Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass in Gerichtsverfahren zur Feststellung des Grades der Behinderung Prozesskostenhilfe nicht unter Hinweis auf das Einkommen des Ehegatten verweigert werden darf.

Münzen auf Aushilfslohn

In dem entschiedenen Fall war streitig, ob die Klägerin, die nicht in der Lage war, die Anwaltskosten selbst zu bezahlen, Prozesskostenhilfe erhalten sollte oder auch das Einkommen ihres Ehemannes berücksichtigt werden sollte.

Das Gericht stellte klar, dass ein sog. "Prozesskostenvorschuss" nach § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB vom Ehepartner nur verlangt werden kann, "soweit dies der Billigkeit entspricht."

Im Verfahren zur Feststellung des Grades der Behinderung (z.B. zur Erlangung eines Schwerbehindertenausweises) wäre es jedoch "unbillig, der Klägerin unter Berücksichtigung eines derartigen Anspruchs gegen ihren Ehemann Prozesskostenhilfe zu verweigern."

Weiter führte das Gericht aus: "Der Grundsatz, dass Familiensolidarität, d.h. die gegenseitige Einstandspflicht von Ehegatten, der staatlichen Fürsorge, hier in Form der Finanzierung eines Rechtsstreit, vorgeht, mag für den typischen Fall, dass ein Ehegatte Ansprüche verfolgt, die ihre Wurzel in der Lebensgemeinschaft der Eheleute haben, seine Rechtfertigung finden. Im Gegensatz dazu begehrt die schwerbehinderte Klägerin die Feststellung eines höheren als ihr von dem Beklagten zugestandenen Grades der Behinderung, um hiermit ihrem höchstpersönlichen Recht auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft Geltung zu verschaffen. Es widerspräche dem aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes, der bedürftigen Klägerin die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung, für die nach der Ansicht des für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Sozialgerichts hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, zu erschweren, indem sie von der Geltendmachung und (unter Umständen die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erfordernden) Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen ihren Ehemann abhängig gemacht würde, statt der Klägerin die erforderliche Hilfe der staatlichen Gemeinschaft zu gewähren."

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Veröffentlicht am

15.07.2015

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Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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