Das Sozialgericht Ulm hat entschieden (Urteil vom 26.03.2009, Az.: S 10 U 4096/07), dass ein Schlaganfall, der auf eine betriebsbedingte psychische Ausnahmesituation zurückzuführen ist (Dienstbesprechung), als Arbeitsunfall anzuerkennen sein kann, wenn beim Versicherten keine nennenswerten Vorschädigungen bekannt sind, auch wenn ein Schlaganfall grundsätzlich ein allgemeines Lebensrisiko darstellt.

In dem entschiedenen Fall ging es um den Schlaganfall eines Arbeitnehmers bei einer Dienstbesprechung. Am 06.06.2006 fand in den Geschäftsräumen der Fa. G. eine Besprechung statt, deren Ablauf im einzelnen streitig war. Dem Grunde nach ging es um einen für die wichtigen Auftrag. Während dieser Besprechung gähnte der Kläger plötzlich sehr intensiv und rutschte unmittelbar danach bewusstlos von seinem Stuhl. Der herbeigerufene Notarzt verbrachte den Kläger in das Klinikum I.. Dort wurde beim Kläger ein Schlaganfall diagnostiziert. Dieser hatte eine armbetonte halbseitige Lähmung rechts sowie einen Sprachverlust zur Folge. Thrombosen in der Herzgegend konnten als Ursache des Schlaganfalls ausgeschlossen werden.

Die Ehefrau des Klägers zeigte das Geschehen bei der Unfallversicherung an und bat um die Anerkennung als Arbeitsunfall. Die Unfallversicherung lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Unfälle seien zeitlich begrenzte auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen. Ein Schlaganfall trete jedoch aus innerer Ursache auf. Auch ein Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Einer darauf folgenden Klage des Geschädigten gab das Sozialgericht statt. Es führte aus, nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII seien Unfälle "zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen". Wesentlich für den Begriff des Unfalls seien somit ein („äußeres“) Ereignis als Ursache und ein Gesundheitsschaden als Wirkung.

Ein Gesundheitsschaden könne zum einen verursacht sein durch körperlich gegenständliche Einwirkungen, zum anderen aber auch durch geistig-seelische Einwirkung in einem begrenzten Zeitraum, d.h. innerhalb einer Arbeitsschicht. So würden in der Rechtsprechung z. B., schwere belastende betriebliche Auseinandersetzungen, depressives Versagen nach einem ernsthaftem Streit mit einem Vorgesetzten, ein erheblicher Schreck, psychische Belastungen durch eine Zeugenbefragung, eine akute Stresssituation durch unvorbereitetes Halten eines Vortrags oder ein Personalgespräch mit Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen als derartige geistig-seelische Einwirkungen angesehen.

Das Gericht war überzeugt davon, dass der Kläger während der Dienstbesprechung einer derartigen geistig-seelischen Einwirkung, im Sinne einer psychischen Ausnahme- bzw. Belastungssituation, ausgesetzt gewesen war. Die Zeugen der Besprechung hätten übereinstimmend ausgesagt, dass der Kläger kurz zuvor einen Auftrag in einem Volumen von ca. 400.000 € für die Firma G. akquiriert habe. Die Firma habe kurz vor der Insolvenz gestanden und sich von einen in den anderen Tag gerettet. Der Kläger sei einer der hauptverantwortlichen Personen für diesen Auftrag gewesen.

Entweder sei nun - dies ließ sich nicht vollständig aufklären - kurz vor der Besprechung der Großauftrag storniert worden oder der Kläger im Rahmen der Besprechung durch die Geschäftsführung massiv verbal attackiert worden. Auf jeden Fall habe es sich bei der Besprechung nicht um eine normale Belastungssituation gehandelt. Die Existenz des Betriebs und die Arbeitsplätze der Beschäftigten hätten auf dem Spiel gestanden. Dass entweder die Stornierung des Auftrags oder die Besprechung hinsichtlich der Risiken des Auftrags eine extreme psychische Belastungssituation für den Kläger gewesen sei, war für das Gericht offensichtlich.

Eine stark ausgeprägte Schadensanlage oder Vorerkrankung, wie z.B. eine schwere Herzerkrankung, die zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko führen würde, habe beim Kläger nicht bestanden. Insbesondere hätten im Rahmen des Krankenhausaufenthalts keine kardialen Thromben als Ursache des Schlaganfalls ausgeschlossen werden können.Der Klage des Geschädigten auf Anerkennung des Arbeitsunfalls sei somit insgesamt stattzugeben gewesen.

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Veröffentlicht am

29.05.2009

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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