Das Bayerische Landessozialgericht hat in einem aktuellen Verfahren entscheiden, dass – unter Zugrundelegung eines subjektiven Maßstabs – keine grobe Fahrlässigkeit in Betracht kommt, wenn die Leistungsempfängerin aufgrund der Gestaltung des Merkblatts der Behörde nicht erkennen konnte, dass sie ein zeitgleich durchgeführtes und den Anspruch ausschließendes Studium hätte angeben müssen.

Die Klägerin, die sich mit ihrer zuletzt erhobenen Berufung vor dem Landessozialgericht gegen den von der Behörde geltend gemachten Erstattungsanspruch wehrt, hatte im Jahr 2005 an einem Abendgymnasium ihr Abitur gemacht und begann im selben Jahr mit einem Studium der Philosophie. Zuvor hatte sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten, die auch nach Beginn des Studiums weiterhin gezahlt wurden. Nachdem die Behörde von dem Studium der Klägerin anlässlich eines gemeinsamen Gespräches Kenntnis erlangte, nahm sie den insoweit rechtswidrigen Verwaltungsakt zurück und forderte die Erstattung der Leistungen für den Zeitraum ab Beginn des Studiums.

Das Landessozialgericht hat der Klage stattgegeben und den Rückforderungsbescheid für rechtswidrig erklärt, da die zugrundeliegende Rücknahme rechtswidrig war. Voraussetzung für eine solche sei nach § 45 Sozialgesetzbuch 10 in der hier einschlägigen Tatbestandsvariante, dass der Verwaltungsakt, also hier der Leistungsgewährungsbescheid, auf Angaben beruht, die zumindest grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig waren. Der Klägerin falle jedoch lediglich leichte Fahrlässigkeit zur Last. Im entsprechenden Merkblatt der Behörde würden zwar abstrakt die Voraussetzungen der Leistungsansprüche nach dem Sozialgesetzbuch 2 erläutert, es ließe sich auch entnehmen, dass die Aufnahme eines Studiums für den Anspruch auf Leistungen Bedeutung hat. Eine eindeutige Aussage, dass der Leistungsanspruch entfällt, enthalte das Merkblatt indes nicht. Im Regelfall sei die Missachtung eindeutiger Hinweise in einem Merkblatt über den Leistungsbezug von gesetzlichen Transferleistungen zwar grob fahrlässig, allerdings sei auch zu beachten, auf welche Weise die Behörde in ihren Antragsformularen nach dem Sachverhalt fragt. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, ob der Klägerin aufgrund der Fragestellung der Beklagten bewusst war, dass sie die Aufnahme ihres Studiums mitzuteilen habe. Dies müsse im vorliegenden Fall verneint werden. Aus der allgemeinen Nachfrage zu Änderungen in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen habe es sich ihr nicht erschlossen, dass die Aufnahme eines Studiums anzugeben war. Zudem habe die Klägerin bei konkreter Nachfrage ihr Studium sodann als gleich angegeben.

Aus all diesem folge in der gebotenen Einzelfallbetrachtung, dass hier eine Rücknahme und Erstattung nicht möglich sei. Trotz dieser stark am Fall orientierten Rechtsprechung ist bei Rückforderungsbescheidungen stets zu prüfen, inwieweit diese von der zuständigen Behörde tatsächlich rechtmäßig erlassen wurden.

Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist rechtskräftig.

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.01.2011.


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Veröffentlicht am

17.04.2011

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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