Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden, das Krankengeld weitergezahlt werden muss, wenn die oder der Versicherte durch ein Krankenhaus/eine Klinik im Entlassungsbericht irrtümlich „gesundgeschrieben“, also als "arbeitsfähig" eingestuft wurde.

In dem entschiedenen Fall ging es um einen Taxifahrer, der in einer Klinik für Psychiatrie wegen wegen einer depressiven Störung und Alkoholkrankheit behandelt wurde. In ihrem Entlassungsbericht stellte die Klinik fest, der Versicherte werde "arbeitsfähig entlassen" in der irrtümlichen Annahme, Maßstab für die Beurteilung der Arbeits(un-)fähigkeit sei nicht seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Taxifahrer.

Ab dem Folgetag der Entlassung aus der Klinik stellten andere Ärzte immer wieder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit offenen Ende aus. Der Versicherte erhielt zunächst weiter Krankengeld.

Ca. 1 Monat nach Entlassung aus der Klinik meldete er sich arbeitslos, weil er damit rechnete, dass das Krankengeld eingestellt werden würde. Das Arbeitsamt holte eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit ein, der ihn als bedingt arbeitsfähig einstufte. Der Versicherte könne "vollschichtig leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne besondere Stressfaktoren ausüben". Auszuschließen seien aber"Tätigkeiten mit Fahr-, Überwachungs- und Steuerungsfunktion". Das Arbeitsamt zahlte daraufhin Arbeitslosengeld.

Nachdem parallel der Entlassungsbericht der Klinik bei der Krankenkasse eingegangen war, befragte diese den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Arbeitsfähigkeit des Versicherten. Dieser verwies auf den Entlassungsbericht und stellte fest, seit der Entlassung aus der Klinik sei der Versicherte "arbeitsfähig". Diese Feststellung der Klinik sei "verbindlich".

Die Krankenkasse stellte deshalb die Krankengeldzahlung 1 Monat nach Entlassung aus der Klinik - gleichzeitig zum Beginn des Arbeitslosengeldes - ein, woraufhin der Versicherte Widerspruch und anschließend Klage erhob (weil das Krankengeld höher war, als das Arbeitslosengeld).

Während das Sozialgericht die Klage auf Weiterzahlung des Krankengeldes abwies, wurde die beklagte Krankenversicherung im Berufungsverfahren vom Landessozialgericht dazu verurteilt, das Krankengeld, bzw. die Differenz zwischen Krankengeld und Arbeitslosengeld für den begehrten Zeitraum nachzuzahlen.

Eine rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei durch Umstände verhindert worden, welche der Krankenkasse zuzurechnen seien. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts scheitere ein Anspruch auf Krankengeld nicht an der fehlenden Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, wenn dies auf der unzutreffenden rechtlichen Bewertung der Krankenkasse beruht, "die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit habe sich wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht mehr an der zuletzt ausgeübten Tätigkeit auszurichten". Das Landessozialgericht verwies weiter auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach eine Arbeitsunfähigkeit nicht dadurch entfällt, dass sich der Versicherte "in Anbetracht seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung für eine berufliche Neuorientierung öffnet und zu erkennen gibt, dass er zu einem Berufswechsel bereit ist". Erst mit einer "tatsächlichen Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit" werde "die neue Tätigkeit zur Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit".

Vorliegend sei das beurteilende Krankenhaus beim Verfassen des Entlassungsberichts irrtümlich davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit als Maßstab nicht mehr die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maßstab heranzuziehen sei. Diese Auffassung mit dem Ergebnis der Fehleinschätzung „arbeitsfähig“ sei jedoch unzutreffend gewesen.

Die Krankenkasse wurde verurteilt, Krankengeld nachzuzahlen.

18912


Kommentare


Seien Sie die erste Person, die einen Kommentar zu diesem Artikel abgibt.


Kommentar schreiben

Veröffentlicht am

15.07.2014

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

Hinweis

Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)

Downloads