Das Landessozialgericht Stuttgart hat in einem aktuellen Verfahren dargetan, dass einer psychisch schwer erkrankten Frau wegen des als Kind und Jugendliche erlittenen sexuellen Missbrauchs durch den mittlerweile verstorbenen Vater Versorgungsansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zustehen.

In dem Verfahren war streitig, ob die Klägerin zwischen 1965 und 1972 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) geworden ist. Der Beklagte hatte die Anerkennung bis dahin mit der Begründung abgelehnt, dass der Antrag der Klägerin erst lange Jahre nach dem angeblichen Missbrauch gestellt worden und Zeugen für sexuelle Handlungen nicht vorhanden seien

Nachdem bereits das Sozialgericht Freiburg einen solchen Anspruch bejaht hatte, bestätigte auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg den Anspruch der Klägerin auf Anerkennung einer seelischen Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer rezidivierenden depressiven Störung als Folge von vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffen ihres Vaters, der sie mehrfach sexuell missbraucht hatte. Diese Störungen waren im Vorfeld bereits medizinisch festgestellt worden.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts steht aufgrund der Aussagen der Klägerin selbst und der als Zeuginnen gehörten Mutter und Schwester fest, dass die Klägerin im genannten Zeitraum fortlaufend von ihrem Vater sexuell missbraucht worden ist. Die Klägerin habe regelmäßig im elterlichen Schlafzimmer "zum Mittagsschlaf" zum Vater ins Bett und dort sexuelle Handlungen an ihm vornehmen müssen. Ebenso stehe fest, dass der Vater der Klägerin noch in ihrem 15. Lebensjahr beim Baden die Brüste eingeseift habe. Der Vater habe den Missbrauch auch gegenüber der Mutter zugegeben, als sie ihn einmal darauf angesprochen habe.

Dass die Klägerin den Antrag auf Opferentschädigung erst im Jahr 2006 gestellt habe, obwohl sei bereits seit ihrem 19. Lebensjahr in ständiger psychiatrischer Behandlung stehe, lasse keine Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit ihrer Aussage zu. Vielmehr sei sie schwer traumatisiert gewesen und habe erst im Rahmen einer entsprechenden Therapie die insoweit bestehende Teil-Amnesie überwinden können. Auch die Aussagen der Mutter und der Schwester seien glaubwürdig, weshalb es keines Glaubwürdigkeitsgutachtens bedurfte.

Hinweis: Es ist schon sehr erstaunlich, dass es zweier Instanzgerichte bedarf, um feststellen zu lassen, dass derartige Schädigungen tatsächlich vorgenommen wurden. Dass beide Gerichte diese aber in deutlicher Weise festgestellt haben und dem Beklagten dabei zum Teil berechtigte Vorhaltungen machen, darf als Erfolg für alle Betroffenen gewertet werden. Bei Fragen wenden Sie sich bitte gerne an mich.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2011.


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Veröffentlicht am

23.03.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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