Das Bundessozialgericht hat entschieden (17.06.2010), dass die Krankenversicherung bei schwerstpflegebedürftigen Versicherten, die in hohem Maße auf Behandlungssicherungspflege angewiesen sind (hier: 24-Stunden-Pflege), Leistungen der Pflegekasse nicht vollständig in Abzug bringen darf.

In dem entschiedenen Fall verlangte ein schwerstpflegebedürftiger, beatmungsbedürftiger und auf 24-stündige Pflege und Betreuung angewiesener Versicherter von seiner Krankenkasse die Erstattung eines Teils seiner ungedeckten Pflegekosten, der sich innerhalb von 3 1/2 Jahren auf € 129.252,25 summiert hatte. Die Krankenkasse weigerte sich bisher, diesen Kostenanteil zu übernehmen mit der Begründung, der Versicherte erhalte für seine Grundpflege Pflegesachleistungen der Pflegeversicherung. Soweit die Pflegeversicherung (die nur eine "Teilkaskoversicherung" ist), Leistungen erbringe, könnten daneben nicht noch Leistungen der Krankenversicherung verlangt werden.

Das Bundessozialgericht hat dem Versicherten, wie schon die Vorinstanz, auch in letzter Instanz Recht gegeben. Während der Erbringung der Hilfe bei der Grundpflege (Leistung der Pflegekasse) trete die Behandlungspflege (Leistung der Krankenkasse) nicht in den Hintergrund, sodass es nicht gerechtfertigt sei, den Kostenaufwand für diese Zeiten allein der Pflegekasse zuzurechnen. Die letzten Gesundheitsreformen belegten, dass die Krankenversicherung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers an den pflegebedingten Aufwendungen insbesondere bei Fällen der Rund-um-die-Uhr-Betreuung stärker beteiligt werden sollten. Die Leistungen der Krankenkasse und der Pflegekasse stünden gleichrangig nebeneinander.

In der Praxis sei in solchen Fällen zunächst der erforderliche Zeitaufwand für die Grundpflege (Leistung der Pflegekasse) durch einen Gutachter zu erfassen. Der Zeitwert der Grundpflege sei zur Hälfte (und nicht vollständig) vom Anspruch auf die 24-stündige Behandlungspflege einschließlich der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen abzuziehen, weil während der Durchführung der Grundpflege weiterhin Behandlungspflege - auch als Krankenbeobachtung - stattfinde und beide Leistungsbereiche gleichrangig nebeneinander stünden.


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Veröffentlicht am

22.06.2010

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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