhergang mehrfach geändert, insbesondere seinen Sachvortrag auf kritische Nachfragen hin oder in Ansehung für ihn ungünstiger Tatsachenfeststellungen angepasst habe. Zum anderen komme dem Verletzungsbild maßgebliche Bedeutung zu. Vordergründig seien die glatten, im 90 Grad-Winkel verlaufenden Abtrennungen sowie das Fehlen unfalltypischer Begleitverletzungen an den benachbarten Fingern entscheidend. Normalerweise würde sich nämlich vielmehr ein ausgefranstes Schnittbild als übliches Muster einer Gliedabtrennung ergeben.

Festzuhalten ist, dass das Gericht zu den genannten Umständen eine umfassende Beweiswürdigung angestellt hat. Diese erfolgte nach Durchsicht des Urteils mit der gebotenen Sorgfalt. Gleichwohl kann es vorkommen, dass Versicherungen und auch Gerichte entgegen den gesetzlichen Wertungen, nach denen eine Freiwilligkeit hinreichend gesichert nachgewiesen werden muss, Betroffenen aufgrund des Unfallhergangs unterstellen, sie hätten sich selbst verletzt. Wenden Sie sich in derartigen Fällen gerne an mich, damit wir gemeinsam Ihren Leistungsanspruch durchsetzen können.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 02.12.2011.


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Veröffentlicht am

06.09.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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