Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung eine Absenkung der Altersrente (hier: für schwerbehinderte Menschen) zur Folge hatte.

In dem entschiedenen Fall hatte ein 1947 geborene Kläger ab 01.09.2008 zunächst eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 709,13 € monatlich bezogen. Die Rente war mit Abschlägen verbunden, weil er diese anderthalb Jahre eher in Anspruch genommen hatte. Auf einen Widerspruch des Klägers wurde außerdem für die Zeit von Juni 2007 bis August 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt.

Mit einem weiteren Bescheid setzte die Deutsche Rentenversicherung die Altersrente für schwer behinderte Menschen sodann ab Dezember 2010 neu fest und verringerte diese auf 693,91 € monatlich. Hiergegen erhob der Rentner Widerspruch und anschließend Klage. Sowohl das Widerspruchsverfahren als auch das Klageverfahren und ein anschließendes Berufungsverfahren verlor der Rentner.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg stellte fest, dass wenn nach bereits erfolgter Bewilligung eine Altersrente für die Zeit vor Beginn dieser Altersrente eine Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt wird, die Altersrente neu festgestellt werden kann. Durch die rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung verändere sich der sogenannte "Zugangsfaktor", der für die Rentenberechnung wichtig sei.

Der erste - günstige - Rentenbescheid hätte nach § 48 Absatz 1 Sozialgesetzbuch 10 aufgehoben werden dürfen. Denn mit der 8 Monate nach der ursprünglichen Rentenbewilligung erfolgten Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung sei nachträglich eine der Altersrente für schwer behinderte Menschen zeitlich vorausgehende Rente bewilligt worden, sodass sich die ursprünglich bewilligte Altersrente für schwer behinderte Menschen nachträglich als Folgerente darstelle. Damit stelle sich der für die zu Grunde gelegte Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 6 aber nachträglich als unzutreffend dar. In einem solchen Fall bleibe nach § 77 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 6 für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend.

Kommentar: An dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg erscheint bedenkenswert, dass die rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung hier auf einen Widerspruch des Klägers erfolgte. Für den Rentner könnte zumindest hinsichtlich des Zugangsfaktors seiner Altersrente im Widerspruchsverfahren eine sog. "Verböserung" (reformatio in peius) eingetreten sein, die grundsätzlich unzulässig ist.

TIPP: Lassen Sie sich im Zweifelsfall von der Deutschen Rentenversicherung eine Probeberechnung zu schicken, ob durch die rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung ihrer Altersrente sinkt und entscheiden Sie erst dann, ob Sie die rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgen oder darauf verzichten wollen.

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Veröffentlicht am

09.03.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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