Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat bereits 2010 entschieden, dass es für die Zahlung von Insolvenzgeld auf die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit des Unternehmens ankommt, wenn weder ein Insolvenzverfahren eröffnet noch ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde.

Häufig kommt es vor, dass zahlungsunfähige Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern keinen Lohn mehr zahlen (evtl. aus Angst vor Strafverfolgung nach § 266a StGB noch Sozialversicherungsbeiträge abführen) und anschließend unverrichteter Dinge verschwinden. Die Arbeitnehmer werden verantwortungslos und ohne Information zurückgelassen. Ein Insolvenzantrag wird häufig gar nicht gestellt, entweder aus schlichter Faulheit oder weil ein solcher "mangels Masse" keine Erfolgsaussicht hat. Auch in solchen Fällen können Arbeitnehmer zumindest für 3 Monate Insolvenzgeld erhalten.

In dem vom LSG Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall war die Klägerin als Außendienst-Mitarbeiterin der Firma L beschäftigt. Zum 31.12.2002 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis gegenüber ihrer Arbeitgeberin. Für die Monate September bis Dezember 2002 wurde ihr das Arbeitsentgelt nicht ausgezahlt.

Daraufhin beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld.

Zugleich führte sie ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit dem sie unter anderem die Zahlung eines höheren Arbeitsentgeltes für den Zeitraum von September bis Dezember 2002 verfolgte. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich, in dem sich die Arbeitgeberin verpflichtete, das Arbeitsverhältnis für die Monate September bis Dezember 2002 ordnungsgemäß abzurechnen.

Die Arbeitgeberin kam ihren Verpflichtungen aus diesem Vergleich jedoch nicht nach. Auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen waren erfolglos. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin war nicht auffindbar und entzog sich damit einem Haftbefehl.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass kein Insolvenzvorgang über ihre ehemalige Arbeitgeberin existiere. Es sei weder ein Insolvenztatbestand über die Firma bekannt, noch sei ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Auch sei ein Nachweis über den Betriebseinstellung und die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht vorgelegt worden. Die bloße Zahlungsunwilligkeit der Arbeitgeberin reiche nicht aus, um einen Anspruch auf Insolvenzgeld zu begründen.

Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Aus diesem Grund reichte sie Klage ein, welche vom Sozialgericht abgewiesen wurde. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass sich der tatsächliche Zeitpunkt der Betriebseinstellung nicht klären lasse. Es sei unwahrscheinlich, dass eine vollständige Betriebseinstellung bereits im Januar 2003 vorgelegen habe. Dem Beweisantrag der Klägerin, die Geschäftsführer der Firma zu befragen, kam das Gericht wegen erwarteter Erfolglosigkeit nicht nach.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein.

Auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wies die Berufung zurück. Dazu führte das Gericht aus, dass weder eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma erfolgte, noch ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wurde. Damit sei eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit der Firma ausschlaggebend. Diese erfolgte in diesem Einzelfall jedoch nicht vor Ende Juni bzw. Juli 2003. Somit liege kein Anspruch der Klägerin auf Insolvenzgeld für die Monate September bis Dezember 2002 vor.

ACHTUNG: In diesem Fall wurde die Klage nur abgewiesen, weil die Betriebstätigkeit erst lange Zeit nach der Beendigung der Lohnzahlung eingestellt wurde. Wenn in Ihrem Fall das Gehalt nicht mehr gezahlt und kurze Zeit später die Betriebstätigkeit eingestellt wird, besteht i.d.R. zumindest für die letzten 3 Monate vor Betriebseinstellung ein Anspruch auf Insolvenzgeld. Der Insolvenzgeldantrag muss innerhalb einer Ausschlußfrist von 2 Monaten nach dem Insolvenzereignis (also hier der Einstellung der Betriebstätigkeit) gestellt werden, wie sich aus § 324 Absatz 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch 3 ergibt.

020610


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Veröffentlicht am

29.05.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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