Das Landgericht Dortmund hat in einer wegweisenden Entscheidung die Rechte von schwerstbehinderten Versicherten gestärkt. Es erklärte eine Klausel im Versicherungsvertrag für unwirksam, nach der eine Kostenübernahme nur für Hilfsmittel in einfacher Ausführung stattfinden könne. Eine solche Klausel benachteiligt die Versicherten in unangemessener Weise. Die Kosten für den neuen Multifunktionsrollstuhl muss daher die Versicherung tragen.
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten seit dem Jahr 2001 eine Krankheitskostenversicherung. Seit Weihnachten 2009 lag sie nach einer schweren Hirnblutung im Wachkoma. Nach Intensivbehandlung und Rehabilitation konnte sie in eine Wohngemeinschaft für schwerstpflegebedürftige Menschen umziehen. Dort wird sie von mehreren Pflegekräften versorgt. Durch die private Pflegepflichtversicherung ist eine Einstufung Pflegestufe 3 erfolgt. Da die Klägerin mit einem Tracheostoma versorgt ist, hat sie Anspruch auf eine durchgängige Beobachtungspflege. Die gesamten Pflegekosten in der Wohngemeinschaft werden von der Beklagten aus der Krankheitskostenversicherung bzw. der ebenfalls bestehenden Pflegepflichtversicherung übernommen.
Durch ärztliches Attest vom 25.07.2011 wurde der Klägerin ein neuer Rollstuhl mit Sitzsystem Kelvin sowie integrierter Anschubhilfe verordnet. Der Ehemann und gesetzlicher Betreuer der Klägerin beantragte daraufhin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für einen Rollstuhl „Canto NXT mit Kelvin-Komfortsitzelement“, der ihm für einen Preis von 12.817,53 € angeboten worden war.
Diesen hat die Klägerin selbst angeschafft, begehrt aber im Wege der Kostenerstattung von der Beklagten den vollen Preis für den genannten Rollstuhl. Diesen Antrag hat die Beklagte abgelehnt. Sie bestritt die medizinische Notwendigkeit einer Neuversorgung mit dem Hilfsmittel eines Multifunktionsrollstuhls der genannten Marke mit der entsprechenden Ausstattung. Sie bezeichnet diesen Rollstuhl als ein Luxusmodell, auf das die Klägerin keinen Anspruch habe, weil Ziffer 2.1.1 des vereinbarten Tarifs Kostenerstattung für Hilfsmittel in einfacher Ausführung vorsehe.
Hiergegen richtete sich die Klage der Klägerin vor dem zuständigen Landgericht Dortmund. Dort hatte sie vollumfassend Erfolg.
Es liege, so das Gericht in seiner überzeugenden Urteilsbegründung, eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin vor. Diese ergebe sich daraus, dass die genannte Regelung in den Versicherungsbedingungen nicht klar und verständlich sei, § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die das Gericht verweist, seien Risikobegrenzungen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nur insoweit entzogen, als sie den Kernbereich der Versicherungsleistungen beschreiben würden, ohne dessen Vorliegen ein wirksamer Vertrag nicht mehr vernünftigerweise angenommen werden könne. Einer Kontrolle zugänglich seien dagegen Klauseln, die nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Zweck das vom Versicherer gegebene Hauptleistungsversprechen lediglich einschränkten, veränderten, ausgestalteten oder sonst modifizierten. Um eine solche Bestimmung handele es sich hier.
Das Hilfsmittel sei zudem geeignet, aber auch erforderlich, um den Beschwerden der Klägerin hinreichend Rechnung zu tragen.
Die weiteren Ausführungen der Kammer sind in tatsächlicher Hinsicht nicht von Belang, bei Fragen kontaktieren Sie mich aber gerne.
Das Urteil ist rechtskräftig.
291112
Kommentare
Kommentar schreiben
Veröffentlicht am
16.08.2013
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
Hinweis
Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.
Urheber
© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)
Seien Sie die erste Person, die einen Kommentar zu diesem Artikel abgibt.