Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Verfahren klargestellt, dass das Instanzgericht in einem rentengewährenden Urteil auch feststellen muss, wann der Versicherungsfall eingetreten ist.
Im streitigen Verfahren ging es um die Frage der Feststellung einer Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung für den Kläger, der an einer conterganbedingten Fehlbildung beider oberer Extremitäten leidet. Der Kläger hat nur extrem verkürzte Arme und nur wenige Finger, mit denen er nur sehr eingeschränkt greifen kann. Sämtliche Tätigkeiten, bei denen Greifen und Halten oder sonst ein Einsatz der Finger erforderlich ist, kann der Kläger nicht ausüben. Ihm sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen H und G zuerkannt.
Unabhängig von der Frage, inwieweit hier eine Erwerbsminderung vorliegt, hat das Gericht festgehalten, dass es in einem rentengewährenden Urteil notwendig sei, auch den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls festzustellen, wovon die Vorinstanz ohne Prüfung ausgegangen war. Dies ist umso entscheidender, als Versicherte, bei denen der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung bereits zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem die allgemeine Wartezeit des § 50 Absatz 1 Sozialgesetzbuch 6 noch nicht erfüllt war nach § 43 Absatz 6 Sozialgesetzbuch 6 - als Ausnahme zu dem im Übrigen verwirklichten Versicherungsprinzip - dann Anspruch auf eine volle Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.
Die Vorschrift ermöglicht es Versicherten, die bereits bei Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung oder vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, eine Rente zu erhalten, die auf Beiträgen beruht, die erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles der vollen Erwerbsminderung entrichtet wurden. Diese Möglichkeit wurde im Urteil des Sozialgerichts verkannt. Nach Ablauf der 20 Jahre wird der Kläger daher nach jetzigem Stand einen entsprechenden Anspruch haben.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.08.2011.
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Veröffentlicht am
06.09.2011
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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