Beim Bundessozialgericht ist derzeit ein Revisionsverfahren zur Frage der Kostenübernahme für kontinuierliche Glucosemesssysteme (CGMS) anhängig. Unabhängig davon hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in einem aktuellen Urteil die Voraussetzungen erläutert, bei deren Erfüllung der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) eine Kostenübernahme empfehlen kann.
Die Diabetikerin und Klägerin erkrankte 2007 an Brustkrebs. Da sie zudem an einer Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung litt, verordnete ihre Ärztin ihr eine eine Insulinpumpe sowie – hier streitgegenständlich – für ein halbes Jahr ein Glukosemesssystem (CGM-System) mit Sensortechnologie.
Ihre Versicherung lehnte durch Bescheid die Zahlung dieser kontinuierlichen Blutzuckermessung mit der Begründung ab, dass das begehrte System sei in seiner Gesamtstrategie ein neues Verfahren ärztlicher Diagnostik, welches die Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erforderlich mache.
In ihrem Widerspruch verwies die Klägerin insbesondere auf die vorliegende Störung der Hypoglykämiewahrnehmung, das Dawn-Phänomen (Blutzuckeranstieg in den frühen Morgenstunden) und ihre Hormonschwankungen. Aufgrund ihrer Brustkrebserkrankung und den daraus resultierenden Folgewirkungen der Chemo- und Strahlentherapie für die Blutzuckereinstellung bzw. die Auswirkungen auf den Gesamtorganismus bat sie in ihrem Einzelfall um erneute Prüfung.
Nach erneuter Ablehnung durch die Beklagte erhob sie 2009 Klage vor dem Sozialgericht Berlin.
Das Sozialgericht wies die Klage jedoch ab, mit der Begründung, bei der Anwendung des Gerätes zur Messung und kontinuierlichen Überwachung der Gewebezuckerwerte handele es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 5.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein.
Auch diese blieb erfolglos. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten System als Hilfsmittel nach § 33 Sozialgesetzbuch 5 habe. Dabei ließ das Gericht im Wesentlichen offen, ob es sich bei dem Gerät um eine neue Behandlungsmethode nach § 135 Sozialgesetzbuch 5 oder um ein Hilfsmittel nach § 33 Sozialgesetzbuch 5 handelt.
Erforderlich sei ein Hilfsmittel, wenn es im Einzelfall geeignet, notwendig und wirtschaftlich ist. Das Wirtschaftlichkeitsgebot schließe hingegen eine Leistungspflicht der Krankenversicherung für solche Innovationen aus, die nicht die Funktionalität, sondern in erster Linie Bequemlichkeit und Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels betreffen.
Das Hilfsmittel eines CGM-Gerätes sei nicht in allen Fällen des Diabetes Typ 1 mit Hypoglykämiewahrnehmungsstörung erforderlich und geboten im oben ausgeführten Sinne. Zu dieser Erkrankung müsse jedenfalls die besondere Risikodiagnose der Gefahren der unvorhersehbaren schweren Hypoglykämien hinzutreten, der auch nicht mit der zumutbaren normalen Blutzuckermessung von maximal 10 am Tag ausreichend entgegen gewirkt werden könne.
Unter Bezugnahme auf eine MDK-Ausarbeitung vom 28. Januar 2009 sei eine Kostenübernahme für das Gerät unter folgenden Voraussetzungen denkbar:
- wiederholte, unvorhersehbare schwere Hypoglykämien,
- Verordnung und engmaschige Betreuung durch speziell ausgebildete Diabetologen eines Zentrums oder einer Schwerpunktpraxis,
- nachweislich häufige Messungen des Blutzuckers und sorgfältige Dokumentation aller stoffwechselrelevanten Parameter,
- geeignete, aber frustane Versuche unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Techniken einer besseren Stoffwechseleinstellung bei nachgewiesenem Einhalten diätetischer und medikamentöser Vorgaben,
- Teilnahme an entsprechenden Maßnahmen (z. B. Ernährungsschulung, Hypoglykämiewahrnehmungstraining und ggf. Psychotherapie und deren sorgfältige Beachtung und Umsetzung/Befolgung,
- Teilnahme an einer speziellen Schulung zur bestimmungsgemäßen Anwendung des Gerätes.
Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin jedoch nicht, weswegen auch die Berufung in diesem Falle abgewiesen wurde.
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Veröffentlicht am
28.01.2015
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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