Wie das Landessozialgericht Hamburg kürzlich entschieden hat, kann eine Nachuntersuchung durch das Versorgungsamt nicht mit der Klage auf Feststellung des Grades der Behinderung verhindert werden. Auch können Merkzeichen, die ein Anwalt in der Klageschrift nicht ausdrücklich beantragt hat, im Berufungsverfahren nicht mehr erreicht werden; eine Klageerweiterung ist dann nicht mehr möglich.
Die Klägerin beantragte Ende Dezember 2009 die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) sowie der Merkzeichen "G" und "Rf".
Das Versorgungsamt Hamburg stellte einen GdB von 30 fest. Dabei berücksichtigte es eine psychische Störung mit einem Teil GdB von 20, einer Fibromyalgie sowie eines Fuß- und Knieleidens ebenfalls mit einem Teil GdB von 20. Die Merkzeichen wurden hingegen abgelehnt, da hierfür ein GdB von mindestens 50 erforderlich sei.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie stimmte der Einschätzung hinsichtlich der psychischen Störung mit einem Teil-GdB von 20 zwar zu, sah jedoch ihre Leiden im orthopädischen Bereich zu gering bewertet.
Das Versorgungsamt Hamburg wies den Widerspruch zurück.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Hamburg, mit der sie ausdrücklich begehrte, bei ihr einen GdB von mindestens 80 festzustellen.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 erkannte das Versorgungsamt Hamburg nach deren sozialmedizinischer Auswertung einen GdB von 60 an. Eine Nachprüfung wurde dabei für Dezember 2012 vorgesehen.
Die beiden vom Sozialgericht in Auftrag gegebenen Gutachten kamen ebenfalls zu einem Ergebnis eines Gesamt-GdB von 60.
Das Sozialgericht wies aus diesem Grunde die Klage ab. Durch die Mitteilung der Inaussichtnahme einer Nachuntersuchung im Bescheid vom 3. Dezember 2010 sei die Klägerin nicht beschwert. Die Vergabe des Merkzeichens "G", welches zusätzlich geltend gemacht werde, sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Die Klägerin legte daraufhin Berufung ein, mit der sie erneut einen GdB von 70, die Feststellung des Merkzeichens "G" und den Verzicht auf eine Nachuntersuchung begehrt.
Auch die Berufung wurde vom Landessozialgericht Hamburg zurückgewiesen.
Es führte dazu aus, der Bescheid des Beklagten sei in der aktuellen Fassung nicht zu beanstanden. Ein höherer GdB als 60 stehe der Klägerin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und hier vor allem mit Blick auf die Gutachten nicht zu.
Die begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung des Merkzeichens "G" könne schon deshalb nicht ausgesprochen werden, weil die Klägerin die Klage ausdrücklich auf die Zuerkennung eines höheren GdB beschränkt habe.
Außerdem seien Ausweise für schwerbehinderte Menschen stets für die Dauer von längstens 5 Jahren zu befristen. Lediglich in den Fällen, in denen eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht zu erwarten sei, könne nach § 6 Absatz 2 Satz 2 Schwerbehindertenausweisverordnung der Ausweis unbefristet ausgestellt werden. Eine solche Entscheidung stünde jedoch im Ermessen der Beklagten.
Für Anwälte ergibt sich aus dem Urteil des LSG Hamburg: Wurde mit der Klageschrift lediglich ein höhrer Grad der Behinderung geltend gemacht, kann im Berufungsverfahren die Klage nicht auf die Zuerkennung eines Merkzeichen „G“ erweitert werden. Der Antrag sollte daher sorgfältig formuliert werden.
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Veröffentlicht am
14.04.2015
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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