Multiple Sklerose (MS) ist eine schwerwiegende Erkrankung des Nervensystems, die wegen ihrer Vielschichtigkeit auch die "Krankheit mit den 1000 Gesichtern" genannt wird. Entsprechend schwierig ist es in vielen Fällen, die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente festzustellen, bzw. feststellen zu lassen.
Da die Multiple Sklerose in Krankheitsschüben verläuft und der Gesundheitszustand der Betroffenen mit einer insgesamt meist progredienten Tendenz Schwankungen unterliegt, ist für die Betroffenen von besonderer Wichtigkeit, den Krankheitsverlauf und die auftretenden neurologischen Ausfälle und Begleiterscheinungen sorgfältig zu dokumentieren. Die Gutachter benötigen dringend solche Aufzeichnungen, um angemessen bewerten zu können, ob und in welchem zeitlichen Umfang die oder der Betroffene, wie es in § 43 Sozialgesetzbuch 6 (Gesetzliche Rentenversicherung) heißt, "wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande" ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein".
Kann die oder der Betroffene nach ärztlichem Gutachten noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein, spricht man von einem vollschichtigen (Rest-) Leistungsvermögen. Eine Rente wegen Erwerbsminderung scheidet dann aus. Liegt das Leistungsvermögen bei zwischen 3 bis 6 Stunden, besteht (bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen) ein Anspruch auf eine "Teil-Erwerbsminderungsrente" (amtlich: "Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung"). Liegt das Leistungsvermögen bei unter 3 Stunden, kann ein Anspruch auf "Volle Erwerbsminderungsrente" (amtlich: "Rente wegen voller Erwerbsminderung") bestehen.
Dieses im einzelnen festzustellen, ist für die ärztlichen Gutachter nicht einfach. Es kommt daher neben Befundberichten der behandelnden Haus- bzw. Fachärzte entscheidend auf die glaubhaften, detallierten Schilderungen der Krankheitsauswirkungen des Betroffenen an.
Wie das Deckblatt und die abschließende, sog. "Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung" eines solchen Gutachtens aussehen, können Sie hier sehen (Mittelteil des Gutachtens wurde entfernt).
In diesem, positiven Beispiel eines Gutachtens, in dessen Rahmen der Gutachter schlussendlich zu einer teilweisen Erwerbsminderung (Teil-Erwerbsminderungsrente) kam, werden z.B. Funktionseinschränkungen wie "Müdigkeit", "Antriebsarmut", "Vergesslichkeit", "Konzentrationsmangel", einem erheblich eingeschränkten "Auffassungsvermögen", bzw. "Durchhaltevermögen", "Gesichtsfelddefekten", "emotionaler Instabilität", "kognitiven Defiziten", dem sog. "Fatigue-Syndrom", einer starken Einschränkung der Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit, einer "Störung der Feinmotorik" usw.
Zahlreiche dieser Feststellungen basieren nicht auf "Messergebnissen", sondern überwiegend (ggf. indirekt durch ärztliche Befundberichte) auf den glaubhaften schriftlichen Aufzeichnungen und mündlichen Schilderungen der Ausfallerscheinungen des oder der Betroffenen.
Es ist daher besonders in schwierigen Fällen zur Erlangung einer Rente wegen Erwerbsminderung dringend zu empfehlen, alle mit der Krankheit verbundenen Ausfallerscheinungen über Monate, ggf. über Jahre schriftlich detailliert nach Tagesdatum und -zeit festzuhalten (Tagebuch). All diese Informationen lassen sich dann bei Bedarf in anwaltlichen Schriftsätzen, beispielsweise im Widerspruchs- oder Klageverfahren, dezidiert und in der rechtlich gebotenen Form gezielt vortragen.
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Veröffentlicht am
01.03.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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