Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in einem aktuellen Verfahren entschieden, dass der Rentenversicherungsträger seiner Hinweispflicht auf einen bestehenden Rentenanspruch nur dann genüge tut, wenn die entsprechende Information den Versicherten auch erreicht. Sendet er das Schreiben lediglich ab, hat der Rentenversicherungsträger zu beweisen, dass das Schreiben auch tatsächlich eingegangen ist. Dies dürfte ihm regelmäßig nicht gelingen. Im hier zu entscheidenden Fall bekam die Klägerin daher rückwirkend für drei Jahre eine Rente wegen Schwerbehinderung, die sie zuvor mangels Antrags nicht bekommen hatte.
Die Klägerin erfüllte seit Oktober 2005 die Voraussetzungen für den Erhalt einer Rente wegen Schwerbehinderung ab dem 60. Lebensjahr. Da sie von diesem Anspruch jedoch keine Kenntnis besaß, stellte sie keinen entsprechenden Antrag. Auf die Möglichkeit eines solchen hätte sie jedoch der Rentenversicherungsträger aufmerksam machen müssen. Der behauptete, er sei seiner Pflicht nachgekommen, indem er der Klägerin im September 2005 ein Schreiben per Post übersandt habe, in welchem er auf die Möglichkeit eines Antrags hingewiesen habe. Die Klägerin dagegen erklärte an Eides statt, dass sie dieses Schreiben nie bekommen habe und folglich keine Kenntnis von dem im Übrigen bestehenden Anspruch gehabt habe.
Das Gericht hat unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Rente ab Oktober 2005 auch rückwirkend zustehe, da der Rentenversicherungsträger seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen sei. Im Rahmen eines solchen sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch sei insbesondere die Frage zu klären, ob der Versicherte wissentlich oder "fahrlässig gegen sich selbst" gehandelt habe. Für den Fall könne er die Herstellung des sozialen Rechts nicht verlangen, weil er die entscheidende Bedingung für seinen sozialrechtlichen Nachteil selbst gesetzt habe. So liege es aber im vorliegenden Fall gerade nicht, da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Kenntnis gehabt habe oder hätte haben können.
In solchen Konstellationen sei nach den Grundsätzen der Beweislast der beklagte Rentenversicherungsträger in der Nachweispflicht. Für ein solches Hinweisschreiben bestehe insoweit weder eine Zugangsvermutung noch würden die Grundsätze des Anscheinsbeweises gelten. Im Einzelfall sei dann zu prüfen, ob ein solcher Nachweis gelingt. Dies dürfte jedoch regelmäßig - wie auch hier - nicht der Fall sein.
Hinweis: Stellt sich für Sie im Nachhinein heraus, dass Sie viel früher einen Anspruch auf Sozialleistungen gehabt hätten und sind Ihnen diese nur aufgrund eines fehlenden Antrags verwährt geblieben, so müssen Sie prüfen, ob die zuständige Stelle eine Hinweispflicht hatte, die sie verletzt hat. Ist dies der Fall, können sich für Sie erhebliche Vorteile ergeben. Kontaktieren Sie mich bei Fragen hierzu gerne.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.04.2012.
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Veröffentlicht am
27.07.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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