Das Sozialgericht Augsburg hat in einem aktuellen Verfahren entschieden, dass der Anspruch von Pflegebedürftigen, die dem Grunde nach Anspruch auf Pflegegeld haben, solange ruht, wie sie sich länger als sechs Wochen in der Türkei aufhalten.
Die Klägerin und ihr Ehemann sind türkische Staatsangehörige und leben in Deutschland. Seit dem Jahr 1997 erhält die Klägerin Pflegegeld nach Pflegestufe 2 im Sinne der §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch 11. Im Jahre 2011 beantragte sie die Gewährung von Pflegegeld bei einem viermonatigen Aufenthalt in der Türkei. Dies wurde von der zuständigen Pflegekasse mit der Begründung abgelehnt, dass § 34 Sozialgesetzbuch 11 nur Leistungen vorsehe, wenn sich der Pflegebedürftige in Deutschland aufhalte. Ausnahmsweise seien darüber hinaus jedoch Leistungen denkbar, wenn der Aufenthalt nur kurzfristiger Natur ist und sechs Wochen nicht übersteigt. Hier jedoch sei diese Zeitspanne weit überschritten, sodass für die übrige Zeit die Leistungen ruhen müssten.
Diese Auffassung hat das Gericht bestätigt. Zur Begründung hat es zunächst die nationale Regelung des § 34 Sozialgesetzbuch 11 herangezogen und danach das Ruhen bejaht. Im Weiteren hat das Gericht dann geprüft, ob etwaige Vorschriften des Europarechts auf diesen Fall Anwendung finden können. Letztlich wurde dies jedoch verneint, da die Türkei zwar ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union habe, jedoch kein Mitgliedstaat sei.
Auch aus den Beschlüssen des Assoziierungsrates sowie aus dem Völkerrecht seien keine Ansprüche ableitbar. Die nationalstaatliche Regelung gelte somit, sodass ein Anspruch, der über die gesetzlich geregelten sechs Wochen hinausgeht, nicht gegeben sei.
Beachten Sie: Diese Entscheidung gilt für den Aufenthalt in der Türkei. Für Aufenthalte in innereuropäischen Ländern besteht die Möglichkeit der Fortzahlung. Wenden Sie sich bei Fragen gerne an mich.
Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 15.12.2011.
Kommentare
Kommentar schreiben
Veröffentlicht am
27.01.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
Hinweis
Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.
Urheber
© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)
21.03.2017, 18:10 Uhr
Meine Frage: Meine Schwägerin ist über meinen verstorbenen Bruder krankenversichert und lebt in der Türkei. Sie lebt von der Witwenrente und ist 75 Jahre alt. Wegen Knochenschwundes ist Sie nun auf tägliche Hilfe angewiesen. Besteht da die Möglichkeit auf Pflegehilfe, da Sie ja Witwenrente bezieht?
29.03.2017, 14:27 Uhr
Sehr geehrte Frau Y.,
wenn sich Ihre Schwägerin länger als 6 Wochen, also dauerhaft in der Türkei aufhält, können dort leider keine Leistungen der Pflegeversicherung bezogen werden, da die Türkei kein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist.
25.09.2019, 08:52 Uhr
Meine Schwester lebt schon jahrelang in der Türkei und hat die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft. Sie zahlt in Deutschland die Pflegeversicherung. Es ist doch unlogisch,dass sie jetzt, wo sie pflegebedürftig ist, keine Pflege bezahlt bekommt.
27.09.2019, 12:44 Uhr
Sehr geehrte B., der Gesetzgeber kann grundsätzlich frei entscheiden, in welche ausländischen Staaten er welche Sozialversicherungs- und Sozialleistungen zahlt. Das (ggf. ohne Rechtspflicht erfolgende freiwillige) Zahlen von Beiträgen begründet auch nicht zwangsläufig einen Anspruch, eine Versicherungsleistung mit ins Ausland nehmen zu können. Deswegen sollte man sich stets im Vorfeld informieren, welche Versicherung welche Leistung auch ins Ausland zahlt. Mir ist übrigens auch nicht bekannt, dass umgekehrt der türkische Staat vergleichbare Leistungen für seine Staatsangehörigen nach Deutschland zahlen würde. Falls Sie dazu Informationen haben, schreiben Sie hier gerne noch einmal. Die Staaten schließen über Fragen gegenseitiger Sozialleistungen für ihre Staatsbürger sogenannte Sozialversicherungsabkommen, in diesem Falle das Deutsch-Türkische Sozialversicherungsabkommen von 1964. Es handelt sich dabei um politische Entscheidungen. Hierzu noch interessante Informationen (Link Stand Sep 19). MfG RA Köper