Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes über die Hilfsmittelversorgung mit einem Dusch-WC-Aufsatz für schwerbehinderte Menschen entschieden.

Das Gericht brachte in seinem Beschluss zum Ausdruck, dass die Versorgung mit einem Dusch-WC-Aufsatz zur selbstständigen Reinigung des Intimbereichs nicht aufgrund der Tatsache versagt werden darf, dass die Intimhygiene durch eine Pflegekraft erbracht werde könne. Dies liefe vielmehr sämtlichen Grundprinzipien des Schwerbehindertenrechts zuwider, das nicht zuletzt seinen Ursprung in der Menschenwürdegarantie der Verfassung hat

Die Antragstellerin leidet am Louis-Bar-Syndrom, einer zerebellaren Ataxie mit defektem DNA-Reparatursystem. Sie wurde von der zuständigen Krankenkasse bereits vor zehn Jahren mit einem Dusch-WC-Sitz versorgt. Nachdem das Gerät nunmehr einen Defekt aufwies und nicht weiter nutzbar war, beantragte sie die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines funktionsfähigen Hilfsmittels gleicher Art. Diese wurde ihr nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) verweigert. Er wies zur Begründung auf ein Pflegegutachten hin, wonach der Hilfebedarf bei der Intimreinigung der Antragstellerin pflegeversicherungsrechtlich berücksichtigt worden sei. Gegen den damit verbundenen Ablehnungsbescheid richtet sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, zuletzt vor dem Landessozialgericht.

Das Gericht hat sowohl den Anordnungsanspruch als auch den Anordnungsgrund bejaht und die Entscheidung der Krankenkasse in deutlicher Art und Weise kritisiert. Dabei hat es ausgeführt, dass Versicherte nach § 33 Absatz 1 Satz 1 Variante 3 Sozialgesetzbuch 5 einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln haben, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen, soweit das Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Sozialgesetzbuch 5 ausgeschlossen ist. Der von der Antragstellerin beantragte Dusch-WC-Aufsatz sei hier erforderlich, um ihre Behinderung auszugleichen, da die Versorgung mit dem Dusch-WC-Aufsatz zur Sicherung ihrer Grundbedürfnisse notwendig ist. Zu diesen zähle, wie schon das Bundessozialgericht in einer vorangegangenen Entscheidung betont habe, gerade auch das Ausscheiden mit den dazu gehörigen Reinigungen. Die dem Ablehnungsbescheid zugrunde liegende Argumentation des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sei darüber hinaus unzutreffend, weil sie insbesondere den Grundprinzipien des Sozialgesetzbuches 9 zuwiderlaufe. Nach § 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 9 dienen die Leistungen für behinderte Menschen dazu, deren Selbstbestimmung zu fördern. Zur Verwirklichung dieses Ziels müsse dem behinderten Menschen daher vorrangig Hilfestellung geleistet werden, um die Reinigung des Intimbereichs selbst ohne Mithilfe anderer Personen durchzuführen, soweit ihm dies möglich und durch ihn gewollt ist. Ein Verweis auf die mögliche Reinigung des Intimbereichs durch Pflegepersonen würde bei einer solchen Fallkonstellation zudem gegen die verfassungsrechtlich geschützte Würde der Antragstellerin als behinderter Mensch verstoßen.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.03.2011.


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Veröffentlicht am

09.04.2011

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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