Das Sozialgericht Gießen hat in einem aktuellen Verfahren entschieden, dass stark untergewichtige Empfänger von Grundsicherungsleistungen einen Anspruch auf Übernahme von Kosten haben, die aufgrund des Mehrbedarfs für eine kostenaufwändige Ernährung entstehen. Dies sei nicht zuletzt notwenig, um einer Verschlimmerung des Gesundheitszustands entgegenzuwirken.
Der Kläger, der Leistungen zur Grundsicherung vom Jobcenter erhält, wog bei einer Körpergröße von 184 cm zum Zeitpunkt der Antragstellung nur noch 55 kg. Nach einem Attest seines Hausarztes litt er unter einer sogenannten "pulmonalen Kachexie". Hierbei handelt es sich um eine sehr schwere Form der Abmagerung, die aufgrund dauerhafter Mangelernährung entsteht und welche sich bereits negativ auf die Lungenleistung auswirkte. Der Kläger musste daher dauerhaft besonders kalorienreiche Kost zu sich nehmen. Um eine physiologische Ausgeglichenheit herzustellen, genügte es hierbei nicht, sich besonders "einseitig schlecht" zu ernähren. Vielmehr bestand die Herausforderung darin, die kalorienreiche Nahrung in den Alltag des Klägers einzupassen. Einen entsprechenden Antrag zur Bewilligung des insoweit bestehenden Mehrbedarfs hatte das Jobcenter abgelehnt und sich auf ein Gutachten des hinzugezogenen Amtsarztes gestützt.
Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Gießen hatte umfänglich Erfolg.
Das Sozialgericht ist der Überzeugung, dass der Kläger eine besondere Form der Ernährung benötigen würde, um ein Fortschreiten der bestehenden Erkrankung zu verhindern. Es handele sich nach Auffassung des Gerichts sehr wohl um eine Erkrankung. Hierzu verwies es auf eine Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostenzulagen im Bereich der Sozialhilfe. Dieser sei hier entsprechend heranzuziehen. Nach Studium der dortigen Empfehlungen könne bei einem Body-Mass-Index (BMI) von unter 18,5 regelmäßig von einem erhöhten Ernährungsbedarf ausgegangen werden, soweit zudem infolge einer Erkrankung zunehmender Gewichtsverlust auftreten könne oder schon aufgetreten sei. Vorliegend würde der BMI lediglich nur noch bei 16,2 liegen. Zudem habe der Kläger, was als dramatisch angesehen werden müsse, innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten fünf Kilo abgenommen. Es müsse insoweit schleunigst gehandelt werden, um weitere Verschlimmerungen zu verhindern. Die genannten Voraussetzungen seien insoweit als erfüllt anzusehen.
Das Jobcenter solle ermitteln, in welcher konkreten Höhe Mehrkosten entstehen würden, um eine entsprechende Ernährung zu gewährleisten. In dieser Höhe seien sodann Mehrkosten zu zahlen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
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Veröffentlicht am
16.09.2013
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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