Das Bundessozialgericht in Kassel hat in einem aktuellen Verfahren entschieden, dass ein besonderes Interesse an einer rückwirkenden Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) bestehen kann. Für ein solches Interesse ist der Antragsteller jedoch in erhöhtem Maße darlegungs- und beweispflichtig.
Der Kläger beantragte erstmals im Jahr 2002 die Feststellung eines GdB für die Zeit ab dem 4.1.1998. Zur Begründung erklärte er, er habe ein besonderes Interesse an der rückwirkenden Feststellung und führte als Begründung eine mögliche Rentenantragstellung wegen Schwerbehinderung zum 60. Lebensjahr sowie mögliche Steuervergünstigungen auf.
Das Gericht hatte zunächst zu klären, ab welchem Zeitpunkt von einer Feststellung des GdB grundsätzlich ausgegangen werden kann. Hinreichende Maßgaben zur Bestimmung des Wirksamkeitsbeginns ließen sich nach Auffassung der Bundesrichter aus dem Sinn und Zweck solcher Feststellungen und dem Erfordernis einer Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwandes herleiten. Dabei sei davon auszugehen, dass es sich um Statusfeststellungen handele, die in einer Vielzahl von Lebensbereichen die Inanspruchnahme von Vorteilen und Nachteilsausgleichen ermöglichen sollen. Da eine derartige Inanspruchnahme regelmäßig nicht für längere Zeit rückwirkend möglich sei, reiche es grundsätzlich aus, wenn die GdB-Feststellung für die Zeit ab Antragstellung erfolgt. Mit der Stellung des Antrags bringe nämlich der behinderte Mensch der Behörde gegenüber sein Interesse an einer verbindlichen Feststellung erstmalig zum Ausdruck. Insofern sei es auch angemessen, von dem behinderten Menschen die Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses zu verlangen, wenn er seinen GdB ausnahmsweise schon für einen vor der Antragstellung liegenden Zeitraum festgestellt haben möchte.
Zur Eingrenzung des Begriffs des besonderen Interesses, wie er auch in einigen Gesetzen Niederschlag gefunden hat, legten die Richter ähnliche Maßstäbe zugrunde wie beim Anspruch eines im Ausland lebenden Menschen mit Behinderung auf Feststellung seines GdB in Deutschland. Im Ergebnis sei danach das besondere Interesse anzunehmen, wenn dem Menschen mit Behinderung aus der rückwirkenden Feststellung seines GdB konkrete Vorteile erwachsen könnten.
Unter welchen tatsächlichen Umständen ein besonderes Interesse an der rückwirkenden GdB-Feststellung angenommen werden könne, werde schließlich durch den Begriff der Glaubhaftmachung bestimmt. Insoweit reiche die bloße Behauptung des Antragstellers, Steuervorteile in Anspruch nehmen zu wollen, nicht aus, um ein besonderes Interesse als glaubhaft gemacht anzusehen. Vielmehr sei damit gemeint, dass dem Antragsteller die Verpflichtung auferlegt sei, alle notwendigen Tatsachen darzulegen und alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
Sollten Sie weitere Fragen zur rückwirkenden Feststellung des GdB haben, kontaktieren Sie mich gerne. Wichtig ist hierbei, dass Sie die notwendigen Unterlagen der Glaubhaftmachung auch beibringen können.
Bundessozialgericht, Urteil vom 16.02.2012.
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Veröffentlicht am
23.07.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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22.06.2018, 14:57 Uhr
Seit 01.01.2018 ist in § 152 Absatz 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch 9 die gesetzliche Grundlage zur rückwirkenden Feststellung geschaffen. Hier ist auch § 208 Absatz 3 Sozialgesetzbuch 9 von Bedeutung, dieser lautet derzeit: