Wie das Sozialgericht Augsburg auch in einem aktuellen Verfahren noch einmal klarstellte, hat man keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch 12, die der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung dienen, wenn man ins Ausland verzogen ist.

Ein deutscher Staatsangehöriger, der ins Ausland verzogen ist, hat nach § 24 Sozialgesetzbuch 12 grundsätzlich keinen Anspruch auf die Sozialhilfeleistungen, die ihm dem Grunde nach zustehen. Anders liegt es nur, wenn einer der drei Ausnahmetatbestände der Norm einschlägig ist. Darunter fällt die Pflege und die Erziehung eines Kindes, das im Ausland bleiben muss, längere stationäre Betreuung oder schwere Pflegebedürftigkeit oder hoheitliche Gewalt.

Anerkannt hierbei ist, dass diese Tatbestandsalternativen grundsätzlich abschließend sind. Die Norm greift aufgrund ihres Ausnahmecharakters nicht schon bei einer nur allgemeinen sozialhilferechtlichen Notlage ein. Vielmehr bedarf es einer sich hiervon deutlich abhebenden, außergewöhnlichen Notlage. Eine solche Notlage wäre gegeben, wenn ohne die Hilfeleistung an den im Ausland lebenden Deutschen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter droht. Es müssten also Leben, Gesundheit oder sonstige elementare Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz unmittelbar gefährdet sein. Darüber hinaus müsste die außergewöhnliche Notlage im Einzelfall unabweisbar, also durch kein anderes Mittel als durch die begehrte Hilfeleistung zu beheben sein. Als Mittel zur Behebung der Notlage kommt hierbei jedoch vor allem die Rückkehr nach Deutschland in Betracht, welche bei Eintritt der Bedürftigkeit vom Hilfesuchenden grundsätzlich erwartet wird.

Insoweit ist eine Gewährung von Hilfeleistungen ins Ausland stets problematisch, kann aber im Einzelfall denkbar sein. Im Übrigen kommen - insbesondere im Bereich des Fürsorgerechts - die jeweiligen Leistungsträger desjenigen Landes in Betracht, in dem man sich nunmehr aufhält.

SG Augsburg, Urteil vom 07.07.2011.


Kommentare

L.
30.07.2013, 18:36 Uhr

Was ist genau mit hoheitlicher Gewalt gemeint ? Meine Frage bzw. Kommentar bezieht sich auf § 24 Abs. 1 SGB XII, Abs.1 Punkt 3, hoheitliche Gewalt, z.B. in Spanien. Ich habe hier nur gefunden, z.B. Inhaftierung ! Wenn ich inhaftiert bin, brauche ich doch keine Sozialhilfe, dann bekomme ich doch alles, was ein rechtskraeftig verurteilter Gefangener im spanischen Gefaengnis braucht. Oder bezieht sich das auch auf eine zur Bewaehrung ausgesetzten Haftstrafe von mehreren Jahren ? Oder ein Ermittlungsverfahren, wegen einer vermuteten Straftat ? Das ist dann in beiden Faellen auch ein Hinderungsgrund um nach D zurueck zukehren um dort Sozialhilfe zu beantragen. In beiden Faellen steht man doch dem Sklavenmarkt, O Entschuldigung, dem Arbeitsmarkt zur Verfuegung. Viel wichtiger ist aber meine Frage, was ist mit den Opfern (Deutesche) von Straftaten, die durch diese Taten in eine ernste existenzielle Notsituation gekommen sind. Die dort ihren Lebensmittelpunkt haben, sich dort etwas aufgebaut haben und ploetzlich oder ueber Jahre ihre letzten Reserven verbrauchen, um es bis zu einer Entscheidung der Gerichte zuschaffen, die in der Sache ueberfordert sind und durch die Masse sowieso. Muessen die ihr Hab und Gut stehen lassen, nur um in D dann Sozialhilfe zu bekommen. Ist das nicht auch ein Hinderungsgrund und unzumutbar, so wie der Gesetgeber es (scheinbar) verlangt, nach D fuer einen Bezug von Sozialhilfe zurueck zugehen ? Das Gesetz ist geaendert worden, um den Missbrauch zu beenden. Dem gegenueber steht aber m.E. eine Beguenstigung des Verbrechens, besonders der organisierten Kriminalitaet. Waehrend die Opfer, meiner Erfahrung nach, durch diese Gesetzgebung praktisch ein drittes mal und endgueltiges mal zum Opfer gemacht werden. Wo sind die soviel beschworenen existentiellen Rechte nach GG der Opfer ? Falls jemand dazu eine qualifizierte Antwort oder Hinweis hat oder Sie Herr Koeper, als Rechtsanwalt fuer Sozialrecht, wuerde ich mich ueber entsprechende Informationen freuen. Vielen Dank

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
04.09.2018, 18:03 Uhr

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Mai 2016 – L 7 SO 661/16 ER-B –, Rn. 18: Die Auslandssozialhilfe kommt mithin nicht schon bei einer nur allgemeinen sozialhilferechtlichen Notlage in Betracht; vielmehr bedarf es einer sich hiervon deutlich abhebenden, außergewöhnlichen Notlage. Eine solche Notlage ist - unter Heranziehung der hier nutzbar zu machenden Rechtsprechung des BVerwG zum Merkmal des „besonderen Notfalls“ in § 119 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (vgl. Urteile vom 5. Juni 1997 - 5 C 3/97 - ; - 5 C 17/96 - ; - 5 C 4/96 - ) - gegeben, wenn ohne die Hilfeleistung an den im Ausland lebenden Deutschen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existentieller Rechtsgüter droht, mithin Leben, Gesundheit oder sonstige elementare Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes) unmittelbar gefährdet sind (Senatsurteil vom 25. Februar 2010 a.a.O.; Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. August 2014 - L 20 SO 481/11 - ; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 24 Rdnrn. 9 ff., alle m.w.N.) [...] Im Übrigen liegt ein objektives Rückkehrhindernis in diesem Sinne nur dann vor, wenn der Aufenthaltsstaat dem Deutschen die Rückkehr in das Bundesgebiet untersagt respektive verhindert, etwa durch eine Ausreisesperre oder durch Inhaftierung (vgl. nur LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. März 2015 - L 2 SO 56/15 - ; Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 a.a.O. ; Bieback in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 24 Rdnr. 24; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, a.a.O., § 24 Rdnr. 19; Berlit in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 24 Rdnr. 11). Dass der Kläger sich in Deutschland - aus welchen Gründen auch immer - „nicht mehr sicher“ bzw. „politisch verfolgt“ fühlt, stellt kein Rückkehrhindernis i.S.d. § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB XII dar.

J.
02.11.2018, 19:26 Uhr

Hallo,

ich sehe diese Entscheidung skeptisch (zumal ich mich momentan auch mit dem Thema beschäftige, mit Erwerbsminderungsrente & ergänzende Grunsicherung ins Ausland zu gehen).

Warum? Ich glaube die Voraussetzungen für diese Entscheidung sind falsch.

  1. Eine Rente (bei Erwerbsunfähigkeit oder aufgrund Alters) soll eigentlich dazu dienen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ergänzende Grundsicherungsleistungen erhält derjenige, bei dem die Rente für den Lebensunterhalt nicht ausreicht. M.E. ist es also in diesem Zusammenhang unerheblich, ob nun eine Notlage vorliegt oder nicht, da bis zu einem bestimmten Betrag aufgestockt werden soll, damit der Leistungsempfänger, unabhängig von seinem Aufenthaltsort oder Lebensmittelpunkt, eben nicht erst in eine Notsituation gerät.

  2. Die meisten Menschen, die Deutschland verlassen und ins Ausland gehen, erhoffen sich ein besseres Leben, in einer Umgebung, die Ihnen persönlich zusagt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das in den meisten Fällen die Motivation. Diese Menschen aber dann aber "indirekt zu zwingen" (Ablehnung von Grundsicherungsleistungen) wieder nach Deutschland zurück zu kommen, ist kontraproduktiv. Vorallem auch, weil das Gericht in dem Fall völlig ausblendet, das es keine Garantie gibt, das eine Notlage in Deutschland behoben sein würde. Eventuell stehen für eine Rückkehr persönliche Angelegenheiten im Wege oder der Rückkehrer hat im Grunde genommen ein schlechteres Leben, als im Ausland (zb. negative Schufa, Perspektivlosigkeit oder gesundheitliche Gründe -zb. Depression -> die sich bei Rückkehr eventuell verschlechter oder gar erneut zum Ausbruch kommt). Es ist m.E. auch Widersinnig einen Menschen, der sich bewusst dafür entschieden hat, Deutschland zu verlassen auf diesem Wege wieder zurück zu holen.

2.a. Bzgl. "Nach Deutschland zurück zu kehren" stellt sich doch auch die Frage der Verhältnismäßigkeit. Gerade, wenn der Betroffene in einem sozialen Umfeld ist (zb. Freunde, Familie, Freund/Freundin, Partner/Partnerin, Kind). Ich finde es ziemlich krass (Entschuldigung für den Ausdruck) das hier die Gerichte nicht weitergedacht haben und stattdessen mit der Holzhammermethode gearbeitet wird. Es ist doch sehr zu bezweifeln, das dies die beste sozialverträgliche Methode ist, die den wenigsten Eingriff in das Leben des Betroffenen darstellt.

  1. Besonders Kritisch sehe ich, das dies ein gravierender Eingriff in die Freizügigkeit (nicht alleine und aussließlich nur nach bundesdeutschen Recht) darstellt, selbst aus freien Willen zu entscheiden, wo man sein Leben verbringen möchte. ... natürlich darf man dagegenhalten, das dieses Recht nicht damit nicht angetastet würde, aber ich sehe das anders: Denn folgt man dieser Argumentation sagt man damit eigentlich für Betroffene doch nichts anderes: Gehst du ins Ausland, muss Du erhebliche Nachteile in Kauf nehmen und erhälst keine ergänzende Grundsicherung mehr. In der Folge käme man fast zwangsweise im Ausland in eine Notsituation. Und aufgrund dieser Notsituation müsste man wieder zurück nach Deutschland. ... Oder auch mit anderen Worten ausgedrückt: Der Betroffene ist auf Gedeih und Verderb in Deutschland festgenagelt.

3.a. Ich sehe zudem auch noch eine Ungleichbehandlung: Die ergänzende Grundsicherung doch eigentlich nur die Rente auf das gesetzlichen Minimalanspruch aufstocken. Andere Rentner, die keine ergänzende Grundsicherung erhalten, sind da also klar im Vorteil und müssen solche Nachteile nicht befürchten und können ins Ausland gehen, ohne gleich befürchten zu müssen, das Ihnen Leistungen versagt werden (im schlimmsten Fall gäbe es einen "Anpassung" gemessen an den minimalen Lebensstandard des entsprechenden Aufenthaltslandes).

Ich hoffe, ich konnte meine Gedankengänge diesbezüglich einigermaßen Verständlich darlegen und würde mich über eine Antwort freuen.

Mit besten Grüßen J.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
05.11.2018, 10:31 Uhr

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr J. Sie eröffnen hier im Grunde eine rechtspolitische Diskussion, ob man Steuergelder aus Deutschland durch Grundsicherungszahlung an Deutsche ins Ausland transferieren sollte oder nicht. Ich denke, man kann hier geteilter Ansicht sein und vermute, dass die Mehrheit der Steuerzahler die restriktive Gesetzgebung und Rechtsprechung befürwortet. Es spricht sicher nichts dagegen, eigene, beitragsfinanzierte Versicherungsleistungen mit ins Ausland zu nehmen, von der Gemeinschaft der deutschen Steuerzahler allerdings Geldleistungen ins Ausland zu zahlen, ist fragwürdig. Innerhalb Deutschlands bleibt das Steuergeld so immerhin im Deutschen Wirtschaftskreislauf, andernfalls würde wohl eine nicht unerhebliche Anzahl von Grundsicherungsempfängern ihren Lebensmittelpunkt ins (günstigere) Ausland verlegen und so das Steuergeld sicherlich schnell in Millionenhöhe in fremde Wirtschaftskreisläufe abfließen. Dass das nicht im großen Stile gewünscht ist, kann ich verstehen und ist wohl auch HIntergrund dieser Rechts- und Rechtsprechungslage.

G.
27.02.2019, 14:49 Uhr

Hallo, ich finde es grundsätzlich richtig, dass Sozialleistungen nicht "ins Ausland" gezahlt werden. Also Urlaube auf Staatskosten über 4 Wochen hinaus, wären meiner Meinung nach Luxus. Ich kenne jedoch den Fall eines älteren Ehepaars. Die Frau erhält SGB II Leistungen und der Ehemann (an Lungenkrebs erkrankt Stadium 4) erhält aus diesem Grund Grundsicherung. Der Ehemann hat lange in Kanada gelebt und gearbeitet und erhält eine deutsche und kanadische Rente. Er ist in Kanada auch über eine kanadische Krankenversicherung versichert. Da er in Deutschland austherapiert war, nahm er die Chance auf eine Behandlung (von seiner kanad. KV bezahlt) in Kanada war. Dort musste er logischerweise mehr als 4 Wochen bleiben, da er stationär in einer Klinik war. Die Grundsicherung endete nun, da der 29. Tag vorbei war und § 24 SGB XII greift nicht, da er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Ausland hat, sondern in Deutschland mit seiner Frau. Er hatte einen ergänzenden Anspruch von rund 155 €. Jetzt suche ich Präzedenzurteile um dem Ehepaar zu helfen, dass die Grundsicherung für den Zeitraum 19.05. bis 10.09. gezahlt werden kann. Ein Überprüfungsantrag beim Job-Center wird gestellt, damit die Ehefrau den Betrag als KdU bekommt. Hätte der Ehemann sich in Deutschland behandeln lassen, wären der KK viel höhere Kosten entstanden. Die Kosten für den Flug wurden auch von dem Ehepaar selbst getragen. Der Mann lebt noch und ist deutlich gebessert - geheilt kann er nicht mehr werden. Aber er hatte und hat jetzt noch länger Lebensqualität. Im übrigen sind beide Deutsche, nicht Kanadier.


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Veröffentlicht am

21.08.2011

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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