Das Bundessozialgericht hat schon 2003 entschieden, dass Rücknahmeanträge nach § 44 Sozialgesetzbuch 10 (sog. "Überprüfungsanträge") keine Rechtsbehelfe sind. Daraus folgt u.a. auch, dass solche Anträge auch keine aufschiebende Wirkung haben.
In dem entschiedenen Fall ging es um eine Rentnerin, die durch einen sog. Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch 10 unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Kindererziehungszeiten rückwirkend eine höhere Rente erlangen wollte.
Die Klage und die Berufung der Klägerin blieben erfolglos. Auch die Revision der Klägerin wurde vom Bundessozialgericht abgewiesen.
Das Bundessozialgericht stellte in dem Urteil dar, dass die auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachträglich eingeführte gesetzliche Vorschrift des § 307d Sozialgesetzbuch 6 keine Sonderregelung gegenüber § 44 Sozialgesetzbuch 10 sei, welche diese Vorschrift verdränge. § 307d Sozialgesetzbuch 6 enthalte ausschließlich eine Regelung des materiellen Rentenversicherungsrechts.
Die Rentenbescheide können nicht nach § 44 Sozialgesetzbuch 10 zurückgenommen und rückwirkend zu Gunsten der Klägerin abgeändert werden, weil diese im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen seien. Die erforderliche Rechtswidrigkeit für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes würde nicht durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (nachträglich "rückwirkend") herbeigeführt, auf welche die Klägerin sich beruft. Dazu wäre erforderlich gewesen, dass das Bundesverfassungsgericht die Norm für die Vergangenheit aufhebt, was das Bundesverfassungsgericht aber nicht getan habe. Damit seien die Rentenbescheide bei Erlass rechtmäßig gewesen.
Das Bundessozialgericht führte außerdem aus, dass ein Rücknahmeantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch 10 kein "Rechtsbehelf" im Sinne des § 77 Sozialgerichtsgesetz sei. "Rechtsbehelfe" seien Mittel zur Durchsetzung eines Abwehranspruchs gegen einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt, der in ein subjektives Recht eingreife. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit gäbe es aber keinen mit einem "Rechtsbehelf" durchsetzbaren Abwehranspruch mehr, weil grundsätzlich jeder "Rechtsbehelf" unzulässig sei.
HINWEIS: Daraus folgt zugleich generell, dass Überprüfungsanträge keine aufschiebende Wirkung entfalten. Man kann also beispielsweise mit Überprüfungsanträgen nicht die Vollziehbarkeit von Rückforderungsbescheiden oder die wirksame laufende Aufrechnung von Sozialleistungsansprüchen mit Erstattungsansprüchen der Behörden hindern. Es muss dann ggf. bei der zuständigen Behörde parallel zum Überprüfungsantrag ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 86a Absatz 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz gestellt werden.
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Veröffentlicht am
02.12.2014
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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