Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Essen hat in einem aktuellen Verfahren über die Kostenerstattung für einen Klinikaufenthalt entschieden. In dem entschiedenen Fall ging es um die Behandlung eines Jugendlichen mit erheblichen Zwangsstörungen und depressiven Episoden in einer Privatklinik.

Der Kläger litt unter erheblichen Zwangsstörungen sowie depressiven Episoden mit sporadisch auftretenden Suizidgedanken. Schon früher war er zeitweise in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt worden. Im Jahr 2006 beantragte der Kläger bei seiner Krankenkasse die Gewährung einer stationären Behandlung in einer speziellen Klinik, die keinen Versorgungsvertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen hat. Dem Antrag beigefügt war insbesondere ein Kostenvoranschlag über 11.905,99 Euro. In diesem war vermerkt, dass 14 Tage vor Beginn der stationären Therapie eine Vorauszahlung von 2.500,00 Euro zu leisten sei. Erfolge die Vorauszahlung nicht, gehe man davon aus, dass das Behandlungsangebot nicht wahrgenommen werden solle. In diesem Fall behalte sich die Klinik vor, den Therapieplatz anderweitig zu vergeben.

Daraufhin bezahlte der Kläger die Summe von 2.500,00 Euro an die Klinik, begab sich in selbst in die Klinik zur Behandlung, sodass die Gesamtsumme fällig wurde und forderte diese letztlich von seiner gesetzlichen Krankenversicherung zurück, nachdem seine Eltern die Begleichung zunächst für ihn übernommen hatte. Es handele sich um eine unaufschiebbare Leistung, weil die Gefahr weiterer Chronifizierung drohe und zudem auch ein Behandlungsversuch in einer Vertragsklinik wegen der sich möglicherweise ergebenden Gefahr einer Falschbehandlung nicht zumutbar sei.

Das Landessozialgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Leistung sei danach unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestanden habe. In Betracht kämen insoweit dringliche Bedarfslagen, wie z.B. Systemversagen oder Versorgungslücken. Indessen sei die medizinische Dringlichkeit nicht allein ausschlaggebend, um einen dringenden Versorgungsbedarf annehmen zu können. Im Hinblick auf die Unaufschiebbarkeit werde für den Anspruch vielmehr vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die im Streit stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte.

Ein stationärer Behandlungsplatz in einem zugelassenen kinder- und jugendpsychiatrischen Krankenhaus habe dem Kläger in seinem konkreten Einzelfall binnen angemessener Zeit zur Verfügung gestanden. Entgegen üblicher langer Wartezeiten von bis zu drei Monaten habe in diesem konkreten Fall ein Behandlungsplatz innerhalb von 10 Tagen unterbreitet werden können.

Trotz objektiv bestehender Versorgungsmöglichkeit könne jedoch auch in solchen Fällen ausnahmsweise von einer unaufschiebbaren Leistung auszugehen sein. Dafür wäre es jedoch notwendig, dass die Krankenkasse durch Fehlinformation bewirkt habe, dass der Versicherte meint, es gäbe keine rechtzeitigen Plätze und deshalb das Angebot nicht in Anspruch nehme.

Falls Sie Fragen zu diesem Themenkreis haben, kontaktieren Sie mich gerne - jeder Einzelfall ist anders und bedarf rechtlicher Prüfung.

Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2012.

Foto: ©istockphoto.com/Frank Oppermann


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Veröffentlicht am

17.09.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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