Zum Ausgleich einer Behinderung im Bereich der Mobilität haben Versicherte gegenüber ihrer gesetzlichen Krankenkasse einen Anspruch auf Versorgung mit einem geeigneten Elektro-Rollstuhl. Ein zweiter Elektro-Rollstuhl müsse hingegen regelmäßig nicht gewährt werden.

Etwas anderes gelte erst dann, wenn der Erst-Rollstuhl regelmäßig über längere Zeit nicht verfügbar sei, ein passender Ersatz-Rollstuhl nicht gestellt werden könne und der Versicherte deshalb über längere Zeit überwiegend bettlägerig sei. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Ein Mann aus dem Hochtaunuskreis kann aufgrund einer spastischen Tetraplegie nicht gehen und seinen Kopf nur schwer halten. Der in einem Pflegeheim lebende Mann ist deshalb dauerhaft auf einen individuell angepassten Rollstuhl angewiesen. Seine Kran-kenkasse bewilligte ihm im Jahr 1999 den Elektro-Rollstuhl Allround. Als dieser die Ver-sorgungsbedürfnisse des Klägers nicht mehr erfüllte, gewährte die Krankenkasse im Jahr 2001 als Ersatz den Elektro-Rollstuhl Chairman mit integrierter Aufstehvorrichtung und Joystick-Steuerung. Diesen Rollstuhl benutzt der behinderte Mann seitdem vorwiegend. Neben diesen beiden elektrischen Rollstühlen ist der nunmehr 38-Jährige mit einem Leichtgewicht-Rollstuhl ausgestattet. Da er seine Hände für die Vorwärtsbewegung dieses manuellen Rollstuhls nicht einsetzen kann, ist er jedoch zu dessen Nutzung – z.B. bei Ausflügen und Besuchen außerhalb des Heimes – auf eine Hilfsperson ange-wiesen.

Im Jahr 2006 beantragte der Mann die Übernahme von Reparaturkosten für den älteren Elektro-Rollstuhl, den er während der Reparaturen des neuen Elektro-Rollstuhls benötige. Die Krankenkasse lehnte dies ab. Der Versicherte könne zwar den alten Rollstuhl behalten, anfallende Reparaturkosten müsse er jedoch selbst tragen. Der behinderte Mann verwies hingegen darauf, dass der neue Elektro-Rollstuhl öfters defekt sei und ihm der Leichtgewicht-Rollstuhl keine eigenständige Mobilität ermögliche. Auf diese sei er jedoch wegen seiner geringfügigen Beschäftigung im Pflegeheim angewiesen. Ferner könne er auf dem Leichtgewicht-Rollstuhl nicht längere Zeit ohne körperliche Beschwerden sitzen.

Die Darmstädter Richter gaben der Krankenversicherung Recht. Gründe, die ausnahmsweise eine Mehrfachausstattung rechtfertigten, lägen nicht vor. Zudem habe der ältere Elektro-Rollstuhl so schwerwiegende Mängel, dass dessen weitere Verwendung aufgrund der Unfallgefahren nicht anzuraten sei.

Da der Kläger ferner über einen Leichtgewicht-Rollstuhl verfüge, sei seine Mobilität ausreichend gesichert. Dass er insoweit auf eine Hilfsperson angewiesen sei, führe zu keiner anderen Beurteilung, da deren Hilfeleistung ihm als Pflegeleistung der Stufe III zustehe. Da der Leichtgewicht-Rollstuhl über eine anatomische Sitzanpassung verfüge, sei dessen Nutzung dem Kläger für eine Übergangszeit auch zumutbar. Anders wäre dies zu beurteilen, wenn der Kläger wegen der Reparatur des neuen Elektro-Rollstuhls über Wochen ununterbrochen oder über einen deutlich längeren Zeitraum als 4 – 6 Wochen die überwiegende Zeit liegend im Bett verbringen müsse.

Auf seine Berufstätigkeit könne sich der Kläger gegenüber der Krankenkasse nicht berufen, da diese – so die Richter – für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zuständig sei.

(AZ L 8 KR 310/08 – Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil wird unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt.)

Quelle: Pressemitteilung des Hessischen Landessozialgerichts vom 07.07.2011.


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Veröffentlicht am

08.07.2011

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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