Das Landgericht Köln hat in einem Verfahren entschieden, dass die private Krankenversicherung einer ALS-Patientin auch diejenigen Kosten zu tragen hat, die dadurch entstehen, dass eine lebensnotwendige Beatmung auch dauerhaft überwacht werden muss. Besteht nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen eine Erstattungspflicht grundsätzlich nur für ärztliche Leistungen und wird die Überwachung durch intensivmedizinisch ausgebildete Pflegefachkräfte durchgeführt, so hält diese Beschränkung der Erstattungspflicht einer Inhaltskontrolle nicht stand.
Die Klägerin litt an amyotrophischer Lateralsklerose (ALS), einer neuromuskulären Erkrankung, aufgrund derer sie 24 Stunden täglich beatmet wurde. Da keine Möglichkeit des eigenständigen Atmens mehr bestand, bedurfte es einer dauerhaften Überwachung der Beatmung, damit es zu keinem Ausfall der Vitalfunktionen kommen konnte. Diese wurde durch intensivmedizinisch ausgebildete Fachkräfte durchgeführt, für die ein Stundenlohn von 38,00 Euro zu zahlen war. Für diese Behandlungspflege begehrte die Klägerin die Kostenübernahme in vollem Umfang.
Das zuständige Landgericht Köln hat der Klage stattgegegeben und die private Krankenversicherung dazu verurteilt, für die Vergangenheit und für die Zukunft die entprechenden Kosten zu übernehmen. Die Klägerin habe folglich einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine 24stündige häusliche Behandlungspflege aus dem zwischen den Parteien bestehenden Krankheitskostenversicherungsverhältnis.
Nach den einschlägigen Regelungen des zugrunde liegenden Vesicherungsvertrags gewähre der Versicherer im Versicherungsfall den Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlungen und sonst vereinbarte Leistungen. Ein solcher Versicherungsfall liege hier aufgrund der notwendigen Verhinderung der Verschlimmerung einer bestehenden ALS-Erkrankung vor. Das ständige Beobachten nebst gelegentlichem Absaugen von Sekret diene der Sicherstellung des Funktionierens des Beatmungsgeräts und damit der Aufrecherhaltung der Vitalfunktionen der Klägerin. Ohne die Beatmung würde die Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit versterben. Daher seien die in Rede stehenden Überwachungsmaßnahmen als medizinisch notwendige Heilbehandlungen einzuordnen. Aus denselben Gründen handele es sich auch nicht um reine Pflegemaßnahmen, die dem Leistungsversprechen der Pflegeversicherung unterfallen.
Zu klären war jedoch vordergründig, ob ein Leistungsausschluss deshalb vorliegen könnte, weil der Versicherungsvertrag nur eine Erstattungspflicht für ärztliche Leistungen vorsehe. Dies hat das Gericht verneint und in vorbildlicher Weise dargelegt, dass ein solcher Ausschluss selbst dann nicht greifen könne, wenn die erbrachten Leistungen aufgrund ihrer entsprechenden fachlichen Leistung nicht als ärztliche Leistungen im Sinne der Norm zu verstehen seien. Vielmehr wäre selbst dann ein solcher Ausschluss unter Anwendung des maßgeblichen AGB-Rechts unwirksam. Die Absicherung der Aufrechterhaltung einer lebensnotwendigen Dauerbeatmung stelle vielmehr geradezu eine Kardinalpflicht des Versicherers dar, auf deren Bestand der Versicherungsnehmer vertrauen darf. Schließlich sei davon auszugehen, dass man sich als Versicherter gerade vor dem Eintritt des Todes schützen wolle.
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Landgericht Köln, Urteil vom 06.07.2011.
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Veröffentlicht am
25.07.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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