Das Landessozialgericht Bremen-Niedersachsen hat in einem aktuellen Verfahren entschieden, dass erhebliche Verzögerungen im Rahmen der Versorgung mit Hörgeräten dazu führen können, dass der zuständige Sozialversicherungsträger per sofort im Eilverfahren verpflichtet wird, eine effektive Versorgung sicherzustellen und die Kosten für ein hochpreisiges Hörgerät zu übernehmen.
Der Kläger ist 50 Jahre alt und hochgradig schwerhörig. Er war zwar mit Hörgeräten versorgt, allerdings entsprachen die nicht mehr ausreichend seinen Bedürfnissen und auch nicht mehr dem Stand der Technik. Aufgrund dieser Tatsache konnte sich der Kläger vielfach nicht mehr an normaler Kommunikation im beruflichen oder auch privaten Kontext beteiligen. Nur noch Gespräche mit einzelnen Personen waren weitestgehend möglich. Trotz eines im Jahr 2008 gestellten Antrags bei der Rentenversicherung passierte nichts. Es wurde darauf verwiesen, dass die Zuständigkeit bei der Krankenkasse liege. Weiter passierte nichts, insbesondere auch keine Weiterleitung des Antrags. Hiergegen klagte der Kläger, jedoch mangelt es noch immer an einer rechtskräftigen Entscheidung, da der Rentenversicherung sowohl Berufung als auch Revision eingelegt hat.
Dies könne, gerade vor dem Hintergrund der im gerichtlichen Instanzverfahren festgestellten Verzögerungstaktik des Rentenversicherungsträgers, nicht angehen, so das Gericht in seiner Begründung. Der Rentenversicherungsträger sei daher verpflichtet, nunmehr sofort die Versorgung zu übernehmen und einen Hörgeräteakustiker hinzuziehen, der ein Hörgerät anpasst, welches den bestmöglichen Ausgleich des Hörvermögens bewirken möge. Die Dringlichkeit des Anliegens des Versicherten sei hier gänzlich ohne Beachtung geblieben, was ihn in einem nicht hinnehmbaren Maße einschränkt.
Angesichts dieses langen Versorgungsdefizits könne der Kläger nun nicht mehr auf ein denkbares Neubescheidungsurteil im Rahmen der Hauptsache verwiesen werden. Wegen der Schwere der Hörbeeinträchtigung könne der bestmögliche Ausgleich hier nicht mehr durch ein Hörgerät zum Festbeitrag erreicht werden. Darüber hinausgehenden Kosten wurden dem Kläger deshalb auch zugesprochen. Dies alles sei von Verfassungswegen geboten, denn eine weitere Hinnahme des Zustands sei schlechterdings nicht hinnehmbar. Die dargelegten Versäumnisse wögen nach Aussage des Gerichts umso schwerer, als es sich um Sozialleistungsträger handeln würde, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung anzusehen seien. Ihnen obliege eine besondere Art der Fürsorge. Diese sei jedoch hier grob missachtet worden, sodass letztlich auch das Gericht berufen sei, sich schützend vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen und diesen Geltung zu verschaffen.
Der Beschluss ist rechtskräftig.
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Veröffentlicht am
18.12.2013
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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