Beim Krankengeldbezug kann die Frage auftreten, wonach die Arbeitsunfähigkeit zu beurteilen ist, wenn das Arbeitsverhältnis während des Krankengeld-Bezugs endet, beispielsweise durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag.

Aufhebungsvertrag

Die gesetzliche Regelung zum Krankengeld in § 44 Absatz 1 SGB V enthält keine Definition der Arbeitsunfähigkeit. Dort heißt es lediglich:

Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (...) behandelt werden.

Bezugspunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, dies gilt zumindest dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses eintritt. Tritt die Arbeitsunfähigkeit im laufenden Arbeitslosengeld-Bezug ein, gelten wiederum Besonderheiten, die Sie hier nachlesen können.

Was aber ist, wenn die Krankheit zwar noch während des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist, dieses aber mittlerweile beispielsweise durch Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Befristung beendet wurde? Hierzu hat das Bundessozialgericht bereits 2002 klargestellt:

BSG, Urteil vom 19. September 2002 – B 1 KR 11/02 R: Verliert [der Krankenversicherte] den Arbeitsplatz, bleibt die frühere Tätigkeit als Bezugspunkt  erhalten; allerdings sind nicht mehr die konkreten Verhältnisse am früheren  Arbeitsplatz maßgebend, sondern es ist nunmehr abstrakt auf die Art der  zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der  Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des  Krankengeldes eng zu ziehen ist.

Sollte Ihre Krankenkasse in einem solchen Fall das Krankengeld mit der Begründung einstellen, Sie seien laut einem Gutachten des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) nicht mehr arbeitsunfähig, bzw. wieder arbeitsfähig, sollten Sie gegen den Einstellungsbescheid Widerspruch erheben und - sinnvollerweise durch eine Anwältin/einen Anwalt - Akteneinsicht in das MDK-Gutachten nehmen. Häufig wird das Berufsbild des Versicherten vom MDK nicht hinreichend oder unzutreffend erfragt oder ein unzutreffender Beurteilungsmaßstab gewählt, obwohl es in der Beguachtungsanleitung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Krankenkassen (MDS) i.d.F. vom 12.12.2011, Seite 56 heißt:

Anforderungsprofil der Bezugstätigkeit: Der Beschreibung des Anforderungsprofils kommt eine wesentliche Bedeutung zu, denn dessen Abgleich mit dem aktuellen Leistungsvermögen bildet die entscheidende Beurteilungsgrundlage der Arbeitunfähigkeit. Das konkrete Anforderungsprofil der arbeitsvertraglichen Tätigkeit beim Eintritt der AU enthält: Art der Tätigkeit, Arbeitszeit (z.B. vollschichtig, teilschichtig, Angabe der Stundenzahl), Ar-beitsorganisation (z.B. Schichtarbeit, Nachtarbeit, Blockarbeit), körperliche Anforderungen (z.B. Hebe-, Tragelasten, sitzende bzw. stehende Tätigkeit), schädliche Einwirkungen (z.B. Lärm, Schadstoffe, Klima), spezifische Anforderungen (z.B. Akkord), Art und Dauer des Ar-beitsweges, Selbsteinschätzung der Arbeit des Versicherten. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ist das Datum anzugeben.

Falls Sie gegenüber Ihrer Krankenkasse rechtliche Unterstützung benötigen, kontaktieren Sie mich gerne.

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Kommentare

P.
06.07.2019, 20:46 Uhr

Mit großem Interesse habe ich ihre Seite & ihren Blog studiert. Toll, was sie so uneigennützig tun-Kompliment! Meine Lage ist die folgende und evtl. auch in der Konstellation interessant für andere: Während befristeten Arbeitsvertrages erkrankt - 17.1.2019 AU durch Hausarzt /R 53. ab 7.3 dann AU von Psychiaterin (F33.1,F43.2), inzwischen F33.2. Bereits am 20. Februar Untersuchungstermin beim MDK – AU wurde Zweifels -ohne bestätigt. Am 11. Juni erhielt ich die Nachricht von meiner Krankenkasse, dass der MDK mich nach Sichtung der vorliegenden Unterlagen ab 25.6.wieder.... "für leichte Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt für ausreichend fähig hält‘' - also Entscheidung nach Aktenlage. (Dem habe ich formlos unter Anforderung aller entscheidungsrelevanten Unterlagen widersprochen.) Ich solle mich von meiner Ärztin wieder gesundschreiben lassen zum 25.6. und - unter Vorlage dieses Schreibens Arbeitslosengeld beantragen. Ich bin immer noch arbeitsunfähig. Das Ganze hat leider mein Befinden wesentlich verschlechtert, so dass ich am 23. Juni akut über die Notambulanz auf einer psychiatrischen Station aufgenommen wurde (F33.2/F43.1/F43.2/Z 73- Attest Psychiaterin). Ein guter Freund von mir war am 25.6. mit meinem Personalausweis-Bescheinigung v. Psychiater & Liegebescheinigung Krankenhaus u Ihren bereitgestellten Vordrucken beim Arbeitsamt, um den Antrag für Arbeitslosengeld stellvertretend für mich abzuholen. Er wurde jedoch direkt an der Rezeption zurückgewiesen-Gar nicht zum Sachbearbeiter durchgelassen. Er ist am 26.6.noch mal dorthin, um wenigstens diesen Stempel auf dem Formular zubekommen. Der Sachbearbeiter tat dies und es wurde ein Formular erstellt: Ablehnung der Antragstellung auf Arbeitslosengeld (mit Verweis auf Jobcenter!) Die Herausgabe des Antrages auf ALG I‚ wurde aber verweigert (da ja AU)? Frage: da der MDK ja entgegen der fachlichen Beurteilung meiner Ärztin entschieden hat - kann er sich auch über die Krankenhausärzte hinwegsetzen? Arzt-Beurteilung steht ja unter MDK Meinung. Inzwischen erhielt ich eine Nachricht meiner Krankenkasse, dass vorerst Krankengeld weitergezahlt würde, da stationäre Behandlung! Aber auch mit dem Hinweis, dass der MDK mich für …s.o…''ausreichend arbeitsfähig hält“ Es macht den Eindruck, dass das Ganze bei Krankenhausentlassung sofort wiederbelebt werden soll (ich werde aber hoffentlich einen Tagesklinikaufenthalt oder eine Reha empfohlen bekommen). Die angeforderten Unterlagen habe ich bis heute nicht - gibt es denn da keine Frist? Meiner Ansicht nach besteht schon die 1. "Ungesetzlichkeit" darin, dass ich - auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werde, da ich während des Vertrages erkrankte und 2. - über meine fachliche Qualifikation hinweg-gesehen wird (Arbeitsagentur Tätigkeitsschlüssel: 94612) / und dem Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes nicht Rechnung getragen wird. Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit und verbleibe mit einem freundlichem Gruß nach HH.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
08.07.2019, 16:36 Uhr

Sehr geehrte P., vielen Dank für Ihren Beitrag. Das "Wegschicken" beim Arbeitsamt, bzw. die Verweigerung der Herausgabe der Antragsformulare wegen Arbeitsunfähigkeit ist leider ein häufig berichtetes Fehlverhalten der Antragssachbearbeiter der Arbeitsagentur. Da diese mangels eigener (arbeits-)medizinischer Sachkunde die gesundheitliche Leistungsfähigkeit bzw. eine etwaige Minderung der Leistungsfähigkeit des Antragstellters gar nicht beurteilen können, ist nach den internen fachlichen Hinweisen der Arbeitsagentur eigentlich der Ärztliche Dienst der Arbeitsagentur einzuschalten.

Fachliche Hinweise der Arbeitsagentur zu § 138 Sozialgesetzbuch 3, Ziff. 138.5.1.1 (derzeitige Fassung): Gesundheitliche Einschränkungen (1) Das "Können" erfordert, dass bei objektiver Betrachtung keine (insbesondere gesundheitlichen) Gründe vorliegen, die den Arbeitslosen zwingen, zumutbare Beschäftigungen abzulehnen. (2) Bestehen Zweifel, ob der Arbeitslose eine ausreichende gesundheitliche Leistungsfähigkeit hat, so ist durch den Vermittlungsbereich in der Regel ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes oder des Berufspsychologischen Services einzuholen.

Die Mitarbeiter der Arbeitsagentur schicken die Versicherten in diesen Fällen aber häufig der Einfachheit halber gleich zum Jobcenter - was unzulässig ist.

Da sich allerdings in Ihrem Fall die Krankenkasse doch erst einmal zur Weiterzahlung des Krankengeldes entschieden hat, brauchen Sie aktuell gegen die Ablehnung des Arbeitslosengeldes nicht vorzugehen. Sollte die Krankenkasse erneut das Krankengeld einstellen oder ggf. die Arbeitsagentur unter pauschalem Verweis auf Ihre AU Arbeitslosengeld verweigern, kann man dies rechtlich prüfen.


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Veröffentlicht am

30.11.2016

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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