Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einem Beschluss aus November 2010 entschieden, dass ein Multifunktionsrollstuhl, der einem Bewohner einer Pflegeeinrichtung wengistens eine passive Teilhabe am Gemeinschaftsleben ermöglicht, als Hilfsmittel von der Krankenversicherung zu finanzieren ist.

In dem entschiedenen Fall ging es um die Kostenübernahme für einen Multifunktionsrollstuhl mit geteilten und hochschwenkbaren Armlehnen, einem Sicherheitsgurt, einem Therapietisch, einer Sitz- und Rückverstellung und mit Kopfstütze.

Das Gericht machte deutlich, dass ein Hilfsmittel beim Ausgleich direkter oder indirekter Folgen einer Behinderung nur „erforderlich“ im Sinne des Krankenversicherungsrechts sei, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe. Dabei sei auch das übergeordnete Ziel der Rehabilitation, behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu fördern, zu beachten.

Der Antragsteller leide an einer fortgeschrittenen Demenz bei Multiinfarktenzephalopathie mit rechtsseitiger Hemiparese und Aphasie. Er könne nicht mehr sprechen, aber noch in seltenen Fällen über die verbale Äußerung des Wortes „ja“Zustimmung äußern. Der Antragsteller verfüge über keine ausreichende Rumpfkontrolle, um sich in einfachen Rollstühlen aufrecht zu halten. Es bestünden Schluckstörungen beim Essen und Trinken und die Kontrolle der Mundmotorik sei in nicht adäquaten Körperpositionen eingeschränkt. Mit dem begehrten Multifunktionsrollstuhl würden daher allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens des Antragstellers erleichtert, nämlich das Sitzen, die Nahrungsaufnahme (durch Herstellen einer adäquaten Sitzposition) und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (durch Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen des Pflegeheims).

Der Anspruch des Antragstellers auf den Rollstuhl, so das Gericht, scheitere schließlich auch nicht daran, dass er ein Pflegeheim bewohne. Die Pflicht des Pflegeheims zur Vorhaltung von Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig seien, bleibe hiervon unberührt.


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Veröffentlicht am

30.11.2010

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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