Das Sozialgericht Mainz hat in einem Urteil dargelegt, wann Krankengeld auch während eines Urlaubs im Ausland bezogen werden kann. Das Gericht machte deutlich, dass es einer vorherigen Zustimmung zur Auslandsreise noch vor Reiseantritt nicht zwingend bedarf, die Zustimmung kann auch nachträglich erteilt werden.

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger war seit dem 21.5.2007 aufgrund von psychischen Beschwerden arbeitsunfähig erkrankt. Im Mai 2008 beantragte er bei der Beklagten die Zustimmung zu einem Auslandsaufenthalt zu Urlaubs- und Erholungszwecken auf der griechischen Insel Kos. In diesem Zusammenhang brachte der Kläger eine fachärztliche Stellungnahme seines behandelnden Therapeuten bei, der einen Auslandsaufenthalt ausdrücklich befürwortete und keine Gefährdung der Therapie erkennen konnte.

Nachdem die Zustimmung nicht erteilt worden war, begab sich der Kläger dennoch nach Griechenland. Nach seiner Rückkehr erhob er Widerspruch. Diesen wies die Krankenkasse jedoch zurück. Zur Begründung führte sie unter Berufung auf den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) aus, dass eine laufende Therapie stets keine Unterbrechung dulde. Außerdem ergebe sich aus medizinischen Erkenntnissen im Rentenverfahren, dass die Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit wieder vollständig hergestellt werden könne. Der Kläger müsse alles dafür tun, um dies zeitnah zu erreichen.

Hiergegen richtete sich die Klage des Klägers vor dem Sozialgericht Mainz, welches ihm Recht gab.

Sozialgericht Mainz, Urteil vom 12. November 2010 – S 7 KR 231/08: Ob die Krankenkasse – gegebenenfalls auch nachträglich – die Zustimmung zum Auslandsaufenthalt erteilt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Auf die Ausübung des Ermessens besteht ein Rechtsanspruch. Diesem Anspruch hat die Beklagte hier nicht erfüllt. Die Beklagte hat sich bei ihrer Entscheidung auf die sehr knappe Mitteilung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) gestützt, wonach das im Rentenverfahren ermittelte Leistungsvermögen die Annahme rechtfertige, dass die Arbeitsfähigkeit wieder erreicht werden könne. Die laufende Therapie beim Psychiater dulde laut einem Aktenvermerk über ein Versichertengespräch keine Unterbrechung. Die Beklagte hat dabei nicht berücksichtigt, dass der behandelnde Therapeut in einem ärztlichen Attest vom 16.5.2008 ausdrücklich den geplanten zweiwöchigen Aufenthalt befürwortet hatte. Auch lässt sich dem von der Beklagten erwähnten Aktenvermerk nicht entnehmen, dass die Therapie keine Unterbrechung dulde; aus dem Vermerk ergibt sich lediglich, dass der Kläger mitgeteilt habe, die Sitzungen beim Psychiater täten ihm gut. Auch ist die Beklagte hier – in Kenntnis der sozialmedizinischen Beurteilung im Rentenverfahren – weiter von einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen. In der Akte befinden sich keine Unterlagen, aus denen sich ein damals etwa kurz bevorstehendes Ende der Arbeitsunfähigkeit herleiten lassen. Dies steht in Widerspruch zu der Annahme, dass die lang andauernde Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf die Feststellungen im Rentenverfahren zeitnah beendet werden könne. Die angefochtenen Entscheide waren daher aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten.

Die Krankenkasse wurde folglich dazu verurteilt, anhand dieser Aspekte ihr Ermessen erneut - und pflichtgemäß - auszuüben und noch einmal über die Zustimmung zu entscheiden.

Bei Fragen hierzu kontaktieren Sie mich gerne.

Sozialgericht Mainz, Urteil vom 12.11.2010.

Foto: © istockphoto.com/ Christian Wheatley


Kommentare

A.
18.04.2017, 15:01 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper,

seit dem 05.08.2016 bis dato bin ich arbeitsunfähig und per 31.08.2016 gekündigt. Jetzt habe ich bei der Krankenkasse einen Antrag auf Genehmigung eines schon lang geplanten Auslandsurlaubs gestellt. Die Psychotherapeutin hat den Urlaub befürwortet und erklärt, dass diese Reise für meine Genesung förderlich ist. Die Sachbearbeiterin der Krankenkasse hat mir telefonisch mitgeteilt, dass der Antrag abgelehnt würde und damit meine Mitgliedschaft in der Krankenkasse erlöschen würde. Sie gab mir auch den Hinweis, mich umgehend im Jobcenter zu melden, damit ich Arbeitslosengeld bekommen kann.

  1. Muß ich die Ablehnung akzeptieren. Begutachtung durch die KK erfolgte nicht.
  2. Ist es richtig, dass mit dem Ruhen des Krankengeldes meine Mitgliedschaft erlischt?
  3. Wenn ich arbeitsunfähig bin (und damit nicht vermittelbar), nimmt mich das Jobcenter?

Gruß, A.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
18.04.2017, 15:07 Uhr

Sehr geehrter Herr A.,

kurz zu Ihren Fragen:

  1. Lassen Sie sich von Ihrer Krankenkasse über die Ablehnung der Zustimmung zum Auslandsaufenthalt, bzw. zum Ruhen oder Wegfall des Krankengeldes einen "schriftlichen rechtsmittelfähigen Bescheid" erteilen, falls nicht schon geschehen. Sie können dann dagegen binnen 1 Monats ab Zugang Widerspruch erheben.
  2. Mit dem Ruhen des Krankengeldes erlischt zwar die "Mitgliedschaft als Krankengeldbezieher", Sie bleiben aber krankenversichert, wie Sie in diesem Artikel nachlesen können.
  3. Leistungen nach SGB II ('Hartz 4') vom Jobcenter kann man auch dann beantragen und beziehen, wenn man arbeitsunfähig ist. Die Leistungen des Jobcenters enden allerdings, wenn die Deutsche Rentenversicherung festgestellt hat, dass eine volle Erwerbsminderung vorliegt. Erhält man in diesem Fall aber keine Rente oder reicht diese nicht, ist das Grundsicherungsamt zuständig ('Sozialamt').
Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
15.07.2021, 12:42 Uhr

Bundessozialgericht, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 3 KR 23/18 R: 1. Die Krankenkasse muss die Zustimmung zum Auslandsaufenthalt eines arbeitsunfähigen Versicherten in einem Mitgliedstaat der EU zur Fortzahlung des Krankengelds erteilen, wenn kein Zweifel an dessen Arbeitsunfähigkeit besteht und kein Leistungsmissbrauch vorliegt. 2. Die mangelnde Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung oder an einer Heilbehandlung darf nur nach schriftlichem Hinweis an den arbeitsunfähigen Versicherten sanktioniert werden.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
04.07.2022, 17:24 Uhr

Interessantes Urteil für Versicherte, die Urlaub auf einem unter deutscher Flagge fahrenden Kreuzfahrtschiff machen:

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. Mai 1995 – L 1 Kr 4/95: Passagiere auf Seeschiffen unter deutscher Flagge befinden sich - unabhängig von der Schiffsposition - im Inland, ein Behandlungsanspruch ruht daher nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5.

Diese Entscheidung dürfte auf das Krankengeld übertragbar sein, so dass der Anspruch auf Krankengeldzahlung nicht wegen Auslandsaufenthalt ruht, wenn sich die/der Versicherte auf einem unter deutscher Flagge fahrenden Kreuzfahrtschiff befindet. Es ist aber grundsätzlich immer zu raten, vor dem Urlaub die Krankenkasse um Zustimmung zu bitten und zwar nach Möglichkeit mit einem ärztlichen Attest, dass der Urlaub der Genesung nicht abträglich ist. Sollte die Krankenkasse per Bescheid mitteilen, dass das Krankengeld ruht, kann Widerspruch erhoben werden.


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Veröffentlicht am

07.09.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

Hinweis

Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

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