Der Bezug von Insolvenzgeld durch die Bundesagentur für Arbeit setzt nicht zwingend ein Insolvenzverfahren voraus. Viele - unseriöse - Arbeitgeber "verschwinden" einfach, stellen keinen Insolvenzantrag und scheren sich auch nicht um ihre Arbeitnehmer. Ausreichend ist grundsätzlich die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit des Arbeitgebers.

Dass die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit des Arbeitgebers im Inland für den Bezug von Insolvenzgeld ausreicht, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt wurde und ein Insolvenzverfahren auch offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, ergibt sich aus

§ 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Sozialgesetzbuch 3: Als Insolvenzereignis gilt [...] 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Betroffenen ist daher dringend zu empfehlen, beim Arbeitsamt Insolvenzgeld auch und gerade dann zu beantragen, wenn der Arbeitgeber sich aufs Nichtzahlen des Arbeitslohns beschränkt hat und "verschwunden" ist. Bei der Bundesagentur für Arbeit erhalten Sie entsprechende Antragsformulare. Wegen einer Ausschlussfrist sollte der Antrag unverzüglich gestellt werden, sobald man Anhaltspunkte dafür hat, dass die Betriebstätigkeit ganz eingestellt wurde.


Kommentare

S.
06.06.2019, 15:06 Uhr

Guten Tag, danke für den Beitrag. Gilt dieses Gesetz auch für eine GmbH? Leider ist mein Arbeitgeber auch spurlos verschwunden. Die Insolvenzstelle teilte mir jedoch mit, dass eine Insolvenz nicht festzustellen sei, geprüft wurde m.E. nicht, und da es sich um eine GmbH handele, könnte nur die Geschäftsführung den Antrag stellen. Simmt das?

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
07.06.2019, 09:55 Uhr

Sehr geehrte S., die Möglichkeit des Insolvenzgeld-Bezuges ohne Insolvenzverfahren besteht auch bei der GmbH. Auch das "Verschwinden" des Geschäftsführers spricht nicht gegen eine Masselosigkeit:

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Dezember 2004, L 2 AL 133/03: Für die Offensichtlichkeit der Masselosigkeit als Voraussetzung des Insolvenzfalls genügt es, wenn für einen unvoreingenommenen Betrachter alle äußeren Tatsachen für die Masselosigkeit sprechen (Anschluss an BSG vom 4.3.1999 - B 11/10 AL 3/98 R = USK 9908). Der Offensichtlichkeit der Masselosigkeit muss bei einer juristischen Person nicht entgegenstehen, dass der Geschäftsführer verschwunden ist, weil regelmäßig nicht davon auszugehen ist, dass er entzogenes Vermögen zugunsten der Gesellschaft beiseite geschafft hat.

Der (derzeitige) Eintrag bei Wikipedia "Wenn der Arbeitgeber sich nun ins Ausland abgesetzt hat und nicht mehr greifbar ist, ist die Masselosigkeit nicht mehr ohne weiteres offensichtlich, da davon auszugehen ist, dass der Arbeitgeber das gesamte (Rest-)Vermögen (welches zum Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit möglicherweise zur Deckung der Verfahrenskosten ausgereicht hätte) aus der Firma gezogen hat", ist demnach unsinnig. Selbstverständlich kann man ohne konkrete Anhaltspunkte n i c h t einfach davon ausgehen, dass der Geschäftsführer "Geld mitgenommen" hat. Das mag im Fernsehen so sein, kann rechtlich aber nicht unterstellt werden. Häufig werden die Gesellschaften auch im Handelsregister "von Amts wegen" gelöscht (Handelsregisterauszug beschaffen), was wiederum nach § 394 Absatz 1 FamFG (Stand Link Juni 19) voraussetzt, dass "keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt".

Die Arbeitsagenturen überspannen häufig massiv die Anforderungen an den allein ausreichenden "Anschein der Masseunzulänglichkeit für den unvoreingenommenen Betrachter". Dabei werden auch die gesetzgeberischen Motive der Insolvenzgeldregelungen außer Acht gelassen. Zur Einführung der entsprechenden Regelungen zum Konkursausfallgeld hat der Gesetzgeber schon 1974 ausgeführt:

Entwurf eines Gesetzes über Konkursausfallgeld, Bundestags-Drucks. 7/1750, S. 12: Nummer 2 [heute Nummer 3] betrifft die Fälle, in denen es offensichtlich ist, daß der Arbeitgeber zahlungsunfähig und keine Masse vorhanden ist, welche die Eröffnung des Verfahrens rechtfertigen würde. In diesem Fall soll die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit für den Anspruch auf Konkursausfallgeld maßgebend sein. Der Bestimmung liegt die Erwägung zugrunde, daß jedenfalls am Tage der vollständigen Betriebsstillegung auch Zahlungsunfähigkeit vorliegt.

Es wäre sozialleistungsrechtlich geradezu absurd, wenn das "Nichtstun und Verschwinden" des Geschäftsführers dazu führen würde, dass der sozialversicherte Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Insolvenzgeld verliert. Bei der Ablehnung des Insolvenzgeldes fragt man sich dann, ob die Arbeitsagentur verstanden hat, worum es bei dieser gesetzlichen Regelung geht: Die Abwendung der "schwierigen Lage der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers" (s. BT-Drucks.). Betroffenen ist in solchen Fällen daher zum Widerspruch und ggf. zur Klage zur raten.


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Veröffentlicht am

14.03.2014

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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