Vorsicht ist geboten bei privaten Unfallversicherungen. Hier droht nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen regelmäßig das Verstreichen von Invaliditätsfeststellungsfristen, weshalb die Invalidität frühzeitig ärztlich festzustellen und geltend zu machen ist. Gleichwohl, so zeigt ein Urteil des Landgerichts Dortmund, darf ein privater Unfallversicherer sich nicht immer auf den Ablauf einer solchen Frist berufen.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine "Unfall-Exklusiv-Versicherung". Vereinbart war zuletzt eine Versicherungssumme von 197.000,00 € für Unfall-Invalidität. Am 19.05.2007 erlitt der Kläger bei einem Motorradunfall eine Oberschenkelfraktur links. Er wurde bis zum 29.05.2007 stationär behandelt. Ende Mai 2007 zeigte der Kläger das Unfallereignis mit dem gängigen Formular „Schadenanzeige“ an. Die Beklagte rechnete Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld ab. Sie wies zudem daraufhin, dass Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditätsleistung nur möglich seien, wenn der Unfall innerhalb von 18 Monaten, vom Unfalltag an gerechnet, zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führen würde. Eine Invalidität müsse dann spätestens vor Ablauf weiterer 3 Monate ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden sein. Durch Vorlage eines ärztlichen Attestes innerhalb dieses Zeitraums werde die Frist gewahrt. Andernfalls würden etwaige Ansprüche ausscheiden.

Bei einer Nachsorgeuntersuchung stellte der behandelnde Arzt fest, dass dauerhafte Folgeschäden im Bereich des Oberschenkels zu erwarten seien. Hieraufhin teilte der Kläger dies der beklagten Versicherung mit. Diese machte deutlich, dass der Kläger ein entsprechendes Attest eines Arztes beibringen müsse, und schrieb:

"Bevor wir jetzt ein ausführliches, ärztliches Gutachten in Auftrag geben, bitten wir Sie, das beigefügte Invaliditätsattest vom behandelnden Arzt ausgefüllt und unterzeichnet zurückzusenden." Auf etwaige Fristen wies die Unfallversicherung dabei nicht hin.

Das von der Unfallversicherung beigefügte Invaliditätsattest wurde vom behandelnden Arzt am 13.03.2009 ausgefüllt und sodann an die Versicherung versandt. Nach Erhalt des Attestes erklärte die Versicherung in einem Antwortschreiben, sie könne sich mit den Unfallversicherungsansprüchen nun leider "nicht mehr befassen". Die Frist zur Geltendmachung der Invaliditätsansprüche sei am 19.02.2009 abgelaufen, ohne dass rechtzeitig ein Attest eingereicht worden sei.

Hiergegen wandte sich der Kläger und bekam letztlich Recht.

Die schriftliche Feststellung unfallbedingter Invalidität erfolgte zwar, so das Gericht, nicht innerhalb der Frist, die Beklagte sei jedoch nach Treu und Glauben daran gehindert, sich hierauf zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei die Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung rechtsmissbräuchlich, wenn dem Versicherer ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Rechtsfolgen der Fristversäumnis deutlich werde, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlasse. Davon könne auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend mache, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegten, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehle. Genau so liege der Fall hier. Dem Kläger war daher Recht zu geben.

Foto: © istockphoto.com/Pawel Gaul

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Veröffentlicht am

29.04.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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