Das Landgericht Dortmund hatte kürzlich über den Rücktritt einer privaten Krankenversicherung von einem Krankenversicherungsvertrag wegen Nichtangabe einer Vorerkrankung (Anpassungsstörung und leichte depressive Episode) zu entscheiden.
In dem entschiedenen Fall ging es um eine Klägerin, die bei der Beklagten privaten Krankenversicherung eine Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung abgeschlossen hatte. Den Antrag auf Abschluss der Krankenversicherung füllte sie gemeinsam mit einem Versicherungsmakler aus. Der Versicherungsmakler benutzte dabei ein PC-Programm des Krankenversicherers. Der Makler gingen mit der Klägerin das PC-Antragsformular der Krankenversicherung durch. Die Frage im Antragsformular nach ambulanten Behandlungen in den letzten 3 Jahren wurde mit "Nein" beantwortet. Als bestehende Krankheit wurde lediglich ein allergisches Asthma mit gelegentlicher Nutzung von Asthmaspray sowie als stationärer Behandlung in den letzten 5 Jahren eine Mandel-OP in einer Klinik angegeben. Die beklagte Krankenversicherung nahm den Krankenversicherungsantrag mit einem Risikozuschlag wegen der Asthmaerkrankung an.
Als die Klägerin schließlich Krankentagegeld beantragte, erkundigte sich die Versicherung bei den behandelnden Ärzten und brachte in Erfahrung, dass die Klägerin vor Abschluss des Krankenversicherungsvertrages wegen einer Anpassungsstörung und leichte depressive Episode bereits mehrfach über mehrere Wochen, nämlich einmal 35 Tage, 31 Tage, 4 Tage und 152 Tage krankgeschrieben war, teilweise auch wegen Lumboischialgie (Rückenbeschwerden). Die Versicherung erklärte deshalb den Rücktritt vom Krankenversicherungsvertrag sowie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Hiergegen erhob die versicherte Klage mit dem Ziel festzustellen, dass der Krankenversicherungsvertrag weiter fortbesteht.
Das Gericht wies die Klage ab und stellte fest, dass die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag unstreitig falsch beantwortet worden seien, da die Klägerin im Zeitraum von April 2010 bis April 2011 für mehr als 200 Tage gegen Anpassungsstörung und leichte depressive Episode, zeitweise auch wegen Lumboischialgie arbeitsunfähig krankgeschrieben war, ohne dass sie dies der Krankenversicherung angegeben hätte. Da der Versicherungsvertrag auch durch einen Makler abgeschlossen worden sei, komme es auch nicht auf die Behauptung der Klägerin an, wonach die dem Makler einen Ordner mit Unterlagen über ihre Erkrankungen übergeben haben will. Denn der Makler sei kein Versicherungsvertreter und damit auch nicht „Auge und Ohr“ der Krankenversicherung.
Auch der Einwand der Klägerin, es sei nicht ersichtlich gewesen, dass es sich bei dem Formular mit dem Gesundheitsfragen um ein Formular der Versicherung gehandelt habe, ließ das Gericht nicht gelten. Zwar würde die falsche Beantwortung von Fragen, die der Makler und nicht die Versicherung stellt, einen Rücktritt des Versicherers ausschließen. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da die Versicherung dem Makler die gesamte Technologie für die Beratung der Versicherungsnehmer mitsamt den Antragsfragen als Software zur Verfügung gestellt habe. Damit stammten die auf dem PC des Maklers dargestellten Gesundheitsfragen vom Versicherer.
Zwar sei die Belehrung über die Folgen einer Vertragsänderung im Antragsformular mangelhaft, weil sie dem Versicherten nicht deutlich machte, dass es auch bei einer Vertragsanpassung zu einem rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes und des Leistungsanspruchs kommen könne, wenn rückwirkend ein Risikoausschluss eingefügt werde. Dies helfe der Klägerin hier jedoch nicht, da entweder die Klägerin selbst oder aber der vermittelnde Makler beim Verschweigen der Vorerkrankungen arglistig gehandelt habe. Es könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die unterlassene Angabe von Krankheiten und ärztlichen Behandlungen, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 200 Tagen in den letzten zweieinhalb Jahren vor Beantragung der Krankenversicherung geführt hätten, arglistig erfolgt sei, zumal die letzten 152 Tage Arbeitsunfähigkeit drei Monate vor Antragstellung geendet hätten. Auch wenn die psychische Erkrankung und die Arbeitsunfähigkeit aus einem Mobbing am Arbeitsplatz herrührten, sei dies keine ausreichende Entschuldigung für das Verschweigen.
Hinweis: Ob man sich gegen die Anfechtung oder den Rücktritt einer Versicherung erfolgreich juristisch wehren werden kann, muss in jedem Einzelfall gründlich geprüft werden. Die Nichtangabe von Krankschreibungen über einen Zeitraum von mehr als 200 Tagen war hier schon eklatant. In anderen Fällen kann Anderes gelten. Bei Fragen zu diesem Themenkreis kontaktieren Sie mich gerne. 14313
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Veröffentlicht am
31.07.2013
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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06.04.2015, 02:59 Uhr
Grüss Gott!
Ich hatte im November 2014 eine Krankenzusatzversicherung abgeschlossen. Habe Vorerkrankungen angegeben, jedoch wirklich vergessen eine OP vom 2009 und eine beschwerdefreie Eiltercyste anzugeben; bezüglich der Eiltercyste(seit Ende 2013) bin ich beim Gynäkologen in Observation ( zuerst Hormonbehandlung, dann rückgängig). Bei der letzten Kontrolle im März stellte dieser fest, dass die Zyste gewachsen ist und ich sollte mich bei dieser Größe (auch keine Beschwerden) endoskopisch operieren lassen. Nun meine Frage: ich habe ein bißchen bedenken, dass die Versicherung den Vertrag kündigt. Es ist absollut keine arglistige Verschweigung im meinem Sinne. Oder soll ich besser die Leistung nicht in Anspruch nehmen, d.h. lieber in der Allgemeinen Klassse liegen?
24.07.2015, 21:34 Uhr
Sehr geehrter Herr Köper,
wäre es auch arglistige Täuschung, wenn ich eine Psychotherapie mit 18 Sitzungen bei Antragsstellung verschweige und dann beispielsweise nach 4 Jahren wegen etwas anderem, bsp. eines Knöchelbruchs behandelt werde? Darf die Versicherung überhaupt wegen eines Knöchelbruchs nach Psychotherapien fragen? Herzliche Grüße
19.04.2018, 15:16 Uhr
Das bedeutet: Wenn man vergessen hat, eine Erkrankung anzugeben, muss man dies im Rahmen eines Gerichtsprozesses dem Gericht schon überzeugend darlegen können. Bei "Anfechtungsprozessen" kommt dabei der persönlichen Anhörung der Partei ein besonderes Gewicht zu. Wer z.B. Erkrankung A, nicht aber Erkrankung B angegeben hat, muss plausibel erklären können, warum die Erkrankung B nicht mehr bewusst war. Häufig ist es jedoch so, dass die Versicherer Vorerkrankungen zum Anlass von Anfechtungen nehmen, die sich aus der Patientenakte, bzw. den Behandlungsunterlagen, insbesondere der "Karteikarte" eines Arztes stammen. Da das menschliche Gehirn jedoch nicht wie eine Karteikarte funktioniert, kommt es häufig vor, dass man sich an Arztbesuche, die z.B. Jahre zurückliegen, bei Antragstellung nicht mehr erinnert, zumal die Patienten ohne explizites Auskunftsgesuch die praxisinternen Karteikarteneinträge und dort notierten "Diagnosen" nie zu Gesicht bekommen. Erzählen man beispielsweise dem Arzt von beruflichem Stress und Sorgen, kann der Arzt dies zum Anlass nehmen, zu notieren: "Diagnose: Z.73 Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" (übrigens eine dem Wortlaut nach vollkommen nichtssagende Diagnose). Hat man dies nicht angegeben, freut sich der Versicherer und erklärt ggf. die Anfechtung, den Rücktritt oder die Kündigung oder alles gleichzeitig. Es gilt dann, die Aktenlage und Vorwürfe genau zu prüfen und ggf. im Einzelnen zu widerlegen.
11.02.2022, 15:29 Uhr
Lieber Herr Köper, ich habe jetzt zweimal mit einem Therapeuten über Psychotherapie gesprochen, weil der Jahreswechsel mit Covid nicht so toll verlaufen ist. Das bedeutet zwei Stunden. Ich habe entschieden keine Psychotherapie zu machen, weil mir das letztlich übertrieben schien und der Covid Winter ja auch mal vorbei geht. Nun muss der Therapeut diese zwei Stunden an die Krankenkasse melden und meldet hier "Anpassungsstörungen". Meine Idee war ja eigentlich mich erstmal nur zu informieren ... Kann ich hiermit bereits Nachteile bei einer PKV haben? Viele Dank für die Auskunft!
14.02.2022, 15:16 Uhr
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag. Die klare Antwort lautet leider: Ja. Wenn Sie beim Abschluss eines neuen Versicherungsantrags in den Gesundheitsfragen gefragt werden, ob Sie untersucht oder behandelt worden sind oder gesundheitliche Beschwerden gehabt haben, müssen Sie dies angeben. Herunterspielen wird in einem solchen Fall nicht gelingen, da man schließlich nicht anlasslos einen Psychotherapeuten aufsucht. Beschwerden wird man also gehabt und geschildert haben. Andernfalls kann es Ihnen später bei einem Leistungsfall, z.B. der Beantragung von Krankentagegeld, "auf die Füße fallen". Anfechtungsfest sind private Versicherungsverträge auch bei Falschangaben erst nach Ablauf von 10 Jahren nach Vertragsschluss. Man sollte sich aber auch grundsätzlich sehr gründlich überlegen, in die PKV zu wechseln. Ich persönlich halte die PKV, so wie wir Sie jetzt kennen, für ein Auslaufmodell. Ich wünsche Ihnen alles Gute!