Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12.05.2016 entschieden, dass eine Erhöhung der Heimkosten immer der Zustimmung des Heimbewohners bedarf, auch wenn diese Leistungen der Pflegeversicherung oder Sozialhilfe beziehen. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die hiervon abweichen, sind unwirksam.

Oma mit Portemonnaie

In dem entschiedenen Fall hatte ein Verbraucherschutzverein einen Heimträger verklagt, dessen Heimvertrag in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel enthielt, wonach die Heimkosten "durch einseitige Erklärung" des Heimträgers erhöht werden konnten, wenn sich "die bisherige Berechnungsgrundlage" ändert. Dies sollte sowohl für die Pflegekosten, die Unterkunfts- und Verpflegungskosten und die betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen gelten.

Der Bundesgerichtshof hat solche Klauseln für unwirksam erklärt.

Eine Entgelterhöhung nach § 9 WBVG [erfordert] die Zustimmung des Heimbewohners. Dies gilt auch bei Bewohnern, die Leistungen nach dem SGB XI beziehungsweise SGB XII beziehen. Eine davon abweichende Vereinbarung, die ein einseitiges Erhöhungsrecht des Heimträgers vorsieht, ist unwirksam. [...] Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 WBVG kann der Unternehmer, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert, eine Erhöhung des Entgelts "verlangen", nicht aber (unmittelbar) das erhöhte Entgelt.

Will also ein Heimbetreiber 'die Heimkosten erhöhen' und von seinen Bewohnern ein höheres Heimentgelt verlangen, muss er, bevor er höhere Beträge in Rechnung stellen kann,

  • den betroffenen Heimbewohnern in einem schriftlichen Erhöhungsverlangen die beabsichtigte Erhöhung des Heimentgelts schriftlich mitteilen und ausführlich begründen. Dabei muss er in besonderer Weise die einzelnen Heimkostenbestandteile benennen, die sich erhöhen, die neuen und die alten Preise gegenüberstellen und den Zeitpunkt der Heimkostenerhöhung benennen (s. § 9 Absatz 2 Satz 1 WBVG). Dabei sollte der Heimbewohner auch darauf hingewiesen werden, dass er "Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen" nehmen kann. Die höheren Heimkosten können dann frühestens 4 Wochen nach Zugang dieses Erhöhungsverlangen verlangt werden.

  • von jedem betroffenen Heimbewohner die Zustimmung verlangen (und intern den Rücklauf kontrollieren).

Damit ist der Ablauf der Heimkostenerhöhung für den Heimbetreiber bereits aufwändig genug. Zudem ergibt sich noch ein weiteres Kostenrisiko:

Unterschreiben einige Heimbewohner oder dessen Vertreter das Zustimmungsformular nicht, muss der Heimbetreiber gegen diese einen "Zivilprozess über die Erteilung der Verbraucherzustimmung" führen, wie der BGH schreibt. Eine Überprüfung der Angemessenheit der Erhöhung findet in einem solchen Klageverfahren zwar nicht statt, wenn der betroffene Heimbewohner Leistungen der sozialen Pflegeversicherung oder des Sozialamts erhält. Im Bestreitensfalle muss er aber darlegen und beweisen, dass sein Erhöhungsverlangen korrekt formuliert war und zugegangen ist. Außerdem stellt sich bei einer Zustimmungsklage gegen einen sozialhilfebeziehenden Heimbewohner für den Heimträger selbst im Falle des Sieges die praktische Frage:

Wer trägt die Anwalts- und Gerichtskosten im Falle einer Zustimmungsklage?

Prozesskostenhilfe für den Sozialhilfeempfänger wird es nicht geben, wenn seine Verteidigung keine Aussicht auf Erfolg hat. Aus eigener Tasche wird er die Gerichtskosten nicht bezahlen können. Der Sozialhilfeträger wird die Gerichts- und Anwaltskosten wohl kaum erstatten. So kann der Heimbetreiber schlussendlich auf den Gerichtskosten eines solchen Zustimmungsprozesses sitzen bleiben. Streitwert wäre wohl nach § 9 ZPO der 42-fache Monatsbetrag der Erhöhungssumme (Beispiel: Streitige Erhöhung um 80 € monatlich = 3.360 € Streitwert = 381,00 € Gerichtskosten und mindestens 773,50 € eigene Anwaltskosten - bei Stundenhonorar wohl noch deutlich mehr). Dieses ganz praktische Kostenproblem spielt bei der rechtlichen Betrachtung des BGH freilich keine Rolle.

Heimbetreibern ist daher zu empfehlen, sich hinsichtlich ihres Erhöhungsprocederes und der verwendeten Formulare anwaltlich beraten zu lassen und zwar von Anwaltskanzleien, die mit dem Heimrecht vertraut sind. Die oftmals kostenträchtige Umgestaltung der AGB hilft in dieser Hinsicht beim engen gesetzlichen Korsett des WBVG eher wenig und ist, wie am Beispiel der BGH-Entscheidung zu ersehen ist, immer mit der Frage verbunden, "ob die Klausel hält". Bricht diese nach einigen Jahren zusammen, kann es teuer werden. Die Praxis muss also funktionieren, insbesondere die Kommunikation mit den Heimbewohnern.

III ZR 279/15


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Veröffentlicht am

10.06.2016

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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