Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Verfahren das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Heilbronn bestätigt, nach dem ein stark sehbehinderter Kläger mit fortschreitender Netzhautdegeneration einen Anspruch gegen seine gesetzliche Krankenversicherung auf Versorgung mit einem Blindenführhund hat.

Der Kläger litt an einer fortschreitenden Netzhautdegeneration (Retinopathia pigmentosa), Kurz- und Stabsichtigkeit, wechselndem Außenschielen und beidseitiger Linsentrübung. Das Gesichtsfeld war dabei auf beiden Seiten stark eingeschränkt. Er war im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit festgestelltem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den anerkannten Merkzeichen „G“, „Bl“, „H“ und „RF“. Außerdem war die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen („B“). Zur Fortbewegung benutzte er einen Blindenlangstock.

Er beantragte im Jahr 2008 die Übernahme der Kosten für einen Blindenführhund. Seinem Antrag legte er die Verordnung seiner Augenärztin sowie einen Kostenvoranschlag in Höhe von 25.559,21 Euro bei. Zur Begründung gab er an, er habe aufgrund seiner Augenerkrankung Probleme bei der Fortbewegung. Trotz Trainings mit dem Langstock könne ihm dieser nicht die notwendige Sicherheit und Bewegungsfreiheit bieten. Ihm sei zudem die selbstständige Teilnahme am öffentlichen Leben sehr wichtig, was ihm momentan nur schwerlich möglich sei. Die Einschränkungen stellten eine große psychische Belastung dar, wobei insbesondere die unzureichende Möglichkeit sozialer Kontakte durch einen Blindenführhund vereinfacht werden könne.

Diesen Antrag lehnte die Krankenkasse ab und führte als Begründung vor allem eine noch bestehende Restsehfähigkeit an, die einen solchen Anspruch ausschließen solle. Hiergegen richtete sich die Klage des Klägers, der letztlich sowohl vor dem Sozialgericht Heilbronn als auch vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg Recht bekam.

Das Landessozialgericht führte dabei aus, dass ihm ein solcher Anspruch zustehe. Gemäß § 33 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 5 hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder anderweitig ausgeschlossen seien. Aufgrund seiner Behinderung sei der Kläger unstreitig auf die Benutzung von Hilfsmitteln angewiesen. Der Kläger ist nach Überzeugung des Senats als blind einzustufen. Dies ergerbe sich aus den Feststellungen des MDK und der Aussage der Augenärztin des Klägers. Die Blindheit des Klägers werde außerdem belegt durch das anerkannte Merkzeichen "Bl" in seinem Schwerbehindertenausweis. Zwar habe der Kläger ein Restsehvermögen. Dieses ermögliche es ihm aber nicht, sich ohne Hilfsmittel sicher fortzubewegen. Vielmehr nehme er seine Außenwelt wie durch ein Schlüsselloch wahr. Gegenstände könne er erst mitten vor dem Auge wahrnehmen, so dass die Orientierung und Fortbewegung extrem erschwert seien. Zusätzliche Einschränkungen bestünden überdies bei Blendungen und in der Dämmerung bzw bei Dunkelheit.

Um diese Behinderung auszugleichen, hab der Kläger Anspruch auf die Versorgung mit dem Hilfsmittel „Blindenführhund“. Die Versorgung mit einem Blindenführhund sei insoweit auch erforderlich, zweckmäßig und wirtschaftlich. Sie übersteige nicht das Maß des Notwendigen.

Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist rechtskräftig.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.05.2012.


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Veröffentlicht am

16.08.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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