Versicherte, denen die gesetzliche Krankenkasse bereits ein Brustimplantat als Sachleistung gewährt hat, haben bei Verschiebung des Brustimplantats i.d.R. nur einen Anspruch auf ein neues Implantat, wenn ohne ein solches von einer Entstellung auszugehen ist.

Bei der Klägerin wurde im Jahr 1997 aufgrund einer kongenitalen Mammaasymmetrie eine Brustvergrößerungsoperation unter Einsetzung eines Implantats durchgeführt. Im Jahr 2008 beantragte die Klägerin die Auswechslung desselben, da es sich verschoben hatte. Dies hatte zu Schmerzen und einer deutlichen Verwölbung geführt, welche bereits durch den BH hindurch zu sehen war.

Nach § 27 Absatz 1 Sozialgesetzbuch 5 haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Unter Krankheit wird dabei jeder regelwidrige Körper- oder Geisteszustand verstanden, der behandlungsbedürftig ist oder zumindest Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Zu beachten ist aber, dass nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit als Krankheit in diesem Sinne zu verstehen ist. Vielmehr liegt nach einhelliger Auffassung eine Krankheit nur vor, wenn eine Funktionsbeeinträchtigung gegeben ist oder die anatomische Abweichung entstellend ist.

Im vorliegenden Fall war es vor diesem Hintergrund zwar notwendig, das Brustimplantat zu entfernen, um so die bestehenden körperlichen Schmerzen zu beheben. Einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein neues Implantat bestand derweil nicht, da die Entstellung nicht derart erheblich war, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Bei flüchtiger Begegnung im Alltag würde die Asymmetrie nach Auffassung des Gerichts hinreichend durch die Kleidung verdeckt. Bei Tätigkeiten, die regelmäßig weniger Verdeckungsmöglichkeiten bieten, wie beispielsweise ein Besuch im Schwimmbad, sei es darüber hinaus zumutbar, eine entsprechende Prothese zu tragen

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.08.2010.


Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
16.09.2019, 11:40 Uhr

Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat in einer beachtenswerten Entscheidung festgestellt, dass die Kosten einer Operation bei einer Asymmetrie der Brüste bei Jugendlichen grundsätzlich von der gesetzlichen Krankenkasse zu tragen sind, da Jugendliche - anders als Erwachsene - häufig an Gemeinschaftsveranstaltungen mit Gleichaltrigen teilnehmen (z.B. Sport, Schwimmen) und in dieser wichtigen Entwicklungsphase psychisch besonders unter einer Asymmetrie leiden. Jugendliche Versicherten haben daher grundsätzlich Anspruch auf Kostenübernahme einer Brustangleichungs-OP durch die Krankenkasse. Betroffenen ist jedoch unbedingt zu empfehlen, die Kostenübernahme v o r der Operation mit einem Heil- und Kostenplan schriftlich bei der Krankenkasse zu beantragen (Einschreiben o.Ä.). Das Gericht hat ausgeführt:

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. Mai 2017 – L 5 KR 6/15: Unabhängig von den vorgenannten Gründen ist der Anspruch der Klägerin auch deshalb gegeben, weil die Asymmetrie ihrer Brüste entstellend wirkt. Für die Annahme einer Entstellung genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Betrachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Die Feststellung, dass im Einzelfall eine Versicherte wegen einer körperliche Anomalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (vgl. Bundessozialgericht, oben genanntes Urteil vom 28. Februar 2008). Dabei stellt die Rechtsprechung zwar grundsätzlich zu Recht auf den bekleideten Körper ab (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Januar 2006, L 5 KR 65/05; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2017, L 6 KR 123/13, beide in juris – anderer Ansicht Knispel SGb 2016, 632). Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Senats jedoch nicht uneingeschränkt auf eine Jugendliche zu übertragen. Zur körperlichen und geistigen Entwicklung einer Jugendlichen, sowie zum Leben in der Gemeinschaft mit Gleichaltrigen gehört die Teilnahme am Sport- und Schwimmunterricht mit gemeinsamem Umziehen in den Umkleideräumen. Ebenso ist das Sexualleben betroffen. Denn in diesen wichtigen Lebensbereichen kann das körperliche Erscheinungsbild der asymmetrischen Brüste nicht durch Kleidung verborgen werden. Es wird dadurch allgemein bekannt und prägt sich in der Gemeinschaft ein. Hier kommt auch der Rechtsgedanke, den das Bundessozialgericht zur Hilfsmittelversorgung bei Jugendlichen entwickelt hat (vgl. Urteil vom 16. April 1998, B 3 KR 9/97 R), zum Tragen, der auf die besonderen Grundbedürfnisse von Jugendlichen in der Entwicklungsphase abstellt und die Notwendigkeit der Integration im Kreise Gleichaltriger hervorhebt. Deshalb stellt der Senat bei Jugendlichen nicht ausschließlich auf den bekleideten Zustand ab. Im unbekleideten Zustand handelt es sich bei der Klägerin um eine objektiv erhebliche Auffälligkeit im oben genannten Sinne, die aufgrund der Reaktionen hierauf zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen wird. Diese Schwelle zum Rückzug aus der Gemeinschaft hatte die Klägerin durch ihr Verhalten bereits deutlich überschritten.


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Veröffentlicht am

09.11.2010

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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