Das Landessozialgericht für das Saarland hat in einem Urteil entschieden, dass eine sogenannte Wie-Berufskrankheit in dem Fall vorliegt, dass durch die Arbeit im Präpariersaal einer Universität eine chronisch-atrophische Rhinitis ausgelöst wird. Die Betroffene ist daher nach der Vorschrift des § 9 Absatz 2 Sozialgesetzbuch 7 zu entschädigen.
Die Klägerin war mehrere Jahre in der Anatomie einer Universität halbtags angestellt. Dabei verrichtete sie wegen Personalmangels vermehrt Überstunden. Ihr Arbeitsplatz war der Leichenkeller, der nur in seinem Zentrum, nicht in den Randbereichen belüftet war. Die Klägerin hatte insbesondere die Abfalltöpfe aus dem Präpariersaal, deren Inhalt aus formalingetränkter Haut, Fett- und Zellstoff bestand, zu reinigen. Weiterhin war sie für die Wäsche der Leichentücher, die mit Formalin getränkt auf den Leichen im Präpariersaal lagen, zuständig. Bei der Aufbewahrung und Vorbereitung von Leichen vor ihrer Verwendung im Präpariersaal hatte die Klägerin die Leichen jeweils in eine Wanne zu legen und aus einer Wanne zu befördern. Bei allen Arbeitsvorgängen war sie, teils erheblichen, Formalindämpfen ausgesetzt. Abgesehen von dieser Exposition war sie kurzfristig dem Einfluss von Äthylenglykolmonophenyläther ausgesetzt, der von den Studenten zur Verhinderung von Schimmel über die Leichen im Präpariersaal versprüht worden war.
Nachdem zunächst ein Antrag auf Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 4301 und 4302 unter Bezugnahme auf die unstreitig vorliegende chronisch-hyperplastische Laryngitis mit dauernder Heiserkeit und Phonasthenie abgelehnt worden war, stellte die Klägerin viele Jahre später einen erneuten Antrag. Diesen unterstrich sie mit der Beibringung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Formaldehyd in Zusammenhang mit dessen Exposition bei Menschen.
Das Gericht hat daraufhin eine Wie-Berufskrankheit anerkannt. Nach § 9 Absatz 2 Sozialgesetzbuch 7 hätten die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet sei oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorlägen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Soziagesetzbuch 7 erfüllt seien. Diese lägen hier hinsichtlich der chronisch-atrophischen Rhinitis vor.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Landessozialgericht für das Saarland, Urteil 18.02.2009.
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Veröffentlicht am
21.08.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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