Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass die Teilnahme an einer Wiedereingliederungsmaßnahme nach dem so genannten "Hamburger Modell" eine "Berufsausübung" im Sinne der Krankentagegeldversicherung darstellt mit der Folge, dass das Krankentagegeld entfällt.
Der Kläger unterhielt bei der beklagten Krankenversicherung eine Krankentagegeldversicherung, der die Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung 2008 zugrunde lagen. Der Kläger hatte ein kalendertägliches Krankentagegeld in Höhe von 120,00 € ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit versichert.
Im Jahr 2009 wurde bei dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt als angestellter Industriekaufmann in einer leitenden Führungsposition tätig war, ein Burn-Out-Syndrom diagnostiziert. Daraus resultierte eine Arbeitsunfähigkeit vom 16.09.2009 bis zum 30.04.2010. Am 01.04.2010 erfolgte eine stufenweise Wiedereingliederung in die Arbeit nach dem „Hamburger Modell“.
Die Krankenversicherung verweigerte dem Kläger jegliche Krankentagegeldzahlung, da sie meinte, der Kläger sei nicht arbeitsunfähig, sondern berufsunfähig . Der Kläger habe nämlich für diese Zeit schon aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei einer anderen Versicherungsgesellschaft "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" einen Betrag von 5.671,89 € erhalten.
Das Landgericht Köln gab der Klage des Versicherten auf Zahlung von Krankentagegeldes in Höhe von 18.600 € statt, aber wies die Klage auf Krankentagegeld auch für die Zeit der Wiedereingliederung ab. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger sehr wohl arbeitsunfähig und nicht berufsunfähig gewesen sei. Ab der Wiedereingliederungsmaßnahme sei er jedoch wieder teilweise arbeitsfähig gewesen, so das ihm für diese Zeit kein Krankentagegeld zustehe.
Im Berufungsverfahren musste schließlich das Oberlandesgericht Köln entscheiden, ob dem Kläger das Krankentagegeld von 120,00 € pro Tag auch für die Zeit der Wiedereingliederungsmaßnahme zustand.
Auch das OLG Köln lehnt die Ansprüche des Klägers ab u. Als Begründung führte das Gericht aus:
Nach § 1 Abs. 3 MB/KT 2008 hindere grundsätzlich jede auch geringfügige Tätigkeit, die dem Berufsfeld des Versicherungsnehmers zuzuordnen sei, das Entstehen des Leistungsanspruchs. Indem der Kläger vorliegend nach seinen eigenen Angaben im Rahmen der Wiedereingliederungsmaßnahme seine ursprüngliche Tätigkeit zumindest teilweise wieder aufgenommen habe, habe er Aufgaben wahrgenommen, die zu seinem Berufsbild gehören.
Eine Ausnahme von dieser Regelung sei wohl ein sogenannter „Arbeitsversuch“, der vorliegend allerdings nicht vorgelegen habe: Ein Arbeitsversuch erschöpfe sich - anders als eine Wiedereingliederungsmaßnahme - in der Erprobung der Belastbarkeit des Versicherten; er dient quasi dazu, festzustellen, ob der Versicherte überhaupt in der Lage ist, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Eine stufenweise Wiedereingleiderung nach § 74 Sozialgesetzbuch 5 setze hingegen voraus, dass der Versicherte nach ärztlicher Feststellung seine bisherige Tätigkeit teilweise verrichten könne, was nur dann der Fall sei, wenn eine entsprechende Belastbarkeit vorhanden sei.
Selbst die Unentgeltlichkeit der Wiedereingliederungsmaßnahme und der Bezug von Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung während dieser Maßnahme stünden einer teilweisen Ausübung seines ursprünglichen Berufs nicht entgegen: Gemäß der MB/KT sei nicht der Verlust des Arbeitseinkommens eine Anspruchsvorausssetzung, sondern vielmehr die Tatsache, dass der Versicherte seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben könne.
Fazit:
Eine Wiedereingliederungsmaßnahme stellt i.d.R. nicht bloß einen Arbeitsversuch, sondern eine "Berufsausübung" dar. Im Falle einer solchen Berufsausübung entfällt der gesamte Krankentagegeldanspruch. Dies ist in der gesetzlichen Krankenversicherung zu Recht nicht der Fall.Dort erhalten Versicherte auch während einer Wiedereingliederung Krankengeld. Hier zeigt sich ein deutlicher Nachteil der privaten Krankentagegeldversicherung.
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Veröffentlicht am
13.08.2014
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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26.11.2016, 11:04 Uhr
KOMMENTAR: Der Bundesgerichtshof hat die o.g. Entscheidung des OLG Köln bedauerlicherweise mit Urteil v. 11.03.2015 bestätigt.
Das Urteil des BGH ist leider oberflächlich begründet und teleologisch verfehlt, führt es doch dazu, dass privat Krankenversicherte von einer stufenweisen Wiedereingliederung absehen - einem seit Dekaden anerkannten und wirksamen Eingliederungsinstrument. Die Interessen des Versicherten und der Versichertengemeinschaft, denen gemeinsam an einem dauerhaft belastbaren Wiedereinstieg in das Erwerbsleben gelegen ist, werden unzureichend berücksichtigt und zeigt sich leider erneut die in vielen Punkten sozialpolitische Rückständigkeit der privaten Krankentagegeldversicherung. Bleibt zu hoffen, dass einige Versicherer ihre Leistungen im Sinne eines Wettbewerbsvorteils freiwillig auf stufenweise Wiedereingliederungen erstrecken.
TIPP: Sprechen Sie mit Ihrem Krankentagegeldversicherer, ob dieser aus Kulanz bereit ist, während einer geplanten Wiedereingliederung Krankentagegeld ganz oder teilweise weiter zu zahlen. Falls nicht, kann während einer Wiedereingliederung Arbeitslosengeld bezogen werden, wie das Bundessozialgericht entschieden hat. Denn der Bezug von Krankentagegeld begründet nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 i.d.R. Pflichtversicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung. Sollten Sie das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, überlegen Sie sich auch, ob Sie bei Gelegenheit des Arbeitslosengeldbezugs in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren wollen.