Der Bundesgerichtshof hat 2011 über Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Krankentagegeldversicherung bei Mobbing entschieden. Der BGH führte aus, dass es für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit auf den konkreten Arbeitsplatz in seiner konkreten Ausprägung ankommt.
In dem entschiedenen Fall ging es um einen Projektleiter für Brandschutzanlagen eines größeren Unternehmens. Der Kläger unterhielt bei der beklagten Versicherung eine Krankentagegeldversicherung mit einem versicherten Tagegeld in Höhe von 117,37 € pro Kalendertag. Der Kläger arbeitete seit 1995 in dem Unternehmen. Er befand sich längere Zeit in ärztlicher Behandlung. Die Ursache hierfür war in seinem Arbeitsverhältnis begründet. Der Kläger sah sich an seinem Arbeitsplatz einem so genannten Mobbingverhalten anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesetzt. Der Kläger begehrt daher Zahlung von Krankentagegeld. Er hat vorgetragen, er sei infolge des Mobbings an seinem früheren Arbeitsplatz psychisch erkrankt und deshalb nicht in der Lage gewesen, seine bisherige Arbeitstätigkeit auszuüben.
Nachdem das Landgericht seine Klage abgewiesen hatte und das Oberlandesgericht ihm den entsprechenden Anspruch zugestanden hatte, war die Revision der Versicherung vor dem BGH erfolglos. Die Richter gaben dem Kläger Recht und bejahten seinen Anspruch auf Krankentagegeld.
Arbeitsunfähigkeit liege nach Ansicht der Bundesrichter vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben könne, sie auch nicht ausübe und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Diese Definition der Arbeitsunfähigkeit knüpfe an die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht allgemein an ihre beruflichen Möglichkeiten an. Dementsprechend bemesse sich die Arbeitsunfähigkeit nach der bisherigen Art der Berufsausübung, selbst wenn der Versicherte noch andere Tätigkeiten ausüben könne. Daher sei die Versicherung nicht berechtigt, den Versicherungsnehmer auf so genannte Vergleichsberufe oder gar auf sonstige, auf dem Arbeitsmarkt angebotene Erwerbstätigkeiten zu verweisen.
Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit sei - und dies bildet den Kern der Entscheidung - der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung. Mit Blick darauf könne die Versicherung vom Versicherten, der durch besondere Umstände an seinem bisherigen Arbeitsplatz krank geworden sei, keinen Wechsel des Arbeitsplatzes, die Wahl eines anderen Arbeitsumfeldes oder arbeitsrechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber verlangen. Dies gelte auch dann, wenn sich der Versicherte - wie der Kläger - an seinem Arbeitsplatz einer tatsächlichen oder von ihm als solcher empfundenen Mobbingsituation ausgesetzt sehe, hierdurch erkranke (ganz gleich, ob psychisch oder physisch) und infolgedessen seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben könne. Auch dann sei vom Vorliegen der Voraussetzungen auszugehen. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld.
Bundesgerichtshof, 4. Zivilsenat, Urteil vom 09.03.2011.
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Veröffentlicht am
14.09.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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26.05.2014, 15:26 Uhr
Nachtrag: Der BGH hat mit Beschluss v. 27.03.2013 klargestellt, dass bei einem späteren Verlust des Arbeitsplatzes und einer sich anschließenden Arbeitssuche (wenn für diese Zwischenphase noch Schutz aus der Krankentagegeldversicherung besteht) "besondere Umstände, die lediglich bei dem einen Arbeitgeber vorlagen und zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben" (also z.B. ein Mobbing), bei der Beurteilung des Berufsbildes unberücksichtigt bleiben. Grundsätzlich bleibt aber Maßstab der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit "die konkrete bislang ausgeübte Berufstätigkeit".