Das Landgericht Dortmund hat in einem aktuellen Verfahren entschieden, dass private Krankenversicherungen unter Umständen auch rückwirkend Krankentagegeld zahlen müssen, wenn eine sog. Rückwärtsversicherung abgeschlossen wurde. Hierbei kommt es maßgeblich auf die Angaben im Antragsformular an.
Die 1978 geborene Klägerin war bei der Beklagten im Basistarif privat krankenversichert. Die Parteien stritten sich darüber, zu welchem Zeitpunkt das Versicherungsverhältnis und die entsprechende Leistungspflicht der Versicherung begründet worden ist. Die Versicherung kam zustande auf Grund eines von der Versicherung so bezeichneten und im Folgenden ausgefüllten "Angebots Serviceformular" vom 02.04.2009, das ein Außendienstmitarbeiter der Beklagten entgegennahm. In dem Formular wurde die Frage nach dem Bestehen von Beschwerden, Krankheiten oder dauerhaften Gesundheitsstörungen bejaht und hierzu ein Burn-Out-Syndrom angegeben. Als Behandlung wurde eine bestehende Psychotherapie genannt. Die Frage nach dem Bestehen von Arbeitsunfähigkeit wurde ebenfalls bejaht. Zudem wurde Versicherungsschutz schon ab dem 06.03.2009, also rückwirkend, beantragt.
Daraufhin zog die Versicherung medizinische Gutachten ein und teilte der Klägerin mit, dass der gewählte Tarif zum Monatsbeitrag von 569,63 € bei ihr abgeschlossen werden könne. Unter dem 25.06.2009 erteilte die Beklagte der Klägerin Versicherungsschein für diese Tarif ohne Wartezeit ab dem 06.03.2009.
Daraufhin beantragte die Klägerin Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit. Sie könne momentan ihrer Tätigkeit als angestellte Außendienstmitarbeiterin für Medizinprodukte nicht nachkommen und begehre daher Krankengeld. Nachdem die Versicherung die entsprechenden Leistungen erst ab dem Zeitpunkt der Erteiltung des Versicherungsscheins gewährte, erhob die Klägerin Klage. Mit der Klage begehrt sie Krankentagegeld für die Zeit vom 06.03. bis 26.06.2009, nämlich 113 Tage zu jeweils 85,75 €. Insgesamt begehrte sie damit Zahlung von 9.689,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Erhebung der Klage.
Vor dem Landgericht Dortmund erhielt sie Recht.
Die Parteien hätten, so das Gericht, eine Rückwärtsversicherung geschlossen, so dass es hinsichtlich des Beginns des Versicherungsschutzes nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs der Annahmeerklärung der Beklagten in Gestalt des Versicherungsscheins vom 25.06.2009 ankomme. Zwar sei der Versicherungsvertrag erst nach dem 25.06.2009 wirksam geschlossen worden, die Parteien seien sich aber einig gewesen, dass der Versicherungsschutz wie von der Klägerin beantragt, bereits ab dem 06.03.2009 bestehen solle. Andernfalls hätte die Versicherung diese frühzeitg kundtun müssen. Dementsprechend habe die Versicherung auch den technischen Versicherungsbeginn auf den 06.03.2009 vorverlegt, so dass ab diesem Zeitpunkt Beiträge, aber auch Leistungen geschuldet seien.
Im Bereich der Versicherung nach dem Basistarif bestehe überdies kein Interesse seitens des Versicherungsnehmers, den technischen Versicherungsbeginn auf einen früheren Zeitpunkt als den formellen und materiellen Versicherungsbeginn zu legen, da Wartezeiten nicht zu beachten seien.
Hinweis: Es handelt sich um ein äußerst praxisrelevantes Urteil. Sobald die Versicherung Kenntnis von dem Wunsch einer Rückwärtsversicherung hat, muss sie dies kundtun. Andernfalls besteht auch rückwirkend ein Anspruch des Versicherten. Dieser kann ggf. zu erheblichen Nachzahlungen zu seinen Gunsten führen.
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Foto: © istockphoto.com/ Thomas Lehmann
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Veröffentlicht am
24.09.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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