Im November 2014 entschied das Hessische Landessozialgericht, dass kein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht, sofern die Erwerbsminderung durch einen Verkehrsunfall eingetreten ist, den der Versicherte beim vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis verursachte.

Im März 2011 fuhr der gelernte Koch alkoholisiert (1,39 Promille) ohne Führerschein und erlitt dabei ohne Fremdbeteiligung bei Regen einen Autounfall. Hierdurch kam es zu erheblichen Verletzungen, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führten.

Den Antrag auf Erwerbsminderungsrente lehnte die Rentenversicherung mit der Begründung ab, der Rentenanspruch sei aufgrund des § 104 Sozialgesetzbuch 6 zu versagen, da der Kläger dem Urteil des Amtsgerichts zufolge ohne Fahrerlaubnis am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen habe und außerdem infolge Alkoholgenusses nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug mit der erforderlichen Sicherheit zu führen. Wer bewusst und gewollt gegen Strafgesetze verstoße, die den Eintritt eines Schadensereignisses verhindern wollen, könne keine Versicherungsleistungen beanspruchen. Hier habe das Interesse der Versichertengemeinschaft – nämlich die Rente zu versagen – Vorrang gegenüber dem Interesse des Versicherten an Auszahlung von Rentenleistung.

Der Kläger zog dagegen vor Gericht und begründete seine Klage damit, dass allein das Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 104 Sozialgesetzbuch 6 ins Gewicht fallen dürfe, da nur diese Vergehen vorsätzlich begangen wurde. Da er aber durch den jahrelangen Besitz einer Fahrerlaubnis die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse besäße, sei dieser Verstoß nicht kausal für den Unfall gewesen. Es sei nicht ausreichend, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung lediglich bei Gelegenheit der strafbaren Handlung eingetreten sei.

Das Sozialgericht Gießen wies die Klage mit der Begründung ab, gemäß § 104 Sozialgesetzbuch 6 könne eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Berechtigte sich die für die Rentenleistung erforderliche gesundheitliche Beeinträchtigung bei einer Handlung zugezogen habe, die nach strafgerichtlichem Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen sei.

Hier sei der Unfall nicht "bei Gelegenheit" einer vorsätzlichen Straftat entstanden, sondern stehe mit der vorsätzlich begangenen Straftat in einem unmittelbaren Ursachenzusammenhang. Zu dem Unfall würde es nicht gekommen sein, wenn der Kläger nicht ohne Fahrerlaubnis gefahren sein würde. Es möge zwar sein, dass der Kläger die theoretischen und praktischen Kenntnisse für das Autofahren besitze. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe er diese aber alkoholbedingt gerade nicht besessen. Die beiden Taten stünden daher in einem ganz engen Zusammenhang. Dies reiche aus, um hier eine Kausalität zwischen dem vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis und dem Unfall zu begründen.

Dieser Ansicht folgte auch das Hessische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 20.11.2014.

Weiterhin führte das Gericht aus, dass es nicht darum ginge, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls "eigentlich" über die praktischen und theoretischen Kenntnisse zum Führen eines Kraftfahrzeugs verfügte. Dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde, beruhe nämlich allein darauf, dass er sich zuvor durch wiederholte Trunkenheitsfahrten als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges erwiesen hatte und dass ihm deshalb die Fahrerlaubnis (bis zum Dezember 2011) entzogen worden war. In dem alkoholbedingten Autounfall habe sich (ohne jegliche Fremdbeteiligung) genau jene Gefahr realisiert, weshalb der Kläger zuvor mit dem Entzug der Fahrerlaubnis "aus dem Verkehr gezogen" werden sollte. Damit läge eine Kausalität zwischen dem vorsätzlichen Vergehen und dem Unfallgeschehen vor.


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Veröffentlicht am

12.02.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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