Das Bundessozialgericht hat in einer aktuellen Entscheidung seine Auffassung bestätigt, dass Einnahmen, die selbstständig Erwerbstätigen während des Elterngeldbezuges aus Tätigkeiten vor dem Elterngeldbezug zufließen, auf das Elterngeld anzurechnen sind. Auch der Gesetzgeber ist dieser Auffassung. Dies ist nicht nachvollziehbar, die Entscheidung für das strengen "Zuflussprinzip" bei Selbständigen sozial unausgewogen.

Der Kläger war vor der Geburt seines Sohnes als Unternehmensberater selbstständig . Im ersten Monat nach der Geburt seines Sohnes im Juli 2010 gingen auf seinem Konto Beträge aus getätigten Beratungsleistungen in Höhe von ca. 13.000 Euro ein. Diese Leistungen hatte der Kläger allesamt vor der Geburt seines Sohnes erbracht.

Als er Elterngeld beantragte, bewilligte der beklagte Freistaat Bayern dieses zunächst nur in Höhe des Minimalsatzes von 300 Euro. Nachdem dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde, erhob er Klage vor dem zuständigen Sozialgericht sowie dem Landessozialgericht.

Obwohl das Bundessozialgericht bereits in anderen Entscheidungen, zuletzt durch Urteil vom 05.04.2012 (siehe Artikel vom 08.08.2012), entschieden hatte, dass eine volle Einkommensanrechnung stattfinden müsse, entschieden sich die Vorinstanzen ausdrücklich dafür, eine solche Anrechnung gerade nicht bzw. nur teilweise vorzunehmen.

Dennoch hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 29.08.2012 seine Auffassung bestätigt. Danach gelte für Selbständige das steuerrechtliche Zuflussprinzip. Danach komme es nur darauf an, welche Zahlungen im maßgeblichen Zeitraum zugeflossen seien. Hierfür hat das Gericht im Wesentlichen gesetzessystematische Gründe sowie Gründe der Praktikabilität angeführt. Diese überzeugen jedoch nicht.

Die Rechtsprechung ist sozial unausgewogen. Sie belastet in einem nicht zu akzeptierendem Maße Selbstständige, denen durch die Kinderbetreuung genauso Einnahmeausfälle entstehen, deren Ausgleich als sozialpolitischer Sinn des Elterngelds angesehen werden kann. Es kann nicht auf den zufälligen Zeitpunkt ankommen, in dem die Entgelte zufließen. Denn tatsächlich kommt es nur zu einer zeitlichen Verschiebung der Einnahmen. Für die Zeit der Kindesbetreuung sind gerade keine Entgelte zu erwarten, was sich jedoch erst später bemerkbar macht. Überdies wiegt dieser Ausfall bei Selbstständigen wesentlich schwerer, als keine Entgeltfortzahlungsansprüche bestehen („Kein Lohn ohne Arbeit“).

Umso erstaunlicher und offensichtlich dem Sparen geschuldet ist die aktuelle Gesetzesänderung der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP. Der GEsetzgeber hat in § 2 Abs. 3 BEEG das Elterngeldrecht verschärft und das strenge Zuflussprinzip für Selbständige nun auch im Gesetz verankert. Der Gesetzgeber macht keinen Hehl aus dieser Verschlechterung und schrieb in die Gesetzesbegründung, dass „zufließendes Einkommen, das [...] im Bemessungszeitraum erwirtschaftet wurde, […] als Einkommen während der Bezugszeit elterngeldmindernd zu berücksichtigen ist“.

Dieser Regelung sollte der Gesetzgeber möglichst bald durch eine Änderung entgegentreten. Sie verkennt die Problemstellungen von Selbstständigen in unserer Gesellschaft und führt im Ergebnis dazu, dass der Sinn und Zweck des Elterngeldes nicht erreicht werden kann.


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Veröffentlicht am

07.12.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

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