Das Bundessozialgericht hat bereits im Jahr 1979 entschieden, dass das Gericht einen Sachverständigen auf Antrag einer Partei zwingend laden muss, wenn diese dem Sachverständigen in Ausübung ihres prozessualen Fragerechts sachdienliche Fragen stellen will.
Der Kläger ist selbstständiger Landwirt. Sein Begehren nach Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Netzhautablösung, die er auf Arbeiten in seinem Stall zurückführt, ist ohne Erfolg geblieben.
Das Landessozialgericht hatte zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der im Frühjahr 1974 aufgetretenen Augenerkrankung des Klägers und den von ihm am 14. Januar 1974 verrichteten landwirtschaftlichen Arbeiten nicht bestehe. Dazu berief sich das Gericht auf ein Gutachten, nachdem die bei dem Kläger im März 1974 festgestellte Netzhautablösung die Folge einer anlagebedingten Augenerkrankung beider Augen sei.
In der Revision wendete der Kläger ein, das Gericht habe sein Recht auf rechtliches Gehör missachtet. Er habe mehrfach beantragt, die Sachverständige zur Erläuterung ihres Gutachtens zu laden. Dazu habe er im Einzelnen angegeben, welche Fragen er ihr zu stellen beabsichtige. Überdies wäre die Einholung eines weiteren Gutachtens unter Beiziehung aller Krankenunterlagen geboten gewesen.
Das Bundessozialgericht gab dem Kläger recht: Gem. § 118 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz in Verbindung mit § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung könne das Gericht, das ein schriftliches Gutachten eingeholt habe, das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Sofern das Gericht den Sachverständigen nicht von sich aus lade, müsse es dies auf Antrag einer Partei tun, die an den Sachverständigen zur Ergänzung des Gutachtens sachdienliche Fragen richten will. Das Gericht dürfe den Antrag ablehnen, wenn er offensichtlich nur zum Zwecke der Prozessverschleppung oder sonst missbräuchlich gestellt werde oder der Antrag nicht erkennen ließe, welche der Aufklärung des Sachverhalts objektiv dienliche Fragen an den Sachverständigen gestellt werden sollen. Die Ausübung des Fragerechts sei Ausfluss des Rechts der Beteiligten auf rechtliches Gehör. In der unberechtigten Ablehnung des Antrags läge jedoch ein wesentlicher Verfahrensmangel.
Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhte – da die Beantwortung der Fragen durch die Sachverständige möglicherweise zu einem anderen Urteil geführt hätten – musste das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben werden.
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Veröffentlicht am
11.03.2015
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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