Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die Richtlinien des Bundesausschussses der Ärzte und Krankenkassen zur künstlichen Befruchtung im Streitfalle für die Sozialgerichte nicht bindend sind, weil sie gegen höherrangiges Recht verstoßen.

Das Gericht sprach einem Kläger die Übernahme der Kosten zur künstlichen Befruchtung im Rahmen der ICSI-Methode zu, da andernfalls trotz bestehender Unfruchtbarkeit und hinreichender Aussicht auf Erfolg dieser Methode eine erfolgreiche künstliche Befruchtung ausgeschlossen wäre. Zu prüfen ist nach Auffassung des Gerichts, ob ausgehend von den Ursachen der Unfruchtbarkeit die in Betracht kommende Methode in der konkreten Situation nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse bei Behandlungsbeginn geeignet, ausreichend, erforderlich und wirtschaftlich ist.

Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen, wohingegen eine Anwendung der einschlägigen Richtlinie des G-BA über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung zum Ausschluss sämtlicher Maßnahmen der künstlichen Befruchtung geführt hätte, obwohl nach medizinischer Einschätzung hinreichende Aussicht auf Erfolg bestanden hätte. Hierfür liege eine absolute Indikation vor: Für eine IVF sei das Sperma des Klägers zu schlecht, für eine ICSI-Behandlung aber zu gut – ohne eine ICSI-Behandlung könne aber keine IVF durchgeführt werden. Das Abstellen bei der Festlegung der Indikation für ICSI auf das starre Kriterium der Progression werde den Fällen nicht gerecht, bei denen – wie beim Kläger – eine sehr geringe Spermienkonzentration vorliege (weit unter 10 Millionen/Milliliter).

Für den Kläger bestehe nach § 27a Sozialgesetzbuch 5 ein Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn die Maßnahme nach ärztlicher Feststellung erforderlich sei. Eine entsprechende ärztliche Feststellung liege vor und es sei nicht strittig, dass ohne ICSI eine Schwangerschaft nicht herbeigeführt werden könne (absolute Indikation) und dass der Erfolg einer ICSI-Behandlung nicht völlig unwahrscheinlich sei.

Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.05.2010.


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Veröffentlicht am

04.11.2010

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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