Der Bundesgerichtshof hat kürzlich entschieden, dass ein Versicherer im Rahmen eines Tarifwechsels des Versicherten einen Leistungsausschluss nur in Grenzen vornehmen darf. Bei einem Wechsel von einem Tarif mit absolutem Selbstbehalt in einen Tarif mit behandlungsbezogenem Selbstbehalt kann der Versicherer einen Leistungsausschluss nur verlangen, soweit der behandlungsbezogene Selbstbehalt den absoluten Selbstbehalt nicht ausschöpft.

Der Kläger unterhielt bei der beklagten Versicherung einen privaten Krankenversicherungsvertrag, der einen jährlichen Selbstbehalt von 2.300 € für ambulante Leistungen vorsah. Der monatliche Gesamtbeitrag für den Krankenversicherungsvertrag lag zuletzt bei 349,51 €. Nachdem er diesen Tarif bereits einige Jahre unterhalten hatte, beantragte er einen Wechsel in den Tarif "ECONOMY". Dieser sah einen deutlich geringeren monatlichen Gesamtbeitrag von 163,92 € und verschiedene behandlungsbezogene Selbstbehalte vor. Im Wesentlichen sollte der Kläger 10 € je Behandlungstag und Behandler, Arznei- und Verbandmittel selbst tragen. Dem Antrag musste der Kläger eine Erklärung beifügen, wonach der Versicherer einen Leistungsausschluss für Mehrleistungen verlangen durfte, soweit die Leistungen im neuen Tarif höher oder umfassender seien als in dem bisherigen. Ausdrücklich wurde dabei genannt, dass der Wegfall einer Selbstbeteiligung eine solche Mehrleistung darstelle. Zugleich wurde ein Leistungsausschluss von 2.300 € vereinbart, der dem jährlichen Selbstbehalt im alten Tarif entsprach.

Hiergegen wandte sich der Kläger und begehrte die Feststellung der Unwirksamkeit dieses Leistungsausschlusses.

Nachdem der Kläger vor dem Amtsgericht Erfolg hatte, jedoch vor dem Landgericht unterlag, hatte nunmehr der Bundesgerichtshof diese Frage zu entscheiden. Dieser gab dem Kläger in seiner Entscheidung Recht.

Dem Kläger stehe, so die Bundesrichter, gegen die beklagte Versicherung ein Anspruch auf Tarifwechsel gemäß § 204 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zu. Bestehe ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf einen solchen Tarifwechsel, so könne der Versicherer, soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender seien als in dem bisherigen Tarif, für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag erheben. Zutreffend sei daher, dass der Wegfall eines absoluten Selbstbehalts eine Mehrleistung im Sinne dieser Vorschrift darstelle.

Nicht hinreichend beachtet habe die Vorinstanz jedoch, dass der Versicherer nach dem Gesetz für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss nur verlangen könne, wenn und soweit die Leistungen in dem Zieltarif höher oder umfassender seien als in dem Herkunftstarif. Auch wenn die Selbstbeteiligung in Form eines absoluten jährlichen Betrages sowie die behandlungsbezogene Selbstbeteiligung mit einem bestimmten Betrag pro in Anspruch genommener ärztlicher Leistung unterschiedlich ausgestaltet seien, stellten beide doch Formen der Selbstbeteiligung des Klägers an den angefallenen Kosten dar. Es liege daher keine umfassende Mehrleistung im Sinne des Versicherungsvertragsgesetze vor. Vielmehr komme allenfalls eine teilweise Mehrleistung in Betracht, soweit die Summe der behandlungsbezogenen Selbstbeteiligungen pro Kalenderjahr nicht den Betrag von 2.300 € erreicht. Nur "soweit" seien die Leistungen in dem Zieltarif "ECONOMY" höher oder umfassender als in dem bisherigen Tarif des Klägers. Nur insoweit sei daher ein Leistungsausschluss zulässig. Ein doppelter Abzug beim Selbstbehalt, der zu einer Schlechterstellung des Klägers gegenüber anderen Versicherungsnehmern sowohl im Herkunfts- als auch im Zieltarif führe, sei hingegen unzulässig.

Kommentar: Dem Urteil ist zuzustimmen. Alle anderen Auslegungen würden den Kläger über Gebühr belasten, sodass letztlich der Anspruch auf einen Tarifwechsel leerliefe, weil er mit wesentlichen Nachteilen verbunden wäre. Kontaktieren Sie mich gerne in Ihrem Fall des Leistungsausschlusses.

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Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
27.02.2018, 11:36 Uhr

Nachtrag für Kollegen: Eine Legaldefinition des Begriffes des gleichartigen Versicherungsschutzes, die auch im Rahmen des § 204 Abs. 1 VVG Beachtung zu finden hat, enthält § 12 der Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Altersrückstellung in der privaten Krankenversicherung (kurz: Krankenversicherungsaufsichtsverordnung). OLG Dresden, Urteil vom 01. September 2016 – 41 U 36/16 –, Rn. 28 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. März 2007, Az.: 6 C 26/06, Rdnr. 24, 25). Bei der Prämienberechnung für den Zieltarif, in den gewechselt werden soll, muss § 10 KVAV beachtet werden, der Versicherer darf das Angebot für den Zieltarif also nicht abweichend von den sonst üblichen Berechnungsmethoden zu hoch ansetzen. Denn es mag Versicherer geben, die auf diese Weise den Wechsel für den Versicherten "unattraktiv" machen. Im Zweifelsfall sollte man den Versicherer auffordern, die Grundlagen der Prämienkalkulation für den neuen Tarif offen zu legen und die ermittelte Beitragshöhe anhand dessen nochmal zu überprüfen.


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Veröffentlicht am

17.12.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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