Das Oberlandesgericht Nürnberg hat am 13. Mai 2015 entschieden, dass keine nichteheliche Lebensgemeinschaft vorliegt, wenn es an einer gemeinsamen Mittelaufbringung und Mittelverwendung fehlt. Dies ist auch der Fall, wenn regelmäßig Aufenthalte und Übernachtungen im Haus des Partners an Wochenenden und Ferientagen stattfinden.

Im vorliegenden Fall klagte die gesetzliche Krankenversicherung der Geschädigten gegen den Sohn und Alleinerben des Führers des Unfallfahrzeugs auf Erstattung der medizinischen Behandlungs- und Rehabilitationskosten.

Die Mutter der Geschädigten und der Vater des Beklagten führten eine Beziehung. Beide lebten jedoch in getrennten Haushalten und übernachteten nur am Wochenende oder in den Ferien beieinander. Die Geschädigte selbst übernachtete nur vereinzelt im Hause des Beklagten und dessen Vater.

Während eines gemeinsamen Urlaubes in Griechenland kam es zu einem Verkehrsunfall mit einem Quad, bei welchem der Vater des Beklagten zu Tode kam und die Geschädigte sich ein schweres Schädelhirntrauma zuzog. Sie musste über Monate in verschiedenen Kliniken behandelt werden.

Die Klägerin übernahm die Kosten der Behandlung der Geschädigten in Höhe von 120.586,89 €. Diesen Betrag begehrte sie von dem Beklagten. Sie war der Auffassung, die Schadensersatzansprüche der Geschädigten gegen den Beklagten als Alleinerben des Fahrzeugführers seien auf sie übergegangen. Der Beklagte könne sich auch nicht auf die gesetzliche Haftungsprivilegierung für Familienangehörige berufen, da die Geschädigte und der Vater des Beklagten nicht in einer häuslichen Gemeinschaft gelebt hätten.

Der Beklagte führte dagegen an, dass im vorliegenden Fall griechisches Recht anzuwenden sei. Auch habe sein Vater den Unfall nicht verschuldet. Im Übrigen treffe die Geschädigte, die bei dem Unfall keinen Helm trug, ein erhebliches Mitverschulden. Zudem bestreitet er, dass ein gesetzlicher Anspruchsübergang auf die Klägerin stattgefunden habe, da die Geschädigte die Tochter der nichtehelichen Lebensgefährtin des Vaters des Beklagten mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe.

In der ersten Instanz wurde die Klage abgewiesen. Zwar sei deutsches Recht anwendbar, etwaige Ansprüche der Geschädigten gegenüber dem Beklagten seien jedoch nicht auf die Krankenkasse übergegangen, da das gesetzliche Familienprivileg des § 116 Absatz 6 Sozialgesetzbuch 10 greife.

Das Berufungsgericht widersprach dem Landgericht und gab der Klägerin Recht.

Eine Anwendung von griechischem Recht wies auch das Oberlandesgericht zurück. Sowohl die Geschädigte als auch der Vater des Beklagten hätten zum Unfallzeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Es läge keine „offensichtlich engere Verbindung“ zum griechischen Staat vor.

Der Vater des Beklagten habe als Führer des verunfallten Quads – aufgrund vermuteten Verschuldens – Ersatz für die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche der Geschädigten zu leisten. Der Beklagte haftet als Alleinerbe seines verstorbenen Vaters für dessen Verbindlichkeiten.

Zwischen der Mutter der Geschädigten und dem Vater des Beklagten bestand keine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Eine solche sei nur dann zu bejahen, wenn eine gemeinsamen Mittelaufbringung und Mittelverwendung bestehe. Zudem bestand keine häusliche Gemeinschaft. Der Lebensmittelpunkt der Geschädigten und ihrer Mutter sei in einer anderen Stadt gewesen, als der des Vaters des Beklagten.

Auch könne der Geschädigten kein Mitverschulden angerechnet werden. Keiner der Reisemitglieder trug bei den Quad-Fahrten während des Urlaubes einen Helm. So könne nicht von der 14-Jährigen Geschädigten, als jüngstem Mitglied der Reisegruppe erwartet werden, dass sie entgegen dem von den Erwachsenen vorgelebtem Vorbild auf die Benutzung eines Helmes zu bestehen.

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Veröffentlicht am

08.06.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

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