Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein behinderter Elternteil, der aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage ist, sein Kind selbst zu versorgen, im erforderlichen Umfang einen Anspruch gegen den Träger der Eingliederungshilfe hat, um das Kind zu versorgen.

Die im Januar 1972 geborene, seit Ende 2008 verheiratete Leistungsempfängerin leidet seit ihrer Geburt an einer spastischen Lähmung aller vier Gliedmaßen (Tetraplegie) und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie ist in die Pflegestufe II eingeordnet und bezieht ein monatliches Pflegegeld von 420 Euro. Zudem ist bei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt, ferner die Merkzeichen, B, G, aG, H und RF. Sie kann nur begrenzte Tätigkeiten im Haushalt erledigen und ist in allen Lebensbereichen auf Unterstützung angewiesen.

Im Jahre 2009 wurde der gemeinsame Sohn ihres Mannes und ihr geboren. Die Tätigkeiten der Versorgung des Kindes teilten sich der Mann und sie entsprechend ihren Möglichkeiten auf. Als der in Vollzeit arbeitende Mann jedoch aufgrund seiner Tätigkeit über einen längerfristigen Zeitraum berufsbedingt nicht zu Hause sein konnte, beantragte die Klägerin Leistungen nach § 53 Sozialgesetzbuch 12. Diesen wurde abgewiesen, wogegen sich die Klägerin zunächst im einstweiligen Rechtsschutz und sodann im Hauptsacheverfahren erfolgreich wehrte.

Das Gericht hat hierbei zu Begründung ausgeführt, dass der Anspruch von Eltern auf die persönliche Betreuung und Versorgung ihrer Kinder in ihrem eigenen Familienhaushalt - und nicht etwa in einer Einrichtung außerhalb der Familie (!) - unmittelbarer Ausdruck des verfassungsrechtlich geschützten Elternrechts ist. Infolge der Gewährleistungen des Artikel 6 Grundgesetz darf Eltern oder Elternteilen auch nicht allein auf Grund einer körperlichen Behinderung gegen ihren Willen aufgezwungen werden, ihr Kind außerhalb des elterlichen Haushalts betreuen und versorgen zu lassen.

Dieser Anspruch stehe als eigener Anspruch dem behinderten Elternteil zu, weshalb auch die Sozialhilfe und nicht die Jugendhilfe zuständig ist.

Dass eine solche "Elternassistenz" als Art der Leistungen für behinderte Menschen in den Leistungskatalogen der §§ 54 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 12, 55 Absatz 2 Sozialgesetzbuch 9 nicht ausdrücklich aufgeführt ist, ist wegen des nicht abschließenden, sondern nur regelbeispielhaften Charakters jener Aufzählungen rechtlich unerheblich.

Der Anspruch besteht danach in der Höhe, in der eine notwendige Assistenzkraft finanziert werden muss.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2012.


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Veröffentlicht am

27.04.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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